Markus Gross - Der Animator
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Markus Gross - Der Animator

Eigentlich strebte Markus Gross keine akademische Karriere an. Nun leitet er an der ETH ein Labor, das für Disney Technologien für die Computergrafik und Animation entwickelt.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2010/09

     

«Disney ist Magie», schwärmt Markus Gross, ETH-Professor und Direktor des Labors Disney Research Zurich (DRZ). Auch er ist diesem Zauber verfallen. Schon in seiner Kindheit war der Erfinder Daniel Düsentrieb sein grosses Vorbild: «Ich habe als Kind sehr gerne technisch gebastelt.» Und Disney bestimmt auch heute noch seinen Alltag, wenn auch ein fast lebensgrosses Tiger-Stofftier und nicht Daniel Düsentrieb sein Büro ziert. Seit rund eineinhalb Jahren leitet der passionierte Motorradfahrer an der ETH Zürich das Disney-Research-Labor, wo er für den Unterhaltungskonzern zusammen mit seinem Team Technologien in den Bereichen Computergrafik, Animation und Wireless Communications entwickelt.
Im 2009 lancierten Film «The Princess and the Frog» etwa wurde für gewisse Szenen eine Technik eingesetzt, die am Zürcher Labor generiert wurde. «Wir haben uns mit Inbetweening befasst. Bislang wurde jedes einzelne Bild beim Trickfilm gezeichnet, mit unserer Technik muss man nun nur noch gewisse Bilder von Hand malen, den Rest dazwischen generiert der Computer», erklärt Gross. Ein weiteres aktuelles Thema sind menschliche Gesichter. Die Ambitionen sind hoch: «Wir wollen in der Lage sein, die menschlichen Gesichter zu messen, zu erfassen und naturgetreu zu animieren, so dass man sie nicht mehr von realen Gesichtern unterscheiden kann.»
Der Arbeitsalltag des Hobby­musikers ist durch viele Diskus­sionen mit den verschiedenen Geschäftseinheiten von Disney geprägt. «Meine Aufgabe ist es, zu erkennen, wo es technologische Lücken gibt. Zusammen mit meinen Senior Researchern transformiere ich die Erkenntnisse in Forschungsprojekte. Ich muss erkennen, welche Projekte dem Business etwas bringen», zeigt Gross auf. Gleichzeitig müssen die Projekte aber für die Forschung anspruchsvoll sein, da «wir auch publizieren und Patente anmelden wollen».

Akademischer Weg überzeugt

Die Forschung ist die grosse Passion des 47-Jährigen. Dabei strebte er ursprünglich keine akademische Karriere an. «Ich wollte eigentlich in die Industrie und hatte auch entsprechende Angebote», erinnert sich Gross. Da er aber 1989 mit 26 Jahren einer der jüngsten promovierten Ingenieure in Deutschland war, befürchtete er, in der Industrie nicht ernstgenommen zu werden und suchte eine Beschäftigung zwischen Industrie und Akademie. Das Angebot seines Doktorvaters, der in Darmstadt ein Institut für Computergrafik und Animation leitete, kam da wie gerufen. So trat Gross dem Computer Graphics Center für angewandte Forschung bei und baute 1991 die Visual Computing Group auf, welche er während vier Jahren leitete. Gleichzeitig erlangte er seinen Professortitel. Nach vier Jahren am Computer Graphics Center entschied sich der studierte Elektroingenieur definitiv für eine akademische Laufbahn. «Ich habe gemerkt, dass mir die Freiheit und die Kreativität, die man in der akademischen Forschung geniesst, am meisten Spass macht. Diese Aspekte sind mir wichtiger als irgendein Management-Job in der Industrie. Auch die Arbeit mit den Studenten gefällt mir sehr», begründet er seine Wahl.
Schliesslich erhielt er eine Professur an der ETH Zürich und kam in die Schweiz. Seine Aufgabe bestand darin, eine neue Forschungsgruppe – das Computer Graphics Labor – aufzubauen. ­Dies passte hervorragend, da sich Gross seit seiner Promotion insbesondere mit drei­dimensionaler Computergrafik, Computeranimation und Bildverarbeitung auseinandergesetzt hatte. Durch das Labor erweiterte Gross auch sein weltweites Netzwerk und baute Kontakte zu Disney auf.

Mangelware Freizeit

Gross arbeitet viel, «die Freizeit ist in den letzten drei Jahren leider zu kurz gekommen». Dafür hat er es geschafft, in Europa im Gebiet des Visual Computing, das bisher sehr Amerika-zentriert war, eine der in der Welt führenden Forschungsgruppen aufzubauen. Ein Umzug nach Amerika stand trotz der Fokussierung auf diese Region nie zur Debatte – trotz Stipendienangeboten. «Ich hatte damals schon zwei Kinder, die Stipendien hätten nie ausgereicht, um dort vernünftig zu leben», begründet der Dozent den Entscheid. Zudem: «Die Möglichkeiten an der ETH sind absolut vergleichbar mit den besten Plätzen der Welt.» Er sei zwischendurch mal einige Monate in Berkeley gewesen, liebe die Bay Area und sei sechs bis acht Mal pro Jahr in den USA. «So erlebe ich die USA auch. Ich kenne sie mittlerweile ganz gut, aber hier in Zürich fühle ich mich zu Hause», betont Gross.
Hätte er eine alternative Laufbahn eingeschlagen, wäre er wohl Architekt oder Berufsmusiker geworden. «Allerdings komme ich aus einer Musikerfamilie. Ich weiss also, dass Musiker ein harter Beruf ist.» Heute ist Musik ein Hobby des 47-Jährigen. «Ich spiele aber nicht in einer Band und keine Klassik mehr, sondern fast nur noch Jazz und Barpiano-Musik.» Zudem reist Gross, wann immer es die Zeit zulässt. «Am meisten fasziniert hat mich Asien, ich war oft in Korea und Japan und habe dort auch in buddhistischen Tempeln übernachtet.» Ausserdem sei er im Frühjahr auf dem Friendship-Highway von Lhasa nach Kathmandu gereist. «Das war eine der faszinierendsten Touren, die ich je gemacht habe.»

Markus Gross

Markus Gross wurde 1963 im Saarland geboren. Die Eltern des Einzelkindes waren beide teilberuflich Musiker. Nach dem Elektrotechnik-Studium an der Universität Saarbrücken und dem Doktorat in Bildverarbeitung und Computergrafik war er während vier Jahren für das Fraunhofer Institut tätig, wo er auch seinen Professortitel erlangte. Als er von der ETH Zürich eine Professur angeboten bekam, griff er zu. An der ETH baute er die Visual Computing Group auf. Zudem doziert er seit rund 20 Jahren. Seit zwei Jahren ist Gross zudem Leiter des Disney Research Teams, das für den Unterhaltungskonzern Technologien im Bereich der Computergrafik, Animation und Wireless Communication entwickelt. In seiner Freizeit spielt der Familien­vater Klavier, interessiert sich für Architektur und reist viel.


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