Axians, die ICT-Marke von Vinci Energies mit 100’000 Mitarbeitenden, war in der Schweiz lange Zeit primär als Anbieter von Telekom-Infrastruktur präsent; bekannt vor allem als Lieferant von Glasfasernetzen, Mobilfunkanlagen und 5G-Antennen. Im Vergleich zu anderen Ländern war der klassische IT-Teil hierzulande bis ins letzte Jahr eher untervertreten. Mit der Übernahme der Fernao-Gruppe 2024 hat sich dies geändert: Rund 200 IT-Spezialisten von
Fernao Somnitec, BNC und 1stQuad Solutions verstärken seither die lokale Axians-IT-Organisation bestehend aus
Axians IT Services und Axians Amanox. Insgesamt beschäftigt Axians in der Schweiz heute über 1100 Mitarbeitende und verfolgt klare Ziele, über die die Verantwortlichen – Vanja Rohr, Divisionsleiter Fernao Schweiz, sowie Güven Zorba, Business Area Manager IT & Managed Services und in dieser Rolle verantwortlich für die IT-Gesellschaften von Axians in der Schweiz – nun mit «IT Reseller» zum ersten Mal gesprochen haben.
Sechs Kompetenzfelder
Gleich zu Beginn des Gesprächs macht Güven Zorba deutlich, welche Bedeutung
Axians respektive das Thema IT für Vinci Energies – und damit den gesamten Vinci-Konzern, der auch im Bau-, Konzessions- und Infrastrukturbereich tätig ist und global rund 280’000 Mitarbeitende zählt – hat. «IT ist das verbindende Element von all den Themen und Bereichen, die Vinci als Konzern adressiert», sagt Zorba, und führt aus: «Industrieautomatisierung funktioniert ohne IT genauso wenig wie komplexe Gebäudetechnologien. Aus diesem Grund ist Axians als ICT-Marke kernstrategisch für Vinci respektive Vinci Energies und wächst in allen lokalen Märkten.» In der Schweiz sei die Bedeutung der Marke im Bereich Kern-IT noch überschaubar, fügt Zorba an. Doch die Übernahme der Fernao-Gesellschaften helfe nun massiv, die Wahrnehmung als IT-Anbieter zu steigern – und zwar als IT-Anbieter, der mit einem Netzwerk aus spezialisierten Unternehmen sämtliche IT-Bedürfnisse aus einer Hand abdecken könne.
Um diese Bedürfnisse ganzheitlich abzudecken, hat Axians global sechs Kompetenzfelder definiert: Nebst Telekom-Infrastruktur sind dies Cloud- und Datacenter-Lösungen, Netzwerktechnologien, Digital Workspace, Cybersecurity sowie Business Applications und Analytics. In diesen Feldern sei man präsent, und diese wolle man künftig auch in der Schweiz vollumfänglich bedienen, so Güven Zorba. Wichtig ist ihm dabei die Dezentralität, mit der Vinci Energies respektive Axians agiert. «Vinci Energies ist sehr dezentral aufgestellt. Es sind die lokalen Gesellschaften als Teil der Marken, die vor Ort eigenständig agieren. Sie profitieren vom Netzwerk, sind jedoch lokal verankert.»
Kongruenz der Modelle
In dieser Hinsicht ähneln sich die Philosophien der übernommenen Fernao-Gruppe und
Axians denn auch stark. Die Fernao-Gruppe hatte sich mit ihrem «House of Experts»-Ansatz ebenfalls als Netzwerk spezialisierter Gesellschaften organisiert, vereint unter einem Leitbrand, aber dezentral geführt. Vinci Energies verfolgt mit Axians ein vergleichbares Modell: Firmen bleiben als Business Units bestehen, die Verantwortung liegt beim lokalen Management. Diese agieren wie «Unternehmen im Unternehmen», profitieren jedoch von der internationalen Grösse, Expertise und Manpower des Netzwerks.
Das bestätigt auch Vanja Rohr, der bereits in der Vergangenheit reichlich Erfahrung mit der Integration von übernommenen IT-Unternehmen gesammelt hat. Integration sei im Fall von Axians kein Verschmelzen von Firmen, wie man das von anderen Fusionen kenne, sondern ein Andocken an den Konzern. Dabei macht Rohr klar: «Unser Ziel ist es, dereinst auch in der Schweiz unter der Marke Axians als starke IT-Firma wahrgenommen zu werden, die über alle sechs Kompetenzfelder den Markt 360 Grad mit IT-Services bedienen kann. Und ich bin überzeugt, dass die Ausgangslage stimmt, damit wir mit den grossen IT-Dienstleistern, die es in der Schweiz gibt, auf Augenhöhe in den Wettbewerb treten können.» Und er ergänzt: «Wir decken das gesamte Portfolio mit Schweizer Spezialisten ab – und können gleichzeitig auf das internationale Axians-Netzwerk zurückgreifen. Diese Kombination unterscheidet uns von den Mitbewerbern.»
Mit KMU auf Augenhöhe
Dank diesem Setup sei man auch in der Lage, sowohl grosse Projekte im Enterprise-Umfeld für international agierende Kunden aus einer Hand zu stemmen als auch die Bedürfnisse von KMU abzudecken, ist Rohr überzeugt. «Denn die Wurzeln etwa einer Fernao-Somnitec liegen bei den KMU. Und dadurch, dass wir weiterhin eigenständig als Business Unit agieren können, bleibt die persönliche Nähe bestehen, die unglaublich wichtig ist.» Wichtig ist Rohr auch zu erwähnen, dass sich KMU-Kunden auch unter der Marke
Axians weiterhin zuhause fühlen sollen und einen IT-Partner auf Augenhöhe haben. «Der Name ihres Partners wird sich vielleicht ändern, doch im Kern sind wir nach wie vor derselbe IT-Dienstleister mit demselben Kernportfolio und denselben Spezialisten – aber mit einem gewaltigen Werkzeugkasten im Rücken, der weit über reine IT-Themen hinausreicht und auch Know-how in der Industrie und anderen Branchen umfasst.»
In diesem Zusammenhang kommt Güven Zorba nochmals auf das Thema Dezentralität zu sprechen. «Die Nähe zum Kunden kann man nur halten, wenn man dezentral aufgestellt ist.» Wenn die Zentrale vorschreiben würde, wie ein Land mit Kunden umzugehen hat, könne man kaum erfolgreich sein. «Wir teilen innerhalb des Konzerns dieselben Werte, und das ist uns auch wichtig. Doch die einzelnen Gesellschaften sollen sich autonom so um ihre Kunden kümmern können, wie diese betreut werden wollen.»
Können, aber müssen nicht
Die Integration von Fernao und die Tatsache, dass das Unternehmen nun alles aus einer Hand anbieten kann, hat nicht zuletzt auch für bestehende Partner Auswirkungen – andere IT-Dienstleister, die man bislang für Projekte beigezogen hat. Werden diese teils langjährigen Beziehungen nun gekappt? Zorba verneint. «Unsere Spezialisten sind nicht gezwungen, Kundenprojekte ausschliesslich mit Business Units von
Axians zu erbringen. Wenn wir sehen, dass die bestehende Partnerschaft mit einem externen Partner für den Kunden mehr Sinn macht, oder wenn der Kunde an diesem Partner festhalten will, dann gibt es keinen Grund, hier dagegenzuhalten.» Gleichzeitig verweist Zorba auf die Vorteile interner Kompetenz: Aus Sicht Axians bleibe die Wertschöpfung im Haus, und aus Sicht des Kunden erhalte er alles aus einer Hand. «Doch es gilt die Maxime: Wir können, doch wir müssen nicht – die Hoheit liegt bei den Kundenbetreuern. Sie sollen die beste Entscheidung im Sinne des Kunden treffen. Denn nur ein zufriedener Kunde wird auch das nächste Mal auf uns setzen.»
Marke mit Leben füllen
Vorerst sind die Unternehmen der Fernao-Gruppe noch mit Integrationsaufgaben beschäftigt, zudem wird es über kurz oder lang auch zu einem Rebranding kommen. Mit dem Integrationsprozess schaffe man die Basis, auf der man dann skalieren könne. «Hier braucht es viel Kommunikation – mit Kunden, aber auch mit Mitarbeitenden und Partnern. Und diese Zeit nehmen wir uns.» Gleichzeitig sei man daran, den Marktauftritt und das Serviceportfolio zu definieren. «Die Art und Weise, wie wir in der Schweiz wahrgenommen werden, müssen wir in der Schweiz definieren», so Zorba. «Wir müssen die Marke
Axians im IT-Markt in der Schweiz bekannter und erlebbarer machen.» Erste Schritte in diese Richtung wurden bereits gemacht: So wurde in der Schweiz ein Bereich für AI Business Consulting aufgebaut – ein Feld, das vorher nicht abgedeckt werden konnte. «Wir schauen, wo die Anforderungen der Kunden liegen, und richten uns danach aus», so Zorba.
Vanja Rohr ergänzt: «Wir sind angetreten, um die Awareness für den IT-Teil von Axians in der Schweiz zu schaffen, die es braucht, um als einer der relevanten Player wahrgenommen zu werden. Das ist harte Arbeit, aber wir sind überzeugt, dass uns das gelingt.» Dabei helfe auch die Reputation, die die Unternehmen aus der Fernao-Gruppe am IT-Markt geniessen. «Und diese Reputation hängt vor allem mit persönlichen Kontakten und Ansprechpartnern zusammen. Reputation ist eine Sache der Authentizität, des Vertrauens und der Beständigkeit. Darum ist es uns ein grosses Anliegen, unsere Mitarbeitenden mit auf die Reise zu nehmen, denn sie sind letztlich diejenigen, die mit unseren Kunden interagieren.»
Bezüglich Rebranding erklärt Zorba, dass Axians als Leitbrand fungieren wird – «alles andere macht auch keinen Sinn.» Vorgaben seitens Konzern gebe es keine, genauso wenig wie einen Fahrplan, bis wann das Rebranding abgeschlossen sein soll. «Sicher ist nur: Wir werden künftig unter der Marke Axians auftreten, aber als dezentrale Einheiten. Und die Marke Fernao wird als logische Konsequenz daraus verschwinden.»
Blick in die Zukunft
Strategisch verfolge
Axians in der Schweiz wie in den übrigen Märkten das Ziel, Kunden entlang der gesamten Wertschöpfungskette end-to-end zu begleiten. Die sechs Kompetenzfelder sollen im Sinne weiteren Wachstums weiterentwickelt und gezielt verstärkt werden, wobei Zorba als Wachstumsfelder Bereiche wie AI, Data & Analytics sowie Security nennt.
Klar ist zudem, dass Vinci Energies auch in der Schweiz weiteres anorganisches Wachstum ins Auge fassen wird. «Eine Stossrichtung ist hier sicherlich AI. Auch im Bereich Data und Analytics wären zusätzliche Kapazitäten wünschenswert.» Doch bevor Überlegungen in diese Richtung konkretisiert werden, gelte es zuerst, die Voraussetzungen zu schaffen, damit eine künftige Integration möglichst reibungslos gelingt, sagt Zorba. Und: «Eine Übernahme muss immer einen strategischen Mehrwert bringen. Wir suchen Firmen und Menschen, die zu uns passen und unser Netzwerk bereichern.»
Vorerst liegt der Fokus jedoch auf der erfolgreichen Integration. «Wir müssen zuerst eine Basis schaffen, auf der wir skalieren können», betont Rohr. Dazu gehören nicht nur die Angleichung von Strukturen und Systemen, sondern auch die Stärkung der Marke Axians im Schweizer Markt. Nochmals Vanja Rohr: «Wir sind jetzt daran, den Footprint der Marke Axians in der Schweiz so aufzustellen, dass wir dem Markt beweisen können, ein Anbieter von 360-Grad-IT-Lösungen zu sein – mit der nötigen Kundennähe, die durch die Dezentralität des Vinci-Konzerns erst möglich wird.»
(mw)