Eine Virtuelle Fabrik (VF) ist eine zeitlich begrenzte Kooperation mehrerer, rechtlich unabhängiger, realer Fabriken oder Unternehmensbereiche mit dem Ziel, ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung zu erstellen.
Sie ist ein dynamischer Produktionsverbund, der sich auftragsbezogen aus einem stabilen Netzwerk konfiguriert und gegenüber dem Kunden wie eine reale Fabrik auftritt. Jedes Unternehmen bringt dabei diejenigen Aktivitäten ein, die es besser als andere beherrscht. Nach Beendigung des Auftrages löst sich der Verbund wieder auf, so die Definition des Instituts für Technologiemanagement der Universität St. Gallen.
Die Virtuelle Fabrik Nordwestschweiz /Mittelland (www.virtuellefabrik.ch) wird vom Zentrum für Prozessgestaltung der Fachhochschule Aargau betrieben. Die VF umfasst zurzeit 40 KMU-Partner, die 255 Einzelleistungen erbringen. Daneben gibt es im deutschsprachigen Raum drei weitere Virtuelle Fabriken, nämlich die VF Euregio Bodensee sowie in Deutschland die beiden VF Baden-Württemberg und Rhein-Ruhr. Alle vier arbeiten bei Bedarf auch plattformübergreifend zusammen.
Webcorp
Die VF Nordwestschweiz /Mittelland basiert auf der gemeinsam mit Amrein Engineering entwickelten Software Webcorp, die auf der Active Server Page-Technologie von
Microsoft aufbaut. Sie lässt sich vollständig über Browser bedienen, so dass die Teilnehmer keine zusätzliche Software installieren müssen.
Die aufgrund vordefinierter Vorlagen gestalteten Webseiten werden beim Abruf dynamisch und kontextbezogen zusammengestellt. Auf diese Weise entsteht eine Arbeitsplattform, auf der sich geografisch verteilte Partner zu Teams zusammenschliessen können. Kunden und Lieferanten werden für die Realisation von Einzelteilen, Baugruppen und ganzer Systeme entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Design bis zur Inbetriebnahme eingebunden.
Öffentliche und geschützte Räume
Webcorp setzt sich aus einem öffentlichen und einem geschützten Raum zusammen. Den öffentlichen Teil bildet eine interaktive Homepage, die mit einem Content-Management-System gepflegt und aktualisiert wird.
Der geschützte Raum dagegen kann nur über ein Passwort betreten werden. Mydesk stellt für jeden Teilnehmer automatisch individuelle Übersichten und Neuigkeiten aus ihn betreffenden Projekten, Terminen und Pendenzen zusammen. Im Organisationsmodul werden den Mitgliedern auf ihre Aufgabe bezogene Berechtigungen vergeben und die entsprechenden Werkzeuge zugeteilt.
Veranstaltungen, Sitzungen und Termine werden in einer Agenda erfasst. Dringende Termine
werden auf Mydesk und per E-Mail mitgeteilt.
Der Projektplan erfasst alle projektbezogenen Pendenzen und Aufgaben. Ein Controlling-Tool erlaubt, den aktuellen Stand der eingesetzten Ressourcen mit dem Budget zu vergleichen. Projektdokumentationen werden unabhängig vom Format in der Dokumentenverwaltung abgelegt.
Eine Versionsverwaltung erlaubt das verteilte Arbeiten an diesen Dokumenten. Ein Publikationsmodul macht die Prozesse allen Partnern interaktiv zugänglich. So können die verteilten Abläufe sehr effizient gestaltet werden, da jeder Partner die für seine Arbeit benötigten Informationen und Dokumente immer und überall zur Verfügung hat. Für Diskussionen stehen Projektteams und Communities überdies konfigurierbare Foren zur Verfügung.
Kurzmitteilungen lassen sich in Form von Texten, Grafiken und Laufschriften publizieren. Selbstverständlich werden auch interne und externe E-Mails unterstützt.
Kompetenzdatenbank
Ein wesentlicher Teil der VF ist die Kompetenz-Datenbank. Diese unterstützt die Partner beim Suchen und Finden von Kompetenzen, Technologien und Produktionsmaschinen. Ein Teil dieser Informationen ist auch öffentlich zugänglich und kann über die Homepage der Virtuellen Fabrik abgefragt werden.
Das Auftragsgewinnungsmodul schliesslich dient der Ausschreibung und Bearbeitung von Aufträgen im Netzwerk. Es zeigt Kundenaktivitäten, die Beteiligung der Partner und realisierte Erfolge.
Alles in allem scheint die VF ein interessantes Modell, wie KMU ihre Kernkompetenzen für grössere Aufträge bündeln können. Die gemeinsame Plattform, in die auch die Kunden eingebunden sind, verspricht schnelle und teilweise wohl auch kostengünstigere Lösungen, da ein Teil der Bürokosten und Reisepesen dahinfallen. (fis)