Es rauscht im Schweizer Blätterwald

Die IT-Berichterstattung in der Publikumspresse hat mittlerweile einen schweren Stand. Entweder werden die Gefässe umfangmässig geschrumpft oder gleich komplett gestrichen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/01

     

Die Ära, in der jede Zeitung von Format eine wöchentliche Informatikbeilage führte, neigt sich dem Ende entgegen. Entweder wird der Sonderbund gestrichen und auf die übrigen Ressorts verteilt, der Umfang reduziert oder zumindest der Erscheinungsrhythmus gedrosselt.
«Alle Schweizer Zeitungen haben zur Zeit strukturelle Probleme, und sie sparen zuerst dort, wo es am wenigsten weh tut», kommentiert der Insider Matthias Zehnder das Rauschen im Schweizer Blätterwald. Er ist einer der Leidtragenden, dem aufgrund der momentanen Entwicklung eine besonders steife Brise ins Gesicht bläst, da Zehnder für verschiedene Publikumszeitungen die Informatikthemen aufbereitet.
Die Verlage selbst sprechen nicht gern über ihre Strategie der IT-Berichterstattung – Leistungsabbau lässt sich der Leser- und Inserentenschaft nur schlecht als gute Nachricht verkaufen.

Einzelne halten am Status Quo fest

Markus Stadler, profunder Branchenkenner und Geschäftleiter der PR-Agentur Prime Communications, macht bei den Verlagen noch weitere Beweggründe aus: «Seit Inserate aus der IT-Branche spärlicher geschaltet werden, und weil eine schnelle Erholung nicht zu erwarten ist, entfällt bei Tageszeitungen auch der kommerzielle Druck, ein günstiges publizistisches Umfeld für IT-Inserate aufrechtzuerhalten.» Und Matthias Zehnder: «Anders als etwa die Autoindustrie hat sich die IT-Industrie nie konsequent um die Medien gekümmert.»
Während des New-Economy-Hypes wurden in der NZZ wöchentlich zwei Informatik-Seiten gebolzt. Mittlerweile ist man mit anderthalb Seiten umfangmässig wieder beim Stand von 1998 angelangt, als der Bund «Medien und Informatik» zum ersten Mal erschien.
Damit darf die Zürcher Renommierzeitung immerhin für sich in Anspruch nehmen, faktisch nicht abgebaut zu haben – vielmehr noch weil erst kürzlich die Stellenprozente von 100 auf 160 aufgestockt wurden.
Krisenresistent gibt sich ferner die «Sonntags Zeitung», und Chefredaktor Andreas Durisch weist den Verdacht, der Online-Bund werde demnächst das Zeitliche segnen, weit von sich. «Der Online-Bund erfährt auch keine grundlegende Veränderung», beschwichtigt Durisch vorauseilend.

Operation Wiedereingliederung

Dafür tut sich etwas bei einem anderen Produkt aus dem Haus Tamedia: Der Computerbund im «Tages Anzeiger» ist im Umbruch. Bis anhin zeichnete die Firma Mediaware für die Berichterstattung verantwortlich. Diesen Vertrag hat der Verlag nun gekündigt. Der Computerbund soll neu inhouse produziert werden und die Informatikberichterstattung damit einen noch grösseren Stellenwert erhalten. «Wir werden in den nächsten Wochen am Konzept arbeiten», sagt Daniela Decurtins, stellvertretende «Tages Anzeiger»-Chefredaktorin.
Es gibt aber auch von tragischeren Schicksalen zu berichten: Beim «Bund» und der «Berner Zeitung» ist keine regelmässige separate IT-Berichterstattung mehr zu entdecken. Und in der Szene wird herumgereicht, dass bei der «Neuen Luzerner Zeitung» sowie bei den «Schaffhauser Nachrichten» zum Sparstift gegriffen worden ist. Welche Konsequenzen sich aus diesen Entwicklungen für die IT-Fachpresse ergeben, ist umstritten.
Markus Stadler geht davon aus, dass die Fachzeitungen profitieren werden, wenn sie es schaffen, ein hohes Qualitäts- und Informationsniveau sowohl in der Themenwahl als auch der Themenaufbereitung zu bieten. Für Matthias Zehnder funktionieren Fachzeitschriften anders («Community-mässig»), und er sieht hier eine weitere Konsolidierung anbrechen: «Für die IT-Industrie ist das aber weniger fatal als der Verlust an Präsenz in den Publikumsmedien.» (map)


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