Ein Sesselkleber – so könnte der erste Eindruck vom abtretenden SWICO-Geschäftsführer Paul Brändli lauten. Doch der erste Eindruck täuscht. Denn auf den zweiten Blick offenbart sich das Ausmass seiner beruflichen Karriere: In den stolzen 25 Jahren, die Brändli für Hewlett-Packard (HP) gearbeitet hat, hatte er insgesamt rund 15 verschiedene Positionen inne. Begann er 1982 als Service-Leiter der Taschenrechner-Reparaturabteilung, hat er sich danach in all den Jahren schliesslich bis zum Operations Director und Geschäftsleitungsmitglied hochgearbeitet. «HP hat mir diese Chance gegeben, obwohl ich kein studierter Hochschulabgänger bin», zeigt sich Brändli dankbar. Trotzdem hat er sich nach 25 Jahren von HP verabschiedet. Der Grund: «Ich wollte nicht mehr so arbeiten, wie ich es am Schluss musste.» Der Trend vom Manager zum Verwalter, der einfach nur die Direktive aus den USA befolgt, ist mit Brändlis Charakter nicht vereinbar. «Wenn man hinterfragt hat, wieso man etwas so macht, hat es geheissen: ‹Weil wir so entschieden haben›. Das war eine Situation, die nicht unbedingt auf mich zugeschnitten war», bilanziert er. Er wolle selber entscheiden und diese Entscheidungen auch tragen, beschreibt er sich. Deshalb liess er sich mit 59 Jahren bei HP frühpensionieren. Weil er aber trotzdem nicht gar nichts tun wollte, landete Brändli schliesslich 2007 beim
Swico, dem Wirtschaftsverband für die digitale Schweiz.
Stetiger Wandel
Brändli scheint seine ganze berufliche Karriere davon getrieben worden zu sein, immer höher hinaus zu wollen: Angefangen bei seiner Lehre als Maschinenmechaniker, über seinen einjährigen Südafrika-Aufenthalt bis hin zu seinem Job bei Xamax, den er nur angenommen hat, um eine Weiterbildung zum Arbeitsvorbereiter machen zu können, fand er schliesslich bei Faselec den Einstieg in die IT. «Wir haben integrierte Schaltungen für die ersten digitalen Uhren entwickelt», so Brändli. Nach Südafrika zog es Brändli 1971 nach seiner Lehre denn auch nicht, um sich dort ein Leben aufzubauen, sondern um Englisch zu lernen. Das Geld für einen reinen Sprachaufenthalt fehlte aber und in Südafrika fand man als Schweizer problemlos einen Job. So kam es, dass Brändli für Siemens und BBC die Zugstrecke zwischen Christiana und Kimberley elektrifizierte. «Wir haben in Wohnwagen gelebt, sind damit den Schienen entlang gefahren und haben Schalträume, Verteilerkästen und Signale verdrahtet», erinnert er sich. Nach rund einem Jahr kehrte er wieder in die Schweiz zurück: «Mich hat die Situation der Apartheid extrem gestört. Es gab Bänke in Parks, Treppen oder Sitze im Zug mit der Aufschrift «for blacks only» oder «for whites only».» Damit konnte er nicht leben.
Bedeutung von Geld
Die Ursache für Brändlis Streben nach mehr dürfte in seiner Kindheit zu finden sein. Als Sohn nicht gut betuchter Eltern bekam er bereits in jungen Jahren die Bedeutung von Geld eingebläut. «Ich wusste, wo das Geld herkommt und wie viel ich ausgeben darf», so Brändli. Seine Eltern hatten ein Lebensmittelgeschäft. Da sein Vater invalid war, musste Brändli zusammen mit seiner Mutter und seinen zwei Schwestern im Laden mithelfen. Und weil das Geld knapp war, blieb Brändli eine akademische Laufbahn verwehrt. Etwas, das ihn dennoch nicht davon abgehalten hat, Karriere zu machen, wie sein eindrücklicher Lebenslauf zeigt – eine Tatsache, die ihn mit einer gewissen Genugtuung und Stolz erfüllt.
Das Vorwärtsstreben hat Brändli auch seinen Kindern vorgelebt. Eine gute Berufsbildung als Basis sowie Sprachen seien wichtig. «Man sollte sich immer weiterentwickeln und nie stehenbleiben», so Brändli. Dabei spiele es aber keine Rolle, was man mache – auch den beiden Söhnen hätten er und seine Frau die freie Wahl gelassen. Allerdings gibt er zu: «Als beim älteren Sohn klar wurde, dass er Geschichte studieren will, habe ich ihn schon gefragt, was er dann später damit machen wolle. Seine Antwort darauf war super: ‹Deine aktuelle Chefin Carly Fiorina – damals CEO von HP – hat auch Geschichte studiert.›»
Genug gearbeitet
So getrieben im beruflichen Umfeld, so ruhig scheint es Brändli im Privatleben zu mögen. Ende April 2012 gibt er die Geschäftsleitung des
Swico ab und wird sozusagen zum zweiten Mal pensioniert: «Mir fällt dieser Schritt leicht, da ich die Entscheidung aus freiem Willen und nicht aus Gesundheitsgründen oder auf Aufforderung anderer treffen konnte.» Brändli freut sich denn auch auf die Zeit danach: «Dann kann ich endlich das machen, was ich gerne mache. Ich fotografiere gerne und es gibt noch ein paar Sachen, die ich am Haus machen möchte. Ich habe während meiner beruflichen Karriere nie eine Auszeit genommen, ich mache diese also nun sozusagen am Schluss. Ich bin 63, habe genug gearbeitet und will jetzt das Leben geniessen», so Brändli. Und er fährt schmunzelnd fort: «In den vergangenen zwei Jahren haben meine Frau und ich immer Veloferien geplant und es hat jedes Mal geregnet. Das ist mühsam. Nun kann ich endlich nur noch Velo fahren, wenn es schönes Wetter ist.»
Paul Brändli
Aufgewachsen ist Paul Brändli zusammen mit seinen Eltern und zwei Schwestern am Goldbrunnenplatz in Zürich. Nach seiner Schulzeit absolvierte er eine Lehre als Maschinenmechaniker bei Micafil. «Ich war schon immer ein Bastler», erklärt Brändli diesen Entscheid. Er habe als Kind beim Uhrmacher jeweils die defekten Wecker geholt und versucht, diese wieder zum Laufen zu bringen. «Mein Vater hat immer gestaunt, wie ich verschiedene Produkte in ihre Einzelteile zerlegen und dann wieder richtig zusammensetzen konnte.» Bevor er während 25 Jahren für HP Schweiz tätig war, arbeitete Brändli für Siemens und BBC, Jungheinrich, Xamax und Faselec. Der 63-Jährige ist Vater zweier erwachsener Söhne und seit 36 Jahren verheiratet.
(abr)