Wieder Aufregung um Concerto

Concerto Pro sorgt wieder einmal für Furore im Channel. Endkunden sollen Zugänge zu dem Tool erhalten haben, wo Händlerpreise eingesehen werden können. Also bemängelt den unsorgfältigen Umgang mit sensiblen Daten.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/04

     

Concerto Pro hilft über 500 kleinen und grösseren Resellern, Preise und Lagerbestände von Hardware-Produkten bei rund 30 Distributoren abzuklären. Der Zugang ist im Handelsregister eingetragenen Resellern vorbehalten, weil auf der Plattform Händlereinkaufspreise und andere sensible Informationen der Distis eingesehen werden können. Jetzt wird aber von verschiedenen Seiten berichtet, dass die Betreiberfirma Proseller Endkunden angehe. So hätten Mitarbeitende von Distis im Januar Werbekarten mit Zugangsdaten für einen Test-­Account an ihre private Adresse geschickt bekommen. Dies sei inakzeptabel, so der Tenor. Damit scheint - zumindest für Also Schweiz - der Moment gekommen, um Konsequenzen zu ziehen: «Wir haben unsere Vereinbarung mit Proseller gekündigt. Also wird mit seinen Produkten nicht mehr im allgemeinen Teil von Concerto vertreten sein. Dieser Schritt erfolgt, weil uns in den vergangenen Monaten wiederholt zu Ohren kam, dass mit unseren Daten und Passwörtern unsorgfältig umgegangen wurde», sagt Also-Boss Marc Schnyder zu IT Reseller. So hätten sich Hinweise darauf ergeben, dass grosse Unternehmen direkten Zugang zu den im allgemeinen Teil von Concerto enthaltenen Daten gehabt hätten. Dieser Teil kann von jedem angeschlossenen Reseller eingesehen werden, unabhängig davon, ob der betreffende Reseller einen Vertrag mit Also hat. Wahrscheinlich sei, so Schnyder, dass Concerto-Kunden, die keine Vertriebsvereinbarung mit Also haben, ihre Zugangs-Informationen an Endkunden weitergegeben hätten.

Concerto-Gründer: «Ich bin doch nicht blöd!»

IT Reseller hat Concerto-Erfinder Alfred Rossi (Bild) mit den Vorwürfen konfrontiert. Dass Proseller Endkunden angehe, sei völlig aus der Luft gegriffen: «Allerdings ist es möglich, dass in unsere Datenbank, die wir zu Werbezwecken verwenden, ab und zu eine private Adresse hineinrutscht», so Rossi. Zudem müsse man sich fragen, warum Proseller überhaupt Endkunden angehen solle: «Zumal die Benutzung von Concerto Lizenzgebühren kostet, lohnt sich das gar nicht für jemanden, der nicht für mindestens 100‘000 Franken im Jahr einkauft. Und mit Concerto könnte ein Endkunde gar nicht einkaufen.» Hinzu komme, dass Proseller kaum ein Inter­esse haben könne, durch ein solches Verhalten die Beziehungen zu ihren Kunden, den Resellern und Distis, zu trüben: «Ich bin doch nicht blöd!», so Rossi. Besagter Test-Account, der jetzt plötzlich für Furore sorgen soll, existiere seit drei Jahren. Er sei bislang nur für Reseller eingesetzt worden, die Concerto testen wollten. Dies habe noch nie Anlass zu Diskussionen gegeben.


Rossi relativiert auch die Tragweite der Vertragskündigung durch Also. Proseller arbeite nicht direkt mit den Distributoren zusammen: «Unsere Kunden, die Reseller, haben Verträge mit den Distis. Von diesen erhalten sie Zugang zu deren Daten. Concerto ist einfach eine Webapplikation, die solche Daten an verschiedenen Orten abholt und sie dem Reseller in einer homogenisierten Form präsentiert. So sorgt Concerto für Transparenz.» Von Also werde jetzt nicht «die Zusammenarbeit» aufgekündigt, sondern lediglich die einmal erteilte Zustimmung widerrufen, mit der Proseller erlaubt worden war, gewisse Händlerdaten allen am System angeschlossenen Resellern zu zeigen, auch wenn diese keine Also-Kunden sind. In Zukunft werden die Also-Daten folglich nur noch von den Resellern eingesehen werden können, die einen Vertrag mit dem Emmener Disti haben.

Angst vor der Transparenz?

Auch wenn die Distis es nicht gerne offen sagen, die durch Concerto geschaffene Transparenz mögen einige ganz und gar nicht. Offiziell tönt es zwar anders: «Wir scheuen den Wettbewerb und Preisvergleich unter den Distributoren überhaupt nicht. Viele unserer Kunden haben in den letzten Jahren ihre eigenen intelligenten Tools für Preisvergleiche entwickelt», sagt Also-Chef Schnyder. Auch HP werkelt unter dem Namen Smartsales an einer Lösung, die Partnern Preise und Verfügbarkeit von HP-Produkten bei den Distis ins Haus liefert, wie Sprecher Beat Welte bestätigt. Kommt eine solche Lösung von Herstellerseite, ist der Reseller aber gezwungen, Anfragen in verschiedenen Systemen zu tätigen, was Zeit kostet.

Geniale Geschäftsidee

Hier offenbart sich die Genialität von Concerto: Die Firma Proseller benutzt quasi kostenlos die Arbeit von Dutzenden von Produktmanagern der Distis. Die Concerto-Kunden verhelfen Proseller dank ihren Verträgen mit den Distis zu den aufbereiteten Daten. Die Preise, Artikelbeschreibungen und Artikelnummernsysteme werden dann zusammengefasst und aufbereitet. Für diesen Service kassiert Proseller Lizenzgebühren. Bei den Distis ist man sich uneins: «Man kann sagen, dass es allen mehr Business bringt, wenn sie ihre Waren dort anbieten. Oder man kann sagen, dass diese schonungslose Transparenz die Margen noch mehr kaputtmacht», meint der Kadermitarbeiter eines grossen Distis, der anonym bleiben möchte. Und bringt es weiter auf den Punkt: «Es ist nicht einfach, jeden Morgen hinzugehen und in diesem System allen zu offenbaren, dass man der teuerste der vier Grossen ist.» (bor)


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