Geschützter Markt Server Based Computing?

Die Marktforscher sind zuversichtlich, die Schweizer Channel-Player sind es auch: Server Based Computing scheint einer der sichereren Häfen im stürmischen IT-Meer zu sein.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/09

     

Gemäss einem kürzlich erschienenen Report des Marktforschungsinstituts Giga Information Group ist der Markt für Server Based Computing (SBC) auch im sonst für die IT-Industrie so enttäuschenden Jahr 2001 noch um 25 bis 35 Prozent gewachsen (die endgültigen Zahlen sind noch nicht da).
Ähnliches sagen die drei am stärksten in diesem Markt engagierten Distis über die Entwicklung in der Schweiz im letzten Jahr. BCD-Sintrag und Computerlinks Schweiz schätzen das Wachstum im Schweizer Markt für das letzte Jahr übereinstimmend auf 30%. Andreas Schaerer, Sales Manager bei Adtcom, möchte keine Prozentzahlen nennen, redet aber auch von klarem Wachstum (Die Antworten von Adtcom beziehen sich stärker auf Thin-Client-Hardware, da die Baarer nach dem Wegfall der Citrix-Distribution im letzten Jahr vorübergehend keine Basis-Software für SBC mehr im Angebot hatten).

Leichte Abflachung

Für dieses Jahr sagt Giga ein weltweites Wachstum des Gesamtmarktes von 10 bis 15 Prozent aus, eine weitere Abflachung also. Computerlinks-Geschäftsleiter Hans-Peter Krummen berichtet damit übereinstimmend, dass im ersten Quartal dieses Jahres das Vorjahreswachstum nicht mehr erreicht werden konnte und bei fünf bis 10 Prozent liegt.
Für BCD-Sintrag-Mitinhaber Erich Fehr lag das Wachstum allerdings «weiterhin auf hohem Niveau», und Schaerer sieht sogar positive Zeichen: «Die Ereignisse des letzten Septembers sind auch an unserer Branche nicht spurlos vorbeigegangen. Kurzfristig schien die Welt ja beinahe eingeschlafen zu sein. Das hat sich aber gegen Ende des Jahres wieder geändert. Zum Schluss des letzten Quartals zeigte sich ein stärkerer Anstieg. Dies lässt erkennen, dass viele Projekte in der Startphase sind. Der Markt öffnet sich in Richtung Thin Clients.»

Gute Chancen bei Grossen und Mittelgrossen

Der Markt wird sich natürlich in den verschiedenen Marktsegmenten unterschiedlich darstellen. Die meisten Grossunternehmen haben SBC schon in irgendeiner Form im Einsatz, oft aber in kleinen, lokalen Installationen. Hier wird, gemäss Giga, das Wachstum vor allem daraus folgen, dass bestehende Installationen ausgeweitet und aus ihrem Inseldasein befreit werden, eine Tatsache, die auch Hans-Peter Krummen unterstreicht. Das wird durchaus lukrativ.
Erich Fehr (BCD): «Viele Grossprojekte sind in Planung. Das Potential ist gross, und wir erwarten noch beträchtliche Zuwachsraten. Mit der neuen Portaltechnologie von Citrix (Nfuse Elite) wird auch gerade für diese Unternehmungen eine weitere interessante Lösung angeboten.» Bei Andreas Schaerer (Adtcom) tönt es ähnlich: «Hier werden in den nächsten Monaten die grössten Erfolge zu vermelden sein.»
Beinahe ebenso positiv werden die Aussichten bei mittelgrossen Unternehmen bewertet, wo auch eher noch Neuinstallationen anstehen. «Gerade die erfolgreichsten Citrix-Partner machen ihr Hauptgeschäft mit Firmen bis 300 Mitarbeitern. Der Trend zur Konsolidierung (Server, Daten etc.) ist ungebrochen und hat in den mittelständischen Unternehmungen erst gerade begonnen», meint Fehr. Krummen rechnet «mit einem kontinuierlichen Wachstum in der Grössenordnung von 20 bis 30% im Jahr 2002».
Nicht so zuversichtlich ist man bei Adtcom. Sowohl auf kleine wie auf mittlere Unternehmen bezogen, sagt Schaerer: «Die KMUs müssen zuerst noch an die Möglichkeiten herangeführt werden. In vielen KMUs sind die IT-Abteilungen ausgelagert, das heisst, die Entscheidungsfindung macht einen weiteren Weg als bei direkt involvierten Departementen.»

Und die Kleinen?

Bei Kleinunternehmen dürfte der Markt wohl am harzigsten sein, auch wenn das Computerlinks und BCD nicht so direkt ausdrücken. Immerhin zeigen sich beide erfreut über die Entscheidung von Citrix, die Mindestzahl von Userlizenzen für Metaframe von 20 auf fünf herabzusetzen. Krummen (Computerlinks): «Die Schweiz zeichnet sich durch viele Kleinunternehmen aus, die sich der Bedeutung einer effizienten und gut funktionierenden IT-Infrastruktur bewusst sind.
Bisher war jedoch die Einstiegsschwelle, mit Metaframe zu arbeiten, für viele dieser innovativen Firmen zu hoch angesetzt. In diesem Markt sehen wir ein grosses Wachstumspotenzial, wenn die Reseller diesem Segment den Nutzen von SBC verständlich darlegen können.»

Michael Jackson im Solarium

Völlig unterschiedlich werden die Chancen für SBC in verschiedenen IT-Umfeldern beurteilt. Während bei Windows alles in Minne ist, redet Giga von «sehr geringer Nachfrage» im Unix- und heterogenen Umfeld. Krummen drückt das gleiche Fazit sehr viel schöner aus: «Reinen Unix-Anwendern den Nutzen von SBC schmackhaft zu machen ist etwa ähnlich schwierig wie Michael Jackson zu einem Solarium-Besuch zu bewegen ...»
Bei BCD macht der Bereich einen Anteil von etwa 5% des SBC-Geschäftes aus, Erich Fehr berichtet allerdings von grösseren noch anstehenden Projekten.

Gedränge der Reseller

Bei allen guten Wachstumschancen darf man aber nicht übersehen, dass SBC gesamthaft ein beschränktes Marktvolumen aufweist. Giga schätzt den Markt für dieses Jahr auf 1,25 bis 1,35 Miliarden Dollar weltweit. Bei einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 20% (die optimistischste Schätzung) wird er 2005 knapp 3 Mrd. Dollar ausmachen.
Auf diesen wachstumsträchtigen, aber engen Markt stürzen sich verständlicherweise in der heutigen Situation sehr viele VARs und Systemintegratoren, und die Luft vor Ort im Endkundengeschäft wird wahrscheinlich schon bald einmal dünn. Jedenfalls berichteten uns verschiedene Reseller, dass man sich bei Projekten bereits «manchmal auf den Füssen steht» – was die üblichen, sagen wir es mal positiv, messerscharf kalkulierten Projektangebote zur Folge hat.

Das Verfallsdatum des Booms

Auf der Herstellerseite steht allerdings Citrix mit 85% Marktanteil 2001 weiterhin fast allein auf weiter Flur. Etwas Marktanteile dürfte der Überflieger in den nächsten Jahren wohl an Installationen verlieren, bei denen nur Windows Terminal-Server, ohne Zusatzprogramm, verwendet wird.
Giga schätzt diese Einbusse aber auf weniger als 20% bis 2005. Bedrohlicher ist «Windows only» wohl eher für kleinere Hersteller, die tiefere Marktsegmente bearbeiten. Nur noch dem Hersteller Tarantella bescheinigt Giga gute Aussichten, wenn auch nur in seiner sehr beschränkten Marktnische Unix- und heterogene Umfelder.
Viele Softwarehersteller sind aber heute daran, ihre Anwendungen selbstständig für den Zugriff von einem Browser aus aufzurüsten und damit ohne den Umweg über Produkte wie Metaframe für SBC geeignet zu machen. Eigentliche webbasierte Applikationen stehen allerdings noch am Anfang ihrer Entwicklung. In einigen Jahren allerdings werden sie zur grössten Konkurrenz für Metaframe und Co. werden und diese stark zurückdrängen.
Bis dahin jedoch können Citrix und die anderen SBC-Software-Hersteller von diesem Trend auch noch profitieren: Gerade kleinere Software-Hersteller können, statt selbst Web-Interfaces zu entwickeln, das gleiche Ziel schneller erreichen, indem sie Metaframe oder andere Produkte als OEM-Versionen mit ihren Aplikationen mitliefern. (hjm)


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