Handy und Handheld als Trumpf

Das Potential für die Entwicklung von mobilen Applikationen und Diensten wäre gross, doch Schweizer Unternehmen machen in diesem Bereich noch zu wenig.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/18

     

Zugriff auf alles, und das bitte jederzeit und von überall her: Der Siegeszug von mobilen Endgeräten und Applikationen scheint kaum mehr aufzuhalten – doch versteckt sich hinter dem ganzen Hype auch wirklich ein Business für Schweizer Firmen? Als eines von nur zwei Ländern in Europa verzeichnete die Schweiz im Jahr 2003 einen um 5 Prozent auf 107’000 Einheiten gesunkenen Absatz von Handhelds, wie die Marktforscher von IDG herausgefunden haben. Diese rückläufige Entwicklung relativiert sich aber, wenn man den Markt für Smartphones betrachtet: In diesem zukunftsträchtigen Segment nämlich legte die Schweiz im Jahr 2003 um 89 Prozent auf 129’500 Einheiten zu, weiss IDG.
Am 27. und 28. September fand in Bern zum dritten Mal das Mobile Applications Forum statt: «Der Anlass soll die Motivation für Schweizer Software-Entwickler steigern, im Bereich von mobilen Applikationen tätig zu werden und Geschäftskunden den möglichen Nutzen direkt an Beispielen aufzeigen», sagt Organisator Roger Müller (Bild) von Mobile4Business. Müller ortet im Schweizer Markt viel Potential. Die Ausgangschancen seien gut, doch es brauche Investitionen: «In der Schweiz könnten rund 140 Firmen Lösungen im Mobile-Bereich anbieten, aber nur ungefähr 40 davon sind aktiv», so Müller zu IT Reseller. Am Forum stellten rund 43 Unternehmen ihre Lösungen für das «mobile Büro», die Produktivitätssteigerung von mobilen Mitarbeitenden, die Steigerung der Effizienz von Abläufen, aber auch Dienste und Lösungen für die breite Masse der Handy-Benutzer vor.

Netzwerk-Operatoren als Verhinderer?

Der Markt sei technisch reif, so Müller, nur hinke das Denken der Leute dem Machbaren noch hinterher. Insbesondere bei den Firmenkunden ortet er ein Defizit: «Die breite Masse der Unternehmen könnte im Mobile-Bereich gute Projekte machen und viel gewinnen», sagt Müller. Dass Firmen ihre Mitarbeitenden allerdings nicht von heute auf morgen mit Handhelds ausstatten und ihnen mobilen Zugang zu allen Firmenapplikationen ermöglichen, könnte aber auch einen anderen Grund haben: «Die Netzwerk-Anbieter verlangen immer noch Apotheker-Preise für den Datentransport», so Müller. Viele Firmen seien nicht bereit, so viel zu bezahlen.
Preissenkungen seien immer eine Frage der Rentabilität, hält die Orange-Pressestelle diesem Vorwurf entgegen: So hätten die Netzwerk-Anbieter in der Schweiz fast gleich hohe Fixkosten zu bestreiten wie in Deutschland, dies aber bei einem viel kleineren Gesamtmarkt. Ausserdem seien die Auflagen hierzulande ebenfalls ungleich höher als im benachbarten Ausland. Des weiteren würde Müller eine Öffnung der Angebote begrüssen: «Anstatt auf die Exklusivität des Netzes zu pochen, müsste Datenvolumen im Wholesale verkauft werden, damit lösungsorientiert gearbeitet werden kann», so Müller. Dieser Punkt scheint mindestens bei Orange angekommen zu sein: Entsprechende Modelle würden geprüft, heisst es.

Ergon: Anteil Mobile-Business wächst

Dennoch: Wie einige Beispiele aus der Schweiz zeigen, lassen sich in der Mobile-Arena mit Innovationen und guten Ideen auch heute schon Geschäfte machen. «Vor zwei Jahren war der Anteil von Mobil-Projekten an unserem Umsatz gleich null, heute machen wir schon 10 bis 15 Prozent des Umsatzes in diesem Bereich», sagt Jakob Magun, CTO beim Software-Entwickler Ergon Informatik. Im Consumer-Umfeld hänge die Entwicklung des Marktes in hohem Masse von der Verfügbarkeit entsprechender Endgeräte ab, so Magun. Diese sei in jüngster Zeit gegeben. Auch im Bereich von mobilen Geschäftsapplikationen lasse sich gut geschäften: «Wenn man einen klaren Return on Investment aufzeigen kann, werden die Budgets auch gesprochen», so Magun. Als Beispiel nennt er eine von Ergon und Synchronica gemeinsam entwickelte Lösung, mit der Kontakte, Kalendereinträge und E-Mails eines Microsoft Exchange Servers auch auf dem Mobiltelefon verfügbar gemacht werden können. Diese Lösung werde auch von KMU eingesetzt, etwa von Anwaltskanzleien oder von Venture-Capital-Gebern: «Die Anbindung mobiler Endgeräte wird schon in wenigen Jahren eine Selbstverständlichkeit sein», erklärt Magun gegenüber IT Reseller.

Risikoreiche Eigenentwicklung

Die Produktentwicklung im Mobile-Bereich stellt für eine kleine Schweizer Firma Risiko und Chance zugleich dar: So war die Entwicklung von Netsnapper – einer Software, die den Zugang ins Firmennetzwerk von mobilen Endgeräten aus ermöglicht – der Rüschlikoner Firma Sunbay Software fast zum Verhängnis geworden. Nur mit einer Finanzspritze in letzter Minute konnte das Unternehmen im Juni dieses Jahres vor dem Konkurs gerettet werden (IT Reseller berichtete). Nach einem massiven Mitarbeiter-Abbau in der Schweiz befindet sich Sunbay inzwischen nach Auskunft von CEO André Wattenhofer wieder auf dem Weg zur Gesundung. «Der Markt ist reif für Netsnapper, bei vielen Firmenkunden blockiert aber noch die Angst vor Sicherheitsproblemen eine entsprechende Investition», so Wattenhofer. Nach erfolgreichen Feldversuchen mit dem Produkt durch rund 15 Partnerfirmen im In- und Ausland würden jetzt auch grössere Schweizer Unternehmen Pilotprojekte mit Netsnapper durchführen: «Das Momentum ist da, seit den letzten zwei oder drei Monaten verspüren wir wieder ein erstarktes Interesse am Markt», so Wattenhofer. (bor)


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