DATENKLAU: Mit gezinkten Karten gespielt

Leser und Distis reagierten prompt auf das im vorletzten IT Reseller vorgestellte Disti-Vergleichstool «Concerto» der Zuger Firma Proseller. Wie sich jetzt herausstellte, ging bei der Datenbeschaffung nicht alles mit rechten Dingen zu.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/20

     

Ein interessantes Tool der Zuger Firma Proseller hat bei IT Reseller-Lesern und Distributoren für Aufsehen gesorgt. Nachdem IT Reseller in der vorletzten Ausgabe (Nr. 18/02 vom 21.10.2002) einen Artikel über das webbasierte Vergleichstool «Concerto» veröffentlichte, lief bei Proseller das Telefon heiss. Reseller erkundigten sich nach Konditionen, der erste bereits am Erscheinungstag morgens um acht Uhr.
Aber der Artikel, der auch den Schweizer Broadliner-Distributoren nicht verborgen blieb, gefiel diesen deutlich weniger als den Resellern. Der Grund: Ausser Actebis wusste von den vier im Tool integrierten Distis niemand aus der Geschäftsleitung davon, dass Proseller ihre Daten von ihrer Website «heruntersaugt».

Als Einkaufsgenossenschaft getarnt

Peter Arnet, Marketingleiter bei Ingram, ist nicht dagegen, dass Proseller die Daten vergleicht. Dass zum damaligen Zeitpunkt nur von Ingram der Lagerbestand der Produkte nicht zur Verfügung stand, lag aber einzig daran, dass Ingram schlicht nicht angefragt wurde. Mittlerweile haben Ingram und Proseller Kontakt, und die Verfügbarkeit kann abgerufen werden.
Doch was bringt das Tool überhaupt, wenn nicht mindestens alle wichtigen Distis ihre Daten zur Verfügung stellen? Auch Lukas Hofer, Marketing Manager von Actebis, hatte zunächst nichts dagegen einzuwenden, Preise und Verfügbarkeit weiterzugeben: «Wir hatten Kontakt mit der Firma und die Daten freigegeben, weil damals von einer reinen Einkaufsgenossenschaft seitens Proseller die Rede war.
Ein Vergleich der Basisdaten macht jedoch wenig Sinn, weil Kunden je nach Potenzial individuelle Konditionen haben, welche sie auf unserer Site vorfinden. Dies und die Tatsache, dass unterschiedliche Dienstleistungen bei E-Commerce, Logistik und Finanzierung nicht berücksichtigt werden, führt zu einem falschen Bild.»
Wie dem auch sei, es scheint, dass Proseller unter Vorspiegelung falscher Tatsachen die Freigabe für die Datenweitergabe erhielt. Da sich nun herausgestellt hat, dass die Firma keine Einkaufsgenossenschaft ist, sondern die Daten für ein kommerzielles Produkt bezieht, wird Actebis keine Daten mehr zur Verfügung stellen und von Proseller verlangen, die Vermarktung der Daten zu unterlassen.

Tech Data und Also ABC wussten nichts

«Wir wussten nichts davon und waren überrascht über den Artikel», sagt Andreas Dürst, Managing Director von Tech Data, zu IT Reseller.«Wir haben dann herausgefunden, dass Proseller mit dem Benutzernamen und Passwort eines anderen Händlers auf unsere Daten zugreift.»
Dürst betont, dass er nichts gegen solche Vergleiche hat, er wolle aber die Gewähr haben, dass die Informationen, die Proseller weitergibt, auch die richtigen sind: «Wir können uns zeigen mit unserem Pricing. Ausserdem liegt das Differenzierungsmerkmal eines Distis nicht im Preis, sondern im Service, der hinter den Produkten steht — der Verfügbarkeit und der Qualität der Prozesse. Wenn wir die rechtliche Seite der Datenweitergabe als seriös abhaken können, können wir uns auch eine nähere Zusammenarbeit mit Proseller vorstellen.»
Auch Daniel Kuster, Leiter Geschäftsbereich Distribution der Also ABC, hatte keine Ahnung, was Proseller mit den Daten von Also macht. Proseller ist kein registrierter Fachhändler des Emmener Distis, und daher ist Proseller auch nie die Verwendung der Daten freigegeben worden. In einem Brief an Proseller weist Also die Firma darauf hin, dass jegliche Weitergabe, Weiterübertragung oder sonstiger Gebrauch der Informationen auf der Homepage ohne schriftliche Genehmigung untersagt und widerrechtlich sind. Deshalb verlangt Also von Proseller die Einstellung der kommerziellen Nutzung der Daten.

Was nun?

Wie sich herausstellt, wird Proseller nur noch die Daten von zwei der vier wichtigsten Schweizer Distributoren zur Weiterverwendung erhalten. Damit dürfte es schwierig werden, das Tool noch auf einfache und rechtlich einwandfreie Weise weiter zu vertreiben. Zumal ein Vergleich von nur zwei Distributoren nicht mehr wirklich sinnvoll ist.
Proseller hätte natürlich die Möglichkeit, mit den Passwörtern seiner Kunden die Daten für jede einzelne Lizenz in das Tool einzuspeisen. Ob man dies bei einem webbasierten Tool noch auf effiziente und schliesslich für Proseller gewinnbringende Art erreichen kann, vermögen wir hier nicht zu beantworten.(mh)

Stellungnahme Proseller AG

Dieter Speidel, Geschäftsführer Proseller, spricht in einem Brief an die Redaktion von einem «internen Missverständnis» und liess uns folgende Stellungnahme zukommen:
Bei den in Concerto Plus geladenen Daten mit individuellen Konditionen handelt es sich um die individuellen Preislisten derjenigen Reseller, die Nutzungsrechte an unserer Software erworben und uns beauftragt haben, ihre Preislisten in Concerto zu integrieren. Hier können wir Also nur die «eigenen» Daten der betreffenden Concerto-User verwenden.
Bei den im Concerto-Infosystem geladenen Daten ohne individuelle Konditionen handelt es sich um Standardpreislisten, die wir teilweise im Rahmen eigener Disti-Verträge bzw. von angeschlossenen Unternehmen beziehen. Hier haben wir es bislang tatsächlich versäumt, eine spezifische Genehmigung bei den Distributoren einzuholen und werden dies unverzüglich nachholen.
Wir rechnen hierbei jedoch sehr stark mit der Unterstützung der Distis, da uns Techdata, Also und Actebis bereits im Oktober 2001 im Rahmen einer ersten Präsentation unseres gesamten Projektvorhabens (das auch weitere Ausbaustufen für E-Procurement und die Realisierung einer kleinen Einkaufsgemeinschaft beinhaltet) ihre Kooperation insbesondere auch bei der Datenbereitstellung zugesichert haben.


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