Wie schafft ein Datencenter Mehrwert?

In Genf betreibt Psinet ein Datencenter auf 6000 Quadratmetern. Welche Dienstleistungen an wen verkauft werden, erklärten Country Manager Marcel Casserini und der verrantwortliche für Allianzen, Paolo Sutter.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/04

     

Der multinationale Provider Psinet ist in letzter Zeit eher durch negative Schlagzeilen aufgefallen. Im November erlitt die börsenkotierte US-Firma einen brutalen Absturz der Aktienkurse als die Quartalszahlen nicht wie erwartet ausfielen. Man sprach gar von drohender Insolvenz und einem bevorstehenden Verkauf der Firma. Für den Schweizer Verantwortlichen Marcel Casserini lag der Beginn der Misere im Kauf des Consulters Metamor. «Metamor war mit 5500 Leuten viel zu gross für Psinet. Dann wurden wir von der Krise im E-Business voll erwischt.»
In der Tat: Die Aktien des Carriers stürzten von ehemals 60 Dollar im vergangenen März auf unter einen Dollar ab. Dies erschwert es einer Firma mit grossem Kapitalbedarf, wie es ein relativ neuer Carrier eben ist, zu frischem Geld zu kommen, um die nötigen, gigantischen Investitionen zu finanzieren. Unterdessen macht Psinet Geld locker, wo es nur geht. So soll eine Abteilung, die Kreditkarten-Transaktionen unterstützt, für 325 Mio. Dollar verkauft werden. Zusammen mit geplanten Reduktionen der Kosten soll damit der Betrieb bis in die erste Hälfte 2002 gesichert werden.

6000 Quadratmeter in Genf

Im November letzten Jahres wurde in Genf das eigene Hosting- und Datencenter eröffnet. Gemäss Psinet wurden in Genf insgesamt 60 Mio. Franken investiert. Weitere europäische Zentren befinden sich in Amsterdam und London. Ein 250-Millionen-Projekt ist derzeit in Berlin in Bau. Im Endausbau sollen es weltweit 18 Datencenter auf allen Kontinenten werden.
Im Gegensatz zu KPNQwest, die innerhalb Europas auf eigene Glasfasern setzt, kauft Psinet sogenannte «Dark Fiber»-Kapazität nach Bedarf dazu. Bis heute sind es gemäss dem Carrier total 1,6 Mio. Kilometer.
Im Genfer Datencenter können maximal etwa 30’000 Server gestapelt werden.
Besonders stolz sind die Psinet-Manager auf die gigantischen Dieselgeneratoren (acht Megawatt), die die Stromversorgung sicherstellen. Um die Minuten zwischen einem Stromzusammenbruch und dem Anspringen der Generatoren zu überbrücken hat man in Genf nicht etwa Batterien installiert, sondern benützt riesige Dynamos.
Gemäss Paolo Sutter, dem Allianzen-Manager von Psinet Schweiz, werden in Genf drei Arten von Dienstleistungen angeboten. Im Low-End gibt es sog. Shared-Services, wo sich mehrere Kunden einen Server teilen. Im mittleren Preissegment siedelt Sutter das «normale» Hosting von Web-Servern und ähnlichen Diensten (Collocation) an. Interessanter sind aber «managend Services». Neben der 24-Stunden-Überwachung und der physischen Sicherheit, garantieren die hauseigenen Spezialisten den Betrieb der HW, des Betriebssystems sowie das «Monitoring» der Applikation, so die Psinet-Manager. Dazu kann der Kunde auch flexibel Bandbreite einkaufen. Erreicht der Datenverkehr die Hälfte der theoretischen Kapazität, wird die Bandbreite erhöht.

Ein ASP und ein Marktplatz

Als Beispiele der Kunden des Genfer Datencenters nennt Sutter einen Handels-Platz der Stahlindustrie und einen ASP. Der Marktplatz, Steeltrading.com, wurde von unabhängigen Stahlhandels-Spezialisten aufgebaut und hat seinen Hauptsitz in Lugano. Zielmarkt ist aber bis heute vor allem Italien. Weiter hostet man einen lokalen ASP (Application Service Provider), der betriebswirtschaftliche Software für KMUs anbietet. Pech hatte der Carrier allerdings mit dem US-ASP Hostlogic, der kürzlich den Konkurs anmelden musste.
Ein weiteres Beispiel ist eine Schweizer Maschinenfabrik, die vier unterschiedliche ERP-Systeme betreibt und ihre Datenbank-Server im Genfer Datencenter unterbringen will. Das eigene, weltweite Glasfasernetz habe den einen grossen Vorteil, so Sutter. Den Kunden könne man zu jedem Zeitpunkt auch ein weltumspannendes Intranet und echtes Video-Conferencing in Fernsehqualität anbieten.

Der Drang zur Marge

«In der jetzigen Situation der Firma ist der Margendruck sehr hoch», meint Country Manager Marcel Casserini. «Wir ziehen uns von 70 Prozent aller Connectivity-Offerten zurück und offerieren selten Access-Dienstleistungen unter ein bis zwei Mbps.»
Die Zeit der möglichst raschen Expansion ist für Psinet definitiv vorbei – jetzt gilt es rasch Geld zu verdienen. Deshalb versucht man auch für das Datencenter in Genf möglichst Aufträge mit hoher Wertschöpfung an Land zu ziehen. Casserini: «Es gibt zwei Möglichkeiten ein Datencenter auszulasten. Man kann ein Datencenter in sechs Monaten ‘füllen’, indem man einfach Platz vermietet. Doch wir wollen jetzt unsere Dienstleistungen verkaufen.» Dass das Datencenter in der Schweiz und nicht im EU-Raum steht, ist gemäss Casserini ein grosser Vorteil – gerade auch für Kunden aus Italien.

KMU-ISPs wieder ausgegliedert

In rascher Folge hat Psinet in den letzten zwei Jahren unabhängige ISPs übernommen (Tic, Spin u.a.). Nun werden diese Firmen unter dem Namen ‘Inter.net’ wieder aus dem Konzern ausgegliedert. Die Grosskunden wurden von Psinet übernommen, das KMU-Geschäft soll unter den alten Marken-Namen weiterlaufen. Casserini dazu: «Psinet hat einige wichtige Entscheidungen gefällt: Im Low-End Access-Geschäft sind wir nicht konkurrenzfähig. Wir konzentrieren uns nun auf Hosting-Dienste und kommen damit bei den Kunden gut an.»
1999 kam noch 90 Prozent des Umsatzes aus Internet-Zugangs-Diensten. Letztes Jahr waren es noch 65 Prozent und dieses Jahr wird der Umsatzanteil von reinen Access-Diensten auf 20 Prozent schrumpfen. Entsprechend werden bei Psinet auch andere Fähigkeiten von den Mitarbeitenden verlangt. Casserini: «Wir brauchen heute eher weniger Telefon-Verkäufer, dafür mehr Berater, Projektmanager und Ingenieure.»

Viele, viele Cobalt-Boxen


Ein neues Angebot mit interessanten Perspektiven für Reseller soll die Hosting-Dienste des Datencenters mit auslasten helfen: Paket-Angebote mit gehosteten Cobalt-Servern. «Dieses Angebot verkaufen wir zu Dutzenden», meint Paolo Sutter, «und es ist interessant für Partner». Auch mit den neuen, günstigen ‘Netra’-Servern von Sun will Psinet ein interessantes Paket schnüren, so die Manager. (hc)


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