Optimismus im SBC-Channel

Wie eine Blitzumfrage von IT Reseller ergab, bleiben für die Schweizer Channel-Player Server Based Computing-Projekte (SBC) weiterhin ein Wachstumsgebiet. Auch KMU interessieren sich zunehmend für SBC, und Citrix-Alternativen gewinnen an Bedeutung.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/08

     

Der Server Based Computing-Markt (SBC) ist im letzten Jahr gereift. Gemäss einer Marktübersicht von Forrester Research vom März 2004 hatte 90 Prozent der befragten Unternehmen 2003 mindestens eine Anwendung auf Citrix- oder «Microsoft-only»-Installationen zu laufen.
Für die nächsten zwei bis drei Jahre prognostizieren die Auguren ein weiteres leichtes Wachstum für das Segment. Der Marktanteil von Citrix betrug 2003 laut Forrester 78 Prozent (2002: 70-75%, Quelle: Giga), er soll aber bis Ende 2005 auf 71 Prozent schrumpfen.
Die Marktforscher gehen davon aus, dass vornehmlich kleine und mittlere Unternehmen vermehrt auf Microsoft Terminal Server ohne Metaframe oder alternative Drittprodukte setzen werden.
In einer Blitzumfrage im Schweizer SBC-Channel wollte IT Reseller von VARs und Systemintegratoren, die im SBC-Bereich aktiv sind, wissen, wie sie die Situation in diesem Segment beurteilen. 19 Unternehmen haben geantwortet, die Mehrheit davon sind Citrix-Partner.

Bedeutung von SBC steigt weiter

Für einen Grossteil (14) der Umfrageteilnehmer hat sich das Geschäft mit Server Based Computing-Projekten (Software, Hardware, Services) im vergangenen Jahr «innerhalb der Erwartungen» entwickelt. Für drei über oder gar stark über Erwartungen.
Für nur zwei Umfrageteilnehmer ist das Geschäft «unter den Erwartungen» ausgefallen. Zwölf Unternehmen konnten den Umsatz steigern, im Schnitt zwischen 5 und 15%, in einigen Ausnahmen gar um 40–50%. Für sieben der Befragten blieb der Umsatz etwa gleich wie 2002.
Umsatzrückgänge hatte keiner zu beklagen. Im Jahr zuvor mussten immerhin vier Channel-Player im SBC-Segment Umsatzeinbussen zwischen 10 und 75% hinnehmen.
Für das laufende Jahr ist das Gros der Befragten (14) optimistisch und erwartet weitere Umsatzsteigerungen zwischen 10 und 30 Prozent. Fünf Teilnehmer rechnen mit gleichen Umsätzen wie 2003, von einem Umsatzrückgang geht niemand aus. Dabei muss differenziert werden, dass ein Umsatzwachstum vornehmlich im Bereich Citrix-Software erwartet wird.
«Die dazu nötigen Plattformkomponenten wie Server und Clients werden aufgrund des allgemeinen Preiszerfalles höchstens gleich bleiben. Die damit verbundenen Service-Leistungen werden in etwa gleichem Rahmen steigen», sagt Hanspeter Stucki, Leiter PM/Marketing beim Systemintegrator Delec.
Die Bedeutung des Geschäfts mit Server Based Computing hat im Vergleich zum Vorjahr für die Umfrageteilnehmer noch weiter zugenommen. Sieben der Befragten gaben an, dass SBC-Projekte in ihrem Unternehmen eher an Wichtigkeit zugelegt haben.
Für elf Teilnehmer ist das Thema gleich wichtig wie im Jahr zuvor. Für nur einen der Befragten (Vorjahr 12,5%) nahm die Bedeutung ab. «Es werden zunehmend auch kleinere Firmen im KMU-Bereich auf SBC-Lösungen setzen», meinte Max Etter, Leiter Sales/Marketing In4u gegenüber IT Reseller.

Pro und Kontra Citrix-Monopol

Etwa die Hälfte der Befragten findet, dass das Quasi-Monopol von Citrix im Bereich SBC-Software für ihr Geschäft eher nützlich ist, auch wenn ein reges Gedränge am Citrix-Trog herrscht und die Preise zusehends unter Druck geraten.
«Als Systemintegrator ist es einfacher, mit einem klaren Marktleader aufzutreten. Man muss nicht noch eigenes Marketing zu einem unbekannten Produkt betreiben», kommentiert Hanspeter Stucki, Delec. «Demgegenüber kommen die Preise natürlich eher unter Druck, weil sich die Produkte in Offerten einfach vergleichen lassen», so Stucki weiter.
Auch Ueli Tritten, Leiter Consulting MTF Thörishaus empfindet die Citrix-Vormachtstellung als nützlich, da alle Mitbewerber die gleichen Voraussetzungen hätten, und man sich durch Vorgehen und Services bereits in der Offert-Phase abheben könne.
«Der Schweizer Markt wird von einigen Key-Playern getrieben. Wir können dort aber keine Sogwirkung feststellen», erklärt Guido Markowitsch, Geschäftsleiter der Reinacher WMC Computer-Systeme & Beratung. «Wir glauben da einfach an einen anderen technologischen Ansatz, wo wir auch wesentlich mehr langfristige Aktivitäten erkennen können. Es gibt Firmen und Konzepte, wo die Citrix-Lösung einfach passt und auch grosse Vorteile bringt. Wir schätzen diese Technologie, müssen aber gleichzeitig sagen, dass wir den riesigen Infrastruktur-Overhead generell für unwirtschaftlich ansehen», Markowitsch weiter.
Der Ansatz, Webservices und EAI anzuwenden, also Internet-Technologien zu benutzen, ist für Markowitsch wesentlich spannender. Einerseits liessen sich neue, schlanke Funktionalitäten generieren, zudem werde die Arbeitsoberfläche, das Frontend, für den Durchschnittsbenutzer konsistenter.
«Das Quasi-Monopol von Citrix ist eher schädlich, Konkurrenz belebt den Markt», konstatiert Andy Odermatt von Prometheus Informatik.
Auch Edgar Bruhin, Geschäftsführer BWO Trading meint, dass der Wettbewerb hilft die Bekanntheit von SBC zu steigern. Mit Tarantella – Tarantella Enterprise 3 ist ein eigenständiges Produkt – verfolgen die Rotkreuzer eine eigene Strategie. «Speziell im Unix und Linux-Umfeld ist Tarantella stetig am wachsen und findet neue Freunde», so Bruhin.
«Ein Monopol ist auf Dauer immer schlecht. Citrix muss laufend am Ball bleiben um Kunden und Händler zufrieden zu stellen und hoffentlich auch mal die Preise ein wenig nach unten korrigieren», sagt René Balz von Balz Informatik.

Lizenzen noch immer zu teuer

Bei der Frage, ob «Microsoft-only»-SBC-Installationen eine zunehmende Konkurrenz für Citrix-Metaframe darstellen, scheiden sich die Geister. Max Etter, In4u findet nein, da «Citrix am Ball bleiben wird». Für Markus Oeschger, Geschäftsführer Steffen Informatik ist Microsoft-only nur bei kleinen oder sehr einfachen Projekten ein Thema.
In komplexen Umgebungen habe Citrix klare Vorteile. Zudem biete es heute mit der ganzen Access Suite (Presentation Server, Secure Access Manager, Password Manager, Conferencing Manager) zusätzliche schlagkräftige Argumente gegen MS-only, so Oeschger.
Ähnlich sieht es Martin Trachsel von Netbeat: «Microsoft ist eine ernst zu nehmende Konkurrenz in kleineren und einfacheren SBC-Infrastrukturen. Citrix ist für die Realisierung anspruchsvoller und umfangreicher Infrastrukturen sehr gut positioniert.»
«Nur schon aufgrund des relativ hohen Bandbreitenbedarfs bei ‹MS-only›-SBC-Installationen sehe ich zurzeit keine grosse Konkurrenz zur Citrix-Access-Suite», meint auch Martin Jung, Jung Electronic.
Delec, so Hanspeter Stucki, habe bis heute keine einzige MS-only-Installation. Obschon Microsoft immer mehr Grundfunktionen in den Terminalserver einbaut, seien die wesentlichen Teile immer noch nur in Citrix-Metaframe vorhanden. Die Schwierigkeit liege laut Stucki eher darin, dass mit dem Windows Server 2003 Microsoft das Lizenzmodell wieder geändert hat und bereits für die Lizenzierung der Terminal Server-Plattform grosse Softwarekosten entstünden.
Für Guido Markowitsch, WMC, hingegen ist MS-only eine nicht zu unterschätzende Konkurrenz. «Mit dem Windows Server 2003 hat Microsoft ein gutes Stück aufgeholt. Vor allem bei knappen Budgets und dort, wo die Citrix-Vorteile nicht zwingend gefordert sind, ist MS-only eine echte Alternative.»
Auch Hansjörg Brugger von Dynawell sieht in MS-only eine zunehmende Konkurrenz für Citrix-Metaframe: «Die Kosten pro Arbeitsplatz-Lizenz für einen Citrix Client sind recht hoch und müssen sich rechtfertigen und schrecken im kleinen Umfeld sehr schnell ab. Da der Performance-Unterschied zwischen ICA- und RDP-Client nicht mehr so hoch ist, wie noch in den ersten Versionen vom Microsoft Client, macht Citrix in einem kleinen Umfeld wenig Sinn.» Sogar Citrix habe Mühe, in einem kleinen Umfeld den Einsatz von Metaframe zu rechtfertigen, sagt Brugger.

Mobiler Zugriff als Treiber

17 von 19 befragten Unternehmen sind der Meinung, dass die Möglichkeit, mit SBC auf relativ einfache Art den mobilen Zugriff auf Unternehmensapplikationen zu ermöglichen, ein wichtiger Motivationspunkt für SBC-Projekte bei ihren Kunden ist.
«Die Flexibilität und Unabhängigkeit in Bezug auf Art und Ort des Zugangs ist heute einer der häufig genannten Wünsche bei SBC-Projekten», sagt Martin Jung, Jung Electronic.
In Kombination mit xDSL-, VPN- und Wireless-Technologie biete SBC eine ideale Plattform für verteilte oder mobile Arbeitsplätze, meint auch Andy Odermatt, Prometheus Informatik.
Guido Markowitisch, WMC, vertritt hingegen eine gegensätzliche Meinung: «Gerade diese Anforderung versuchen wir in Richtung Webservices zu kanalisieren. Die Open Source-Technologien helfen heute, das Problem professionell, kostengünstig und ergonomisch zu lösen. Dabei kann Open Source auch als Komplementärtechnologie eingesetzt werden. Beispielsweise birgt die Kombination von MySQL und PHP ein interessantes Potential.»
Grundsätzlich steht allerdings im Vordergrund der meisten Installationen nach wie vor die Konsolidierung der Daten, Programme, User bzw. deren Administration an einem zentralen Ort. Der Treiber für die Lösung ist in den meisten Fällen Kostenoptimierung.
Durch die Übernahme des Access-Service-Spezialisten Expertcity (siehe Seite 18) bietet Citrix mit dessen Produkt «GoToMyPC» den Anwendern mobilen Zugang über Internet auf ihren PC-Arbeitsplatz. 18 von 19 unserer Umfrageteilnehmer sind sich sicher, dass der mobile Zugriff künftig zu einem wichtigen Business-Driver für SBC wird.
«Der Mobilität gehört so oder so die Zukunft», konstatiert Pascal Hilty, Darest. Durch die Mobilität mit windowsfähigen Handys und damit verbundene 7x24 Stunden-Erreichbarkeit von wichtigen Personen, steige auch der Bedarf, an firmenwichtige Daten zu kommen, so Hansjoerg Brugger, Dynawell. «Es reicht nicht mehr auf der Skipiste nur seine geschäftlichen Termine zu bestätigen, sondern man will auch gleich die Umsatzzahlen prüfen».
Guido Markowitsch bläst nicht ins gleiche Horn, er glaubt auf keinen Fall an einen Business-Schub für SBC durch mobilen Zugriff. «Mobile Zugriffe müssen möglichst schlank und unkompliziert sein. Mit einem Notebook geht ja der Zugriff über einen Terminal-Server. Für PDAs, Smartphones etc. muss sowieso ein anderes GUI her, und da macht die Windows-Oberfläche keinen Sinn mehr».

Konsolidierung geht weiter

Abschliessend kann festgestellt werden, dass sehr viele Unternehmen von SBC reden, die meisten Interesse zeigen, es jedoch noch lange nicht alle tatsächlich umsetzen. KMU zögern, weil sie von der Einfachheit nicht überzeugt sind, Projekte scheitern oft noch am Preis der Software-Lizenzen. Zudem werde, so Ueli Tritten, MTF, der Aufwand für professionelles Vorgehen in SBC-Projekten (Analyse, Grobkonzept, Pilotinstallation, Auswertung, Inbetriebnahme) zum Teil von KMU-Kunden nicht bezahlt.
Auch die gepriesenen ASP-Modelle sind fast verschwunden, obwohl der SBC-Gedanke der Pfeiler für neue IT-Modelle war. «Um die Kosten zu reduzieren, sind moderne SBC-Plattformen im Trend, weil diese flexibel, sicher und rasch aufzubauen sind», sagt Edgar Bruhin, BWO Trading.
Durch die zunehmende Komplexität habe sich die Zahl der kompetenten Partner wieder reduziert. Der Kunde sei vermehrt bereit in Qualität und Partnerschaft zu investieren, ergänzt Markus Oeschger, Steffen Informatik.
Bei Delec beispielsweise ist heute bei über 50% der neuen Produkte Metaframe ein Bestandteil der Lösung. «Die Konsolidierungen werden weitergehen», erklärt Hanspeter Stucki, Delec. «So wie mittels SAN die Speicherumgebungen konsolidiert werden, wird mit Metaframe die Administration von Daten, Programmen und Benutzern konsolidiert.
Der ROI wird durch die Einsparungen im Bereich Installation, Administration und Support sehr rasch erreicht. Eine SBC-Lösung braucht einfach erwiesenermassen weniger Manpower zum Betrieb als herkömmliche Lösungen».
Nutzen und Einsparungen von SBC-Installationen würden besonders in wirtschaftlichen Krisenzeiten spürbar werden, in denen sich aber nur wenige Firmen leisten können, in neue Technologien zu investieren. Jetzt, wo sich die Wirtschaft wieder etwas erholt, scheinen Firmen nun, wenn auch zögerlich, in SBC-Umgebungen zu investieren. (sk)


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