Konjunktur: Wie es wirklich ist

Wie jedes Jahr hat IT Reseller auch nach der diesjährigen Orbit/Comdex im Rahmen seiner Messe-Nachlese eine Umfrage unter den Ausstellern gemacht. Über 80 Firmen aller Technologiebereiche wurden zum Verlauf des eigenen Messeauftritts und zur Konjunkturentwicklung der Branche befragt.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/17

     

Die Stimmung nach der Orbit/Comdex 2001 ist verhalten optimistisch. Zumindest für 70 Prozent der Befragten war die Messe, oberflächlich betrachtet, ein Erfolg. Trotz massiv gesunkener Besucherzahlen (minus 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr), fällt die Bewertung hinsichtlich der Besucher sehr positiv aus.
Zwar haben 37 Prozent der Befragten mit mehr Zulauf gerechnet, doch schätzten 68 Prozent die Qualität ihrer Messe-Besucher als gut bis sehr gut, 28 Prozent noch immer als mittelmässig und nur 4% als wirklich schlecht ein. Das seit letztem Jahr gültige Konzept der Messeveranstalter, eine reine B2B-Messe auszurichten, kommt hiermit zum tragen. Alle Befragten sind sich einig, dass die Qualität der Besucher im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist. Die Kunden haben genauere Vorstellungen, gehen selektiver vor, wissen, was sie wollen, nämlich Produkte und Lösungen zur Produktivitäts- und Effizienzsteigerung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

Licht und Schatten

Bei den gewonnenen Leads sind gerade einmal 46 Prozent der Befragten mit den Ergebnissen zufrieden. 31 Prozent sind einigermassen zufrieden, 15 Prozent sind nicht zufrieden und haben mehr Leads erwartet. Wenn man die einzelnen Branchen betrachtet, wurde die Anzahl und Qualität der Besucher und Leads von den Softwareanbietern am schlechtesten bewertet, gefolgt von Internet-Solution- und Content-Anbietern, Anbietern in Halle 1.0 (Computers) und den Telekommunikations- und Netzwerkanbietern. KMUs wurden teilweise als Besucher der Messe vermisst.

Storage, Security top, Applikationen flop

Ähnlich sieht es bei den Ergebnissen zur Frage nach der Investitionsbereitschaft der eigenen Kunden aus. Auch hier liegen die Software / Softwareapplikations-Anbieter auf der schlechtesten Position. Fast 49 Prozent schätzen die Investitionsfreudigkeit ihrer Kunden als schlecht ein. Etwas investitionsbereiter sind die Kunden der Netzwerker und Telekommunikationsanbieter und von Internet und IT-Peripherie.
Laut den Umfrage-Ergebnissen scheint die Software-Branche also heute am meisten unter der Investitionsunlust der Kunden zu leiden, es sei denn, man hat sich auf Virenschutz oder Lösungen, die dem Kunden Geld sparen helfen (SAP, Citrix) spezialisiert. Gross im Kommen sind wie erwartet Storage-und Security-Lösungen. Zwar sind die Kunden noch zögerlich im Engagement, herrscht allgemeine Unsicherheit und es bestehen noch Hemmschwellen hinsichtlich Projektaussagen und Zukunftsplänen, doch wird die Investitionsbereitschaft in diesen beiden Bereichen momentan als ziemlich hoch eingeschätzt.
Gesamthaft wird die Investitionsfreudigkeit der Kunden auf einer Notenskala von eins bis sechs (1=Investitionsstop; 6=sehr investitionsfreudig) von 44 Prozent aller Befragten mit einer mittelmässigen Vier bewertet. Einen wirklichen Investitionsstop befürchten nur 3 Prozent der befragten Aussteller.

Wo geht sie hin, die Konjunktur?

Konjunkturzyklen haben auch ihr Gutes. Anbieter von Pseudolösungen werden es in diesen Zeiten schwer haben. Der Markt ist gesättigt und ein stärkerer Verdrängungswettbewerb beginnt, der letztlich die Spreu vom Weizen trennen wird. Durchsetzen wird sich Qualität, vom Produkt bis zum Kapitalmanagement.
Bewährte Unternehmen mit einer guten Kundenbasis werden es dabei vielleicht ein bisschen einfacher als Newcomer haben. Doch das Stimmungsbarometer steht nicht wie eigentlich erwartet, ganz auf Schlechtwetter. Auf unsere Frage «Wie schätzen Sie generell die IT-Konjuktur nach dieser Orbit/Comdex ein?» haben immerhin 21 Prozent der Befragten mit gut, der Konjukturaufschwung ist schon im Gange, geantwortet. Der Grossteil der Befragten (58 Prozent) betrachtet die Auftragslage als schlecht, sieht aber den Konjunkturaufschwung in Bälde auf uns zukommen: 14 Prozent Ende des Jahres, 27 Prozent im Q1/02, 54 Prozent ab Q2/02, 5 Prozent im Jahr 2003. 21 Prozent der befragten Aussteller sind davon überzeugt, dass sich die Auftragslage weiterhin verschlechtern wird und ein Wiederaufschwung nicht absehbar ist. Ob das die berühmten Schwarzmaler oder eher die Realisten sind, wird sich in Kürze zeigen.

Kritik an den Veranstaltern

Auch wenn die Veranstalter der Orbit/Comdex in Anbetracht der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise eher mit Kritik verschont blieben, waren doch einige kritische Stimmen zu vernehmen. Da heisst es häufig, das Ziel mit Ausrichtung einer internationalen Messe sei wieder verfehlt worden, die Messe bemühe sich einen guten Service zu erbringen, was leider nur teilweise gelinge. Bei Simultan glaubt man gar, dass die Orbit/Comdex «den Zenit überschritten» habe und das Interesse an dieser Messe gewaltig nachlasse. Und das nicht nur aufgrund der momentanen Wirtschaftlage.
Für Urs Salzmann von Elsag bot die Messe keinesfalls die erwartete Umgebung und die Ziele hätte man mit einer Roadshow wesentlich günstiger erreicht. Gabriele Bornemann von Alcatel merkt an, dass der Aufwand für ihre Kunden grösser ist, als der Ertrag: «Es scheint, dass im Zeitalter des Internets und der damit verbundenen schnellen und einfachen Informationsverbreitung eine solche Messe zumindest ihren ursprünglichen Zweck (Bekanntmachung von Neuem) verloren hat.» Und Melanie Wahlen von Tenovis: «Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob Messen in dieser Art noch Berechtigung haben (keine Produkte mehr, sondern Event-Shows, Pflicht anwesend zu sein). Die Messehochpreispolitik fügt der Orbit Schaden zu.»
Zuletzt eine Anmerkung eines deutschen Ausstellers: «Wir werden in Zukunft nicht mehr auf der Orbit ausstellen... Der Aufwand mit der Zolleinfuhr und anderen bürokratischen Aktionen hat uns schwer ins Grübeln gebracht. Eventuell werden wir erst dann wieder in der Schweiz ausstellen, wenn diese der EU beigetreten ist.» Vielleicht war es somit seine vorerst letzte Messe in der Schweiz? (sk)

Hans Kuster, Leiter Marketing, SAP

«Mittwoch und Donnerstag waren hervorragend. Allein an diesen beiden Tagen hatten wir 250 Neukundenkontakte. Auf unserer Standparty hatten wir 1000 Leute, wir haben 600 Flaschen Champagner verbraucht. Aber man konnte schon auch gedrückte Stimmung sehen, dazu brauchte man in der Halle nur ein paar Stockwerke höher gehen.»

Ralph Sträuli, Channel Manager, Cisco

«Wir hatten gegenüber dem Vorjahr 30-40% mehr Leads. Der Markt ist bereit, Technologie aufzunehmen. Die Grosskunden halten sich mit Investitionen eher zurück. Die KMUs sind nach wie vor investitionsfreudig.»

Reto Schmid, Chief Operations Officer, Pixelpark

«Grosse Themen waren E-Learning und Publishing. Das Internet wird immer mehr in die Unternehmenskommunikation eingepasst, es ist nicht mehr so selbständig und unkonventionell, muss strengeren Regeln folgen.»

Ralph M. Stucki, Gesamtleitung, Rotron Software

«Der Markt ist extrem in Bewegung, das führt zu Verunsicherung beim Endkunden. Es gibt viele neue Distributionswege und -formen. Die Tendenz geht dahin, sich starke, spezialisierte Partner zu suchen, die entweder im Verkaufs- oder im Servicesegment arbeiten.»

Ralf Korb, Director Marketing + Business Relations, Team Brendel

«Der Erfolg der Aussteller steht und fällt mit dem eigenen Engagement. Wir haben dezidiert Kunden eingeladen, das zahlt sich jetzt aus.»

Fredy Lustenberger, Managing Director Switzerland, Legato


«Im Enterprise Storage-Management ist sehr grosses Bedürfnis vorhanden.»




Simona Maier, Leitung Marketing, Jet Schweiz IT


«Der erste Tag war mager, wir waren schockiert. Über die ganze Messe gesehen hatten wir sehr viele Besucher, aber wenig neue Kontakte.»


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