Die drei Dementis aus dem Hause Bechtle

Mit der Übernahme der ARP-Gruppe wird Bechtle endgültig zum gewichtigen Player im Schweizer IT-Markt. Kommt nun das grosse Aufräumen unter den mittlerweile vier Schweizer Bechtle-Töchtern?

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/02

     

Der deutsche Systemintegrator und Katalog-Händler Bechtle gehört in der Schweiz mittlerweile zu den ganz Grossen. Die Schwaben kontrollieren heute zwei hiesige Katalog-Händler und Boxmover (ARP Datacon und Bechtle-Comsoft), einen Highend-Systemintegrator (Bechtle Data) und zwei Lizenzspezialisten (CC Data Disc und ebenfalls Bechtle-Comsoft).
Der Gedanke, dass die paneuropäisch aktive Bechtle-Gruppe nun möglichst schnell ihre Schweizer Operationen zusammenlegen würde, um so über Skaleneffekte die Ertragskraft zu steigern, liegt nahe. Doch die Schwaben ticken anders.
Konzernsprecher Rudi Schmidt: «Wir kaufen keine Marke auf, um sie kaputtzumachen. Bei jeder Übernahme achten wir darauf, dass die lokale Identität nicht verloren geht und wir kaufen nur Firmen, bei denen die Unternehmensführung an Bord bleibt.
ARP wird eine Schweizer Firma bleiben.» Patrick Pulver (Bild rechts), Leiter von Bechtle-Comsoft und Jörg Kientz, CEO und Verwaltungsrat von ARP Datacon, stossen ins gleiche Horn. Kientz: «Bechtle-Chef Gerhard Schick (Bild links) hat viel Lebenserfahrung. Er weiss, dass die lokalen Märkte entscheidend sind und nicht Synergien aus dem Lehrbuch.»

1. Dementi: Alles beim Alten im Katalogbusiness

ARP und Bechtle-Comsoft ergänzen sich gemäss Kientz und Pulver mehr, als sie sich konkurrenzieren. ARP ist stark im Geschäft mit C-Artikeln (Produkte, bei denen Kunden vor allem auf geringe Beschaffungskosten achten müssen) und hat mit der direkten elektronischen Anbindung von Grossfirmen an das eigene SAP-System Furore gemacht.
Bechtle-Comsoft hingegen konzentriert sich auf die Beschaffung von A- und B-Artikeln und ist in der Romandie einer der wichtigsten Boxmover im IT-Geschäft. Pulver: «Wir sind – ganz im Gegensatz zu ARP – kein klassischer Katalog-Händler. Unsere C-Artikel und den Katalog beziehen wir von Bechtle in Deutschland.»
Sowohl ARP Datacon wie auch Bechtle-Comsoft in Gland sollen also als unabhängige Firmen mit eigener Infrastruktur und Identität weiterexistieren. Kientz bekräftigt: «Wir sind im Markt selten aufeinander getroffen. Bechtle-Comsoft konzentriert sich im IT-Geschäft auf mittelgrosse und grosse Kunden, wir fokussieren auf mittelgrosse bis hin zu Kleinfirmen.»

2. Dementi: Auch Lizenzgeschäft zweigleisig

Zumindest das Lizenzgeschäft der beiden Microsoft LARs (Large Account Reseller) Bechtle-Comsoft und CC Data Disc könnte man doch zusammenlegen, fragten wir nach. Die Antwort lautet nein. Pulver: «Wir bedienen komplementäre Märkte. Bechtle-Comsoft ist in der Romandie und im Geschäft mit öffentlichen und mittelgrossen Betrieben stark.
CC Data Disc konzentriert sich eher auf Enterprise-Kunden und die deutsche Schweiz.» Kientz ergänzt: Dazu komme, dass das Lizenzgeschäft ganz stark von Personen abhängig sei. Eine Zusammenlegung würde mehr schaden als nützen.

3. Dementi: Keine forcierte Expansion

Bechtle expandiert zwar europaweit sehr rasch, doch verhält sich der deutsche Konzern eher opportunistisch denn lehrbuchmässig systematisch. So fehlt Bechtle in der Schweiz zwar noch ein Systemintegrator mit breiter geografischer Abstützung im Puzzle. Doch die Schwaben scheinen in aller Ruhe auf eine gute Gelegenheit zu warten.
Bechtle-Sprecher Schmidt: «Wir suchen nie aktiv selbst nach einem Übernahmekandidaten und fühlen keinen Druck für eine Akquisition. Und es gibt klare Regeln, wieviel eine Akquisition maximal kosten darf.»
Auf unsere Frage, ob denn nun Bechtle rasch das fehlende Mosaiksteinchen in der Schweiz zukaufen würde, ernten wir also ein drittes Dementi. Angesichts der allseits prophezeiten bevorstehenden Konsolidierung unter lokalen VARs und Systemintegratoren, würde es aber nicht überraschen, wenn Bechtle trotz prinzipiell gelassener Akquisitionsstrategie das fehlende Schweizer Puzzleteilchen trotzdem demnächst finden würde.

Trotzdem Synergien

Obwohl Bechtle also darauf verzichtet, die Schweizer Töchter unter ein Dach zu zwingen, sollen sich aus dem ARP-Kauf doch Synergien ergeben. So wird ARP das Sortiment auf einen Schlag um tausende von Artikeln aus dem Bechtle-Sortiment erweitern können. Bechtle seinerseits prüft zur Zeit, ob man einen Teil der in Asien produzierten Produkte, die hierzulande unter dem ARP-Label vertrieben werden, in den Katalog aufnehmen will.
Ausserdem will ARP von Bechtles Know-how profitieren. Kientz: «Bechtle hat die Zusammenarbeit mit Distis exemplarisch ausgebaut. Wir sind da noch im Rückstand.» (hc)

Schwäbische Erfolgsstory

Gegründet wurde Bechtle im Sommer 1983 als Ein-Mann-Firma in Heilbronn. Unterdessen ist der Konzern flächendeckend in ganz Deutschland als Systemintegrator präsent und vertreibt IT-Produkte in (fast) ganz Europa. Die Gruppe gehört zu den wenigen IT-Firmen, die 2000 an die Börse gingen und trotz rascher Expansion profitabel blieben 2003 erwirtschaftete Bechtle bei einem Umsatz von etwa 800 Millionen Euro einen Profit (vor Steuern) von ca. 25 Mio. Euro.
Seit 1997 hat Bechtle nach unserer Schätzung etwa 30 Firmen übernommen, sich in ganz Deutschland ausgebreitet und in acht europäischen Ländern Niederlassungen gegründet.


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