Also ABC zerschlägt gordischen Knoten

Anfangs letzten Herbst lancierte Also ABC die «Portorevolution». Dieses Jahr geht der grösste Schweizer Disti aufs Ganze: Die Hersteller sollen sich entscheiden, welche Art von Dienstleistung der Disti erbringen soll.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/15

     

Man mag Also ABC und ihren eher trockenen Chef Marc Schnyder für langweilig halten: In Emmen wird auf Prozesse fokussiert und der Marktführer hält sich vornehm (möglichst) aus Preiskämpfen heraus.
Akrybische Erbsenzählerei (wieviel kostet die Verschiebung des Gabelstaplers 14 von der Rampe zum Lager B?) scheint zu dominieren. Und trotzdem – oder genau deshalb – sind die Emmener im Begriff, zumindest die helvetische Distribution von Grund auf zu revolutionieren.

«Wir brauchen Quantensprünge!»

«Wir können die Transaktionskosten gar nicht so schnell herunterfahren, wie der Durchschnittspreis pro Einheit fällt», sagt Also-ABC-Chef Marc Schnyder (Bild) und fasst damit in einem Satz das Dilemma des Schweizer Channels zusammen. «Seit Anfang Jahr sind die Preise für Server und Notebooks um 20 bis 30% gefallen, jene für PCs um bis zu 25%. Die Preise in der Schweiz sind eurokompatibel geworden, ja gar tiefer als in Grossbritannien und Spanien», so Schnyder.
Für Distributoren sei der Preis- und damit auch der Margenzerfall besonders schmerzlich, da sie ihn nicht durch Mehrerträge im Service-Geschäft kompensieren könnten, analysiert Schnyder.
Was Schnyder nicht explizit sagen mag: Neben dem extremen Preiszerfall macht dem Channel die zunehmende Konkurrenz durch die Hersteller selbst und die der Distributoren und VARs untereinander zu schaffen. Jeder Player versucht, durch zunehmende Volumina den Preiszerfall zu kompensieren – wer noch Geschäfte macht, der verdient kein Geld mehr dabei.
Lachender Dritter ist der texanische Direktverkäufer Dell, der keine Lager bei den Distributoren und keine Marketing-Gelder für VARs zu bezahlen hat. Und genau darum geht es den Also-Leuten. Nochmals Schnyder: «Wenn der Channel gegen Dell eine Chance haben will, müssen schnell die Rollen der einzelnen Player klar definiert und damit mehrfach anfallende Kosten eliminiert werden.»

Hersteller müssen sich entscheiden

Man habe genau analysiert, wo welche Kosten entstehen und was ein Reseller von einem Distributor erwartet, um bei ihm einzukaufen. Dabei hätten sich zwei Disti-Modelle herausgeschält: Der Disti als Logistikdienstleister und der Disti als Partner der Hersteller für die Marktbearbeitung (siehe Kasten).
Bis Ende Oktober sollen sich nun die wichtigsten 20 Hersteller, die von Also ABC vertreten werden, entscheiden, welche Rolle der Emmener Disti für sie spielen soll. Je nachdem, wie der Entscheid ausfällt, wird sich der mithin grösste Schweizer IT-Grosshändler mit mehr oder weniger Marge oder Marketing-Entschädigung zufrieden geben. Interne Querverrechnungen, zum Beispiel, dass Kampfpreise über Marketing-Entschädigungen finanziert werden, soll es nicht mehr geben.

«Dellisierung» gegen Dell

Also ABC will mit diesem Befreiungsschlag Klarheit und Kostenwahrheit im Channel erzwingen. Hersteller und Reseller sollen dem Grosshändler jene Dienstleistungen bezahlen, die sie wirklich von ihm wollen. Angesichts der Marktanteilsgewinne von Dell und der zunehmenden Direktverkäufe der Hersteller mache es wenig Sinn, an drei verschiedenen Orten die gleichen (Marketing-)Leistungen zu erbringen.
Wenn ein Hersteller dem Disti eine reine Logistik-Rolle zuweist, so könne er nicht mehr fragen, warum der Disti keine Marketing-Leistungen erbringe, so die Überlegung. Will ein Hersteller hingegen Marketing-Leistungen durch den Disti, so müsse er auch dafür bezahlen. Im Highend-Bereich, so Schnyder, reiche die Marge dazu durchaus noch aus. Im Lowend-Geschäft (PCs, Peripherie) hingegen denkt er an eine separate Entschädigung.
Überhaupt hätte Also ABC nichts gegen die Abschaffung der Marge zugunsten von «transaktionsorientiertem Pricing» auch im reinen Boxmoving-Geschäft. «Doch die Hersteller sind noch nicht so weit», bedauert Schnyder.

Modell der Zukunft

Auch die Also-Leute sind sich bewusst, dass sich ihr neues Modell nicht von einem Tag auf den anderen durchsetzen lässt. Schnyder: «Die Hersteller werden Zeit brauchen, um solche neue Konzepte umzusetzen. Sie müssen beispielsweise überlegen, ob sie nun selbst einen Channel-Salesmann anstellen oder ob sie diesen Job dem Disti überlassen wollen.
Was passiert, wenn die Konkurrenten von Also nun zu den Herstellern gehen und ihnen anbieten, weiterhin Marketing zu den bisherigen Margen zu betreiben, wollten wir von Schnyder wissen. «Dann müssen wir über die Bücher», sagt Schnyder. Man scheint in Emmen bereit zu sein, einige Risiken einzugehen. Denn mit der Konkurrenz gesprochen habe er vor der Initiative nicht, versichert Schnyder.

Reorganisation und Einstieg ins HP-Storage-Geschäft

Das neue Vertragsmodell ist nicht die einzige Neuigkeit aus Emmen. So wurden die Führungsrollen in der Chefetage von Also ABC neu verteilt. Daniel Kuster ist neu der Leiter für Marketing und Sales für die ganze Firma und Marc Schnyder übernimmt wieder mehr Verantwortung in der Distribution.
Für das stark wachsende Geschäft mit Logistik-Services wurde Urs von Ins von der Post geholt. Er war unter anderem Mitglied der Geschäftsleitung der Paketpost und von Yellowworld. Ausserdem verstärkt Also ABC den eigenen VAD-Arm. Ab 1.10. sind die Emmener neben Magirus und Datastore der dritte Disti in der Schweiz für HP Enterprise Storage-Produkte. (hc)

The Disti-World according to Also ABC

Gemäss dem neuen Konzept des grössten Schweizer Distributors lassen sich zwei Aufgaben eines Grosshändlers unterscheiden – und auch getrennt verrechnen: Logistik-Dienste und Marktbearbeitung.
Logistik-Partner: Einkauf, Bedarfsermittlung (Forecast), Disposition, Lagerhaltung, Fakturierung, Transport, Kredit-Management, Abwicklung von Special Bids.
Business-Development-Partner: Account-Management (dedizierte Verkäufer für Reseller), Vertrieb, Unterhalt von Telesales, Channel-Marketing, POS-Betreuung für Retailer, Reseller-Schulungen.
Den Resellern soll übrigens im Web-Bestellsystem (VIS) klar aufgezeigt werden, welche Rolle Also für welchen Hersteller spielt.



KOMMENTAR


Staunen und Schleudern

Also ABC stellt den nur scheinbar übermächtigen Herstellern ein Ultimatum: «Entweder Du bezahlst mir meine Marketing-Dienstleistungen oder ich schiebe einfach nur noch die Kisten für Dich.» Die Angesprochenen reagierten gemäss Schnyder mit Erstaunen – aber nicht grundsätzlich negativ.
Ins Schleudern geraten könnten hingegen jene Also-Konkurrenten, die Marketing-Gelder zum Aufbessern der Marge benützen. Gut möglich, dass die Initiative aus Emmen die überfällige Konsoldierung in der Schweizer Distribution beschleunigt.
Grundsätzlich aber sollten sich alle Player im Channel über den Vorstoss von Also ABC freuen. Denn, nur wenn die Rollen klar verteilt sind und damit auch die Kosten ihren Quellen zugeordnet werden können, haben indirekte Modelle eine Chance gegen Dell.
Christoph Hugenschmidt


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