Via Indien zu den Grossen Europas

Mit grossen Deals und weniger Personal will Reinhard Clemens T-Systems auf Vordermann bringen. Anders als sein Vorgänger Lothar Pauly will sich der neue CEO aufs Europageschäft fokussieren anstatt international zu scheitern.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/02

     

T-Systems, die Geschäftskundensparte der Deutschen Telekom, hat turbulente Zeiten hinter sich: Jahr für Jahr ging der Umsatz zurück und der frühere Siemens-Manager Lothar Pauly nahm im vergangenen Juni nach gerade mal eineinhalb Jahren an der Spitze von T-Systems seinen Hut, weitere Topmanager folgten seinem Beispiel. Diese Negativmeldungen sowie aufkommende Gerüchte über einen möglichen Verkauf von T-Systems trugen ihren Teil dazu bei, dass die Sparte mit 56’000 Angestellten und 12,6 Mrd. Umsatz zuletzt hauptsächlich durch eine fehlende Strategie auffiel.

Clemens schwört auf Europa

Seit dem 1. Dezember sitzt mit Reinhard Clemens ein ehemaliger EDS-Manager am Ruder von T-Systems. «Noch ist es zu früh, eine ausgefeilte Strategie zu präsentieren», sagte der Neue anlässlich des 17. Internationalen Pressekolloquiums der Deutschen Telekom zur Presse. Trotzdem scheute er sich nicht, ambitionierte Ziele zu formulieren: Plus drei Milliarden Euro Umsatz bis 2010, sowie eine Verdoppelung der Profitabilität.
Wie er das schaffen will, tönt er nur vage an: «T-Systems ist der einzige ­europäische Player, der im globalen ICT-Markt mitreden kann», verkündet er selbstbewusst. Der Weg an die Spitze führe deshalb grosse Deals mit international tätigen europäischen Konzernen wie dem holländischen Ölkonzern Shell, der in Kürze einen Vertrag mit den Deutschen unterzeichnen soll. «Es nützt nichts, mit einer kleinen Giesskanne kreuz und quer in einem grossen Garten rumzurennen. Man muss seine Kräfte fokussieren», kritisiert er die allzu international ausgerichtete Strategie seines Vorgängers.
«Strukturanpassung» dagegen bleibt wie schon zu Paulys Zeiten eines der Schlagworte an der Pressekonferenz. Besonders betroffen vom sparteninternen Köpferollen wird dabei der Bereich System-Integration mit 13’000 Angestellten sein, der in eine Partnerschaft eingebracht werden soll (im Gespräch ist der indische Dienstleis­ter Tata). Deutsche Medien sprechen von 3000 bis 8000 Stellen, die in Deutschland auf der Kippe stehen.

In der Schweiz erfolgreich

Mit der Schweizer Niederlassung, die mit rund 1000 Angestellten knapp eine halbe Milliarde Franken umsetzt, ist Clemens zufrieden. Insbesondere die von Länderchef Gregor Stücheli vorangetriebene Fokussierung auf den Bankensektor scheint sich auszuzahlen. «Mittlerweile bedienen wir zehn grosse Kunden in diesem Bereich», so Stücheli. Trotz Kreditkrise sieht er diese Konzentration nicht nur als Gefahr. «Zum einen bieten wir den Banken eine Gelegenheit, um die Kos­ten zu senken, zum anderen kommen durch die Kürzungen der IT-Budgets bei den Banken dringend benötigte Fachkräfte auf den Arbeitsmarkt», erklärt Stücheli die positiven Seiten der Misere gegenüber IT Reseller.

Mit österreichischer hilfe im Gesundheitsmarkt punkten

Neben der Bankensparte will sich T-Systems in der Schweiz vor allem auf den Gesundheitsmarkt konzentrieren. Im vergangenen Jahr konnte das Kantonsspital Uri als Kunde gewonnen werden. Mittelfristig soll dem Bereich die gleiche Wichtigkeit zukommen, wie dem Finanzbereich. ­Dabei setzt T-Systems-Schweiz-CEO Gregor Stücheli auch auf das Wissen seiner Kollegen in Österreich, die bereits eine Gesundheitskartenlösung erfolgreich implementieren konnten. Jetzt arbeitet T-Systems konzernweit mit dem ­österreichischen Unternehmen Tiani Spirit zusammen.
Das österreichische Unternehmen ist auf sogenannte IHE-basierende (Integrating the Healthcare Enterprises) Standardsoftware im Gesundheitsbereich spezialisiert. T-Sys­tems wird die Tiani-Lösungen ins eigene Portfolio integrieren. Die Software ist Bestandteil eines nach IHE-Richtlinien konzipierten Projektes, mit dem Spitäler, Arztpraxen und ­Labore Bilder und Dokumente regional und überregional austauschen können. Neben einem gemeinsamen Projekt in Österreich arbeiten die beiden Partner auch im Kanton St. Gallen an einem Projekt zusammen.
In Kooperation mit dem Verein für Informatik im Gesundheitswesen entwickeln T-Systems und Tiani Spirit eine Pilot-Plattform für den sicheren Austausch medizinischer Daten zwischen den Leistungserbringern. Die Lösung ­Mediswiss (Medical Data Interchange Swiss) soll künftig Spitäler, Ärzte und andere Teilnehmer im Gesundheitswesen miteinander vernetzen. Das langfristige Ziel bestehe in einem institutionenübergreifenden digitalen Patientendossier, mit dem sich Doppelbefunde verhindern lassen und das die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen verbessert. (Marksu Gross, Berlin)


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