Orbit: Gehen weniger hin, weil weniger hingehen?

Viele grosse Aussteller bleiben heuer der Orbit fern. Sind die Gründe beim Messekonzept zu suchen sind, oder bei der lahmenden Konjunktur?

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/15

     

Die diesjährigen, stark zurückgegangenen Ausstellerzahlen der Orbit/Comdex sind bekannt: 950 Unternehmen werden eine Fläche von rund 32’000 Quadratmetern belegen. Im letzten Jahr waren es noch rund 1300 Aussteller auf 51’000 Quadratmetern.
Die Veranstalterin, die Messe Schweiz, setzte im ersten Halbjahr 108 Mio. Franken um und erzielte einen Gewinn von 7 Mio. Franken. Für das zweite Halbjahr werden aber sinkende Ertrags- und Gewinnzahlen erwartet. Dies unter anderem, weil «Veränderungen in der IT-Branche auch bei der Orbit/Comdex Spuren hinterlassen werden», so die offizielle Mitteilung.
Fujitsu Siemens Computers (FSC) machte seine kurzfristige Absage der Orbit-Teilnahme mit einem lauten Trompetenstoss bekannt, sprich mit einer scharf formulierten Mitteilung an die Presse. Auch andere grosse IT-Unternehmen tun das gleiche, wenn auch leiser: Sie gehen dieses Jahr nicht an die Orbit. IT Reseller machte sich auf die Suche nach den Gründen.

FSC: «Aufwand lohnt sich nicht»

FSC Schweiz entschloss sich denkbar kurzfristig für die Absage der Messeteilnahme: Trotz bereits gebuchter Fläche, die nun ungenutzt bleibt und trotzdem bezahlt werden muss, teilte man erst am 27. August mit, dass man den Messestand gar nicht erst aufstellen wolle. Als Gründe wurden die neue Ausrichtung der Messe genannt, sowie diverse Absagen von anderen Ausstellern, massiv zurückgehende Besucherzahlen bei IT-Messen im allgemeinen und eine wenig flexible Messeleitung. Dadurch sei die Attraktivität der Orbit für FSC massiv geschrumpft.
Weiter wurde mitgeteilt: «Eine Umfrage in den vergangenen Wochen unter Kunden, Partnern, Händlern und Kommunikationsexperten hat ergeben, dass viele Partner die Orbit dieses Jahr nicht oder nur punktuell besuchen werden. Zudem wird der Orbit-Eintrittspreis von über 50 Franken pro Besucher gemäss unserer Umfrage als massiv überteuert eingestuft.» Roger Semprini (Bild rechts), Managing Director von FSC erklärt: «Im gegenwärtig sehr kritischen Wirtschaftsumfeld – vor allem im IT-Umfeld – macht die Messeleitung mit dieser Hochpreis-Strategie eine unglückliche Figur.»

Absatzprobleme bei Fujitsu Siemens

FSC fährt schwere Geschütze auf. Dennoch bleibt fraglich, ob nicht auch Fujitsu Siemens eigene Probleme ein Grund sind, die Geldbörse weiter geschlossen zu halten, als normalerweise. Laut den Marktforschern von IDC konnten im ersten Halbjahr 2002 im Schweizer PC-Markt 11,8 Prozent weniger Geräte abgesetzt werden als im gleichen Zeitraum im vergangenen Jahr. Zu den grossen Verlierern gehörte hier auch FSC, deren abgesetzte Stückzahlen um bedenkliche 23,8 Prozent schmolzen.
Dennoch nimmt man bei FSC den Mund voll: Die Orbit/Comdex sei zwar einst die Informationsplattform für die Schweizer IT-Szene gewesen. Ohne Keyplayer und Besucher sei eine Orbit aber kein ‘must’ mehr, so FSC-Chef Semprini. Man lade lieber vermehrt Kunden und Partner zur Hausmesse ein.
Der geringe Nutzen der Orbit rechtfertige derzeit die sehr hohen Kosten der Messe nicht. Semprini: «Der Verzicht auf die Orbit ist kein Sparprogramm, da bereits grosse Kosten angefallen sind. Es ist aber geplant, einen grossen Teil der eingesparten Orbit-Gelder in Werbung, in Partnermodelle und in die Kommunikation zu investieren.»
Starker Tobak, den die Messe Basel nicht unkommentiert stehen lassen wollte. Sie teilte mit: «Einzelne Aussagen in der von FSC verbreiteten Mitteilung sind für uns neu und nicht verständlich. Wir sind zudem über die Tonalität der Medienmitteilung verwundert.» Die Orbitleitung erklärte aber, man pflege mit den Ausstellern einen partnerschaftlichen Umgang und wolle mit FSC den konstruktiven Dialog suchen.

Lieber selbst zum Kunden

Auch Canon wird man dieses Jahr vergeblich an der Orbit suchen. Pressesprecher Alexander Nossack erklärte gegenüber IT Reseller: «Wir erwarten einen massiven Rückgang der Besucherzahlen durch den weiterhin hohen Eintrittspreis. Auch fehlt der Samstag als Ausstellungstag, daher wird es weniger Besucher aus dem für uns wichtigen Bereich KMU geben.» Man wolle statt dessen eine Roadshow auf die Beine stellen: «Damit verfolgen wir die Strategie ‘hin zum Kunden’, entgegen zur Orbit, wo der Kunde zu uns kommen musste.»
IBM wird auf der Orbit nur mit der «Partner World» vertreten sein. «Wir gönnen uns ein Jahr Denkpause», so Sprecherin Susanne Orozco-Rüegg. Man werde aber eventuell nächstes Jahr das ganze Konzept überdenken.
Für Motorola war klar die Ausrichtung auf B2B der Grund, dieses Jahr nicht an der Orbit auszustellen. «Wir haben ganz klar den Fokus Enduser», so Mercedes Yebra , die die letztjährige Orbit-Teilnahme organisiert hatte.
Remo Vettiger, Sales und Marketing Manager bei Lexmark erklärt, man habe sich schon Anfang Jahr gegen eine Messeteilnahme entschieden. Vettiger: «Die Messe wird immer mehr ein Stelldichein der Branche. Für viele Kunden ist die Messe eher ein ‘Get-together’, als eine Beschaffungsquelle für Informationen. Wir können unser Geld auf Kundenevents wesentlich gezielter einsetzen.»
Dagegen hat Siemens laut Pressesprecher Thomas Moser dieses Jahr neben der ohnehin angespannten Situation in der Branche einen speziellen Grund, nicht zur Orbit zu gehen: «Wir engagieren uns finanziell sehr stark an der Expo, dort liegt dieses Jahr unser Hauptfokus.»

Messe sucht Gespräch mit Ausstellern

Walter Gammeter (Bild links), Messeleiter der Orbit/Comdex kann nicht übersehen, dass «momentan viel negatives geschrieben wird. Aber die Orbit ist nun einmal eine Veranstaltung für eine Branche, deren wirtschaftliche Lage schlecht ist.» Für die aktuellen Umstände sei das Ergebnis sogar ein gutes Resultat.
Bei den Absagen der Firmen hört er immer wieder die gleichen Gründe: «Das reicht von ‘Wir machen gar keine Messen mehr’ über ‘Wir haben dafür keine Leute mehr’ oder ‘Uns wurde das Budget gestrichen bzw. halbiert’ bis hin zu ‘Wir können das im Moment nicht zahlen’. Selbst ‘Wir haben die Bilanz deponiert’ wurde als Grund genannt.»
In vielen Gesprächen mit Ausstellern habe sich bestätigt, dass die Ausrichtung als reine B2B-Messe richtig gewesen sei: «Die Aussteller wollen eine professionelle Messe, keine Pin-Sammler und Rucksacktouristen», so Gammeter weiter zu IT Reseller. Die Messe werde sich den Bedingungen des Marktes anpassen, auch die Zeit während der Messe wolle man intensiv nutzen, um den Ausstellern den Puls zu fühlen. Abschliessend meint Gammeter: «Es nützt überhaupt nichts zu sagen ‘Wir kommen nicht und schauen, wie es nächstes Jahr läuft’ – dann passiert nichts und kann sich nichts ändern. Die Aussteller müssen das Gespräch mit uns suchen und umgekehrt.» (ava)


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