Der Stern der Mega-Deals sinkt

Bei grossen Outsourcing-Projekten stellen Marktumfragen zunehmende Ernüchterung fest. Jeder vierte Grosskonzern erledigt mittlerweile ursprünglich ausgelagerte Funktionen wieder selber.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/18

     

Die Zahl der grossen Outsourcing-Deals ging im ersten Halbjahr weltweit um 17 Prozent zurück, stellt TPI (Technology Partners International) in seinem «Index Report» fest. Und Deloitte Consulting doppelt aufgrund einer eigenen Studie nach: Jedes vierte Unternehmen nehme ausgelagerte Funktionen mittlerweile wieder selber wahr.
Betroffen ist vor allem das Business Process Outsourcing (BPO). Hier ging laut TPI im zweiten Quartal 2005 die Anzahl neuer Verträge über mehr als 20 Millionen Euro von bisher durchschnittlich 24 auf 19 zurück. Das Gesamtvolumen sank von über vier auf drei Milliarden Euro.
Eine Rolle spielt dabei sicher, dass 2004 viele grosse Abschlüsse stattfanden. Gleichzeitig erwies sich das Outsourcing von Prozessen komplexer als meist angenommen. Die Firmen, schreibt TPI, seien inzwischen vorsichtiger geworden und machten sich ein klareres Bild über Kompetenzen und Kapazitäten der Anbieter. Häufiger als früher änderten sie die Rahmenbedingungen oder brechen Vertragsverhandlungen ab.

Europa holt auf

In Europa ist die Anzahl der Verträge mit einem Volumen von über 40 Millionen Euro laut TPI im zweiten Quartal nicht so stark gesunken. Der Gesamtwert der Verträge verringerte sich jedoch auf 23 Milliarden Euro. Das sind 13 Prozent weniger als im Vorjahr.
Stärker als amerikanische tendieren europäische Unternehmen dazu, mit nur einem Anbieter zusammenzuarbeiten. Dabei konnten die «Big Five Europe» Atos Origin, BT, Capgemini, Siemens und T-Systems ihren Marktanteil auf 36 Prozent steigern. Sie werden damit, wie TPI schreibt, zu einer ernsthaften Konkurrenz für die weltweit agierenden «Big Six» Accenture, ACS, CSC, EDS, HP und IBM.

Schlechte Erfahrungen

Deloitte seinerseits hat Führungskräfte aus 25 internationalen Grosskonzernen befragt, die zusammen immerhin 50 Milliarden Dollar in Outsourcing-Abkommen investierten. Dabei berichten 77 Prozent über Schwierigkeiten während sämtlichen Phasen ihrer Outsourcing-Projekte – von den Verträgen über die Umsetzung bis zur Zusammenarbeit mit dem Anbieter.
Meist war der Aufwand höher und die Vorteile geringer als erwartet. 44 Prozent der Befragten gaben an, bisher keine Kosteneinsparungen realisiert zu haben. 57 Prozent mussten zusätzliche Zahlungen leisten, die sie fälschlich als Bestandteil
der Outsourcing-Verträge verstanden hatten.
Eine Ursache hierfür sieht Deloitte darin, dass die Standardangebote der Dienstleister selten die komplexen Anforderungen grosser Organisationen erfüllen, so dass diese in der Regel mit massgeschneiderten Lösungen arbeiten. Dabei kommen die Skaleneffekte, mit denen die Anbieter werben, nicht zum Tragen. Rund die Hälfte der Befragten meinte daher, dass sie die ausgelagerten Funktionen genauso effizient selber erbringen könnten.

Schwierige Beziehungen

Schwierig gestalteten sich laut Deloitte oft auch die Beziehungen zum Service Provider. Ein Drittel der Befragten äussert sich besorgt darüber, dass die Kontrolle über die ausgelagerten Funktionen verloren ginge. Ein Fünftel klagt, die Angestellten beim externen Dienstleister wechselten ständig, so dass die Servicequalität leide. Zehn Prozent sprechen davon, dass die Outsourcing-Partner Abkommen über Vertraulichkeit und geistiges Eigentum verletzt hätten.
Fast alle Befragten gaben an, dass sie wenig bis keinen Einblick in Preisgestaltung und Kostenstrukturen der Outsourcing-Partner hätten. Bei rund drei Vierteln war die Transparenz der Kostenrechnung noch zusätzlich erschwert, weil in einem Abkommen gleichzeitig verschiedene Funktionen vergeben wurden.
Obwohl die Dienstleister unter Druck gesetzt wurden, lieferten sie in den seltensten Fällen Lösungen oder Vorschläge zur Verbesserung bestehender Prozesse. Oder, wie Lothar Kreil, Senior Vice President der DVB Bank in Frankfurt, kürzlich gegenüber der Zeitschrift Computerwoche als Fazit seiner Outsourcing-Erfahrungen ernüchtert feststellen musste: «Ein externer Provider kann keine strukturellen Probleme lösen. Das muss man selbst tun.»

Kürzere Laufzeiten und kleinere Margen

Allen negativen Erfahrungen zum Trotz möchten die befragten Konzerne auch in Zukunft nicht auf Outsourcing verzichten. Sie sagen jedoch, dass sie ihre Kernkompetenzen in Zukunft genauer definieren und nicht mehr auslagern würden. Insgesamt dürfte daher in den Grosskonzernen der Anteil ausgelagerter Funktionen zurückgehen, wie Deloitte schreibt. Die Boom-Zeit der Mega-Deals scheint vorbei. In Zukunft würden Verträge für Laufzeiten unter fünf Jahren und mit Ausstiegs- und Neuverhandlungsklauseln abgeschlossen, Service Level Agreements detaillierter ausgearbeitet und durch festgelegte Messgrössen überprüft.
Fazit: Die Konzerne werden beim Outsourcing wieder konservativer. Die Anbieter müssen sich auf kürzere Laufzeiten und kleinere Margen einstellen.

Genau planen

Gartner Research schätzt, dass die Ausgaben für weltweite Outsourcing-Projekte bis 2007 auf über 50 Milliarden steigen werden.
Um dabei erfolgreich zu sein, sollten Unternehmen jedoch alle Aspekte einer Auslagerung genau abklären. Explizit erwähnt Gartner Kosten, Produktivität, Engagement und Kommunikation sowie kulturelle Unterschiede bei Offshore-Partnern und die strukturelle Bereitschaft der eigenen Organisation für die Auslagerung. Wer diese Punkte im Auge behalte, könne profitieren. Projekte aber, bei denen nicht für alle Bereiche eine genaue Planung gemacht werde, seien gefährdet. (fis)


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