Ein Tag in der IT-Logistik
Quelle: Swiss IT Magazine

Ein Tag in der IT-Logistik

Die Logistik gehört zu den Kerndisziplinen jedes IT-Distributors – und keiner der grossen Schweizer Distributoren beherrscht sie wie Alltron. Doch was steckt hinter den sehr guten Bewertungen, die das Unternehmen im Rahmen des Disti Awards Jahr für Jahr erhält? Wir haben uns auf die Suche nach dem Erfolgsgeheimnis gemacht und einen Tag lang im Competec-Logistikzentrum in Willisau mit angepackt.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2023/06

     

Ich spüre eine gewisse Nervosität, als mein Wecker klingelt. Und das geht bestimmt nicht nur mir so, sondern auch den Mitarbeitenden im Competec-Logistikzentrum in Willisau, mit denen ich heute zusammenarbeiten werde. Wie sieht ihr Arbeitsalltag aus? Was geht in einem der grössten und modernesten Logistikzentren der Schweiz an einem normalen Donnerstag so ab? Wie schaffen es Alltron und die weiteren Competec-­Unternehmen, wirklich fast ausnahmslos pünktlich und schnell zu liefern? Und: Welchen Beitrag werde ich heute dazu leisten können? Fragen über Fragen, die ich im Rahmen einer Reportage beantworten möchte.

Während ich so langsam in die Gänge komme und bei herrlichstem Frühlingswetter im Zug von Langen­thal nach Willisau noch einmal meine vorbereiteten Fragen durchgehe, sind viele meiner heutigen Arbeitsgspändli bereits seit über einer Stunde an der Arbeit. Die Frühschicht im Competec-Logistikzentrum beginnt in der Regel bereits um 5.00 Uhr und dauert bis 14.00 Uhr, Pausen mit eingerechnet. Wer in der Spätschicht arbeitet, startet normalerweise um 13.00 Uhr und beendet seinen Arbeitstag um 22.00 Uhr.


Pünktlich hält der Regionalzug der BLS am Bahnhof Willisau, der sich seit meinem letzten Besuch vor vermutlich fast zehn Jahren stark verändert und vergrössert hat. Oder täuscht mich mein Gedächtnis? Auf jeden Fall gibt es nach wie vor keinen Bus ins Rossgassmoos. So nehme ich den knappen Kilometer zu Fuss in Angriff, auch wenn ich erwarte, heute definitiv noch ein paar zusätzliche Schritte zu machen.

Auf dem kurzen Spaziergang achte ich ganz bewusst auf den Verkehr – und werde enttäuscht. Ich hatte LKW um LKW erwartet, der Waren ins Competec-Logistikzentrum liefert oder Pakete abholt. Fehlanzeige. Vielleicht hätte ich dafür etwas früher aus den Federn müssen? Die einzigen Lastwagen, die mir begegnen, transportieren Vieh oder Spirituosen für den benachbarten Getränkeproduzenten. Und damit stehe ich bereits vor dem Eingang meines heutigen Arbeitsortes.

Ein riesiges Logistikzentrum wird noch grösser

Noch ist der Abholschalter zu, und ich stehe vor einer verschlossenen Ein­gangs­tür. Zum Glück erwartet mich Competecs PR-Manager Daniel Rei bereits, und gemeinsam gehen wir in der Betriebskantine kurz den Tagesplan durch. Dabei habe ich Gelegenheit, mich noch zu stärken und im grossen Früchtekorb für die Mitarbeitenden zu bedienen – wir wollen ja nicht, dass mir heute die Energie oder Kraft ausgeht.

Auf dem Weg zu meinem ersten Arbeitsplatz entdecke ich ein Znüniwägeli, das morgens seine Runden durch die verschiedenen Hallen dreht und sehr beliebt ist. Ich richte meinen Blick aber sofort wieder auf Daniel Rei, der mich die eine oder andere Treppe hoch und runter sowie diesen und jenen Gang entlang auf dem schnellsten Weg Richtung Wareneingang führt.


Der Wareneingang liegt, wie ich erst später bemerken werde, im Neubau, der im vergangenen Frühling nach vielen Jahren und Gerichtsprozessen eröffnet werden konnte. Nun haben bereits die Arbeiten für einen weiteren Ausbau begonnen. Das aktuelle Modul 5, das wir auf unserem Weg in den Waren­eingang passieren, wird aufgestockt. Darum liegt dieser Bereich momentan total Brack, eh brach natürlich. Eine riesige, leere Halle – ein wirklich einzigartiger Anblick in einem sonst sehr gut gefüllten Logistikzentrum.

Zwei Stockwerke werden aufgebaut, und eine neue, vierte Autostore-Anlage eingebaut. Es ist dies das erste grosse Bauprojekt unter der Leitung von Thomas Gasser, seit vergangenem Sommer neuer CEO von Competec Logistik. Am Nachmittag werde ich mich mit ihm noch ausführlich darüber und über viele weitere Themen unterhalten können (siehe Interview in der Print-Ausgabe). Zuerst heisst es nun aber mit anzupacken, sind wir doch inzwischen im Waren­eingang angekommen.

Kostenloses Fitness-Training in lärmigem Ambiente

Der erste, der mich unter seine Fittiche nimmt, ist Tobias Marti. Er ist Logistiker Wareneingang Einbuchen, Operations Inbound und organisiert mir direkt Stahlkappen-Überzieher. Sicherheit geht vor. Darum habe man kürzlich auch neue Tischabroller fürs Selbstklebeband angeschafft, meint er. Selbst blieb Tobias bis jetzt, zum Glück, unversehrt – abgesehen von der einen oder anderen kleinen Schnittverletzung durch Kartons. Gesund durch den Tag zu kommen, ist durchaus auch eines meiner Ziele, und so ziehe ich die nicht gerade eleganten und schweren Überzieher, die mir Tobias mit seinem Scooter bringt, natürlich sofort an. Sonst finde ich diese Scooter ja eher doof und zuweilen auch gefährlich, aber hier, im immer grösser werdenden Logistikzentrum, sind sie wirklich ein sehr praktisches Fortbewegungsmittel.

Apropos praktisch: Ich hätte Oropax mitbringen sollen. Es ist im Logistikzentrum zum Teil sehr laut, was auch Tobias erwähnt, der nun seit anderthalb Jahren hier in Willisau arbeitet. Ursprünglich hat er eine Lehre im Detailhandel gemacht, inzwischen aber als Quereinsteiger einen Narren an der Logistik gefressen. Berufsbegleitend bildet er sich aktuell deshalb noch zum Logistiker mit EFZ-Diplom weiter. Zur Competec-Gruppe gestossen ist Tobias, der in Willisau aufgewachsen ist, durch Kollegen, die nur Gutes über den Arbeitgeber zu berichten wussten. Und so ist es auch bei ihm, der geradezu ins Schwärmen kommt und meint, dass er noch nie einen so tollen Job hatte. Er ärgere sich eigentlich nur dann, wenn die Anlage mal streike und sich die Waren im Eingang stauen. Das sei zum Glück aber nur selten der Fall.


Während unserer kurzen Vorstellungsrunde hat Tobias nebenbei diverse Artikel eingelagert. Dabei fiel mir auf, wie schnell er in Navision, dem ERP der Handelsgruppe, arbeitet und wie genau er trotzdem kontrolliert, ob es sich um die richtige Ware handelt und die Stückzahlen stimmen. Das sei im Hinblick auf die ganzen folgenden Prozesse sehr wichtig, betont Tobias, der sich als nächstes einem ganzen Karton voller Hanteln widmet. Er braucht am Abend definitiv kein zusätzliches Krafttraining mehr. Mit ihrem Gewicht von knapp 25 Kilogramm passen die Hanteln gerade noch in den kleinen Behälter für das Autostore-­Kleinteilelager, den Tobias, sobald er den Artikel fertig «abgeschossen» hat, also die diversen Strichcodes gescannt hat, auf die Reise schickt. Über 130 dieser Behälter oder sogenannten Bins hat Tobias heute bereits gefüllt.

Trotz Hektik einen kühlen Kopf bewahren

Auf der nächsten Palette, die wir am Wareneingang holen, stapeln sich Produkte, die mir schon etwas näher sind als Hanteln, nämlich Grafikkarten und Komponenten sowie Zubehör für Gamer. Tobias kann sich übrigens nicht selbst aussuchen, was er einlagert, das wird ihm zugeteilt. So wird verhindert, dass sich jemand nur «schöne» Artikel und Aufgaben schnappt.

Zurück an seinem Arbeitsplatz drückt mir Tobias dann den Scanner in die Hand. Nun gilt es also definitiv ernst, und ich lege los – oder versuche es zumindest. Denn, wie könnte es auch anders sein, finde ich auf der Ver­packung keinen EAN-Code, den ich scannen muss. Das komme nur selten vor, meint Tobias, sei aber ein grosses Ärgernis. Das heisst nämlich, dass wir den Karton, also das Gebinde, so nicht direkt ins Mittelteilelager einlagern können, sondern erst öffnen und den Inhalt kontrollieren müssen. Nachdem wir das erledigt haben, folgt direkt die nächste Herausforderung: Wie soll ich die bereits angesprochenen Grafikkarten im Bin platzieren? Prompt entscheide ich mich für die falsche Variante. So würde der Behälter ein paar Meter weiter aussortiert, weil die maximal erlaubte Höhe überschritten wird und ihn die Roboter im Kleinteilelager so nicht automatisch einlagern und stapeln können.


Tobias gibt mir den wertvollen Tipp, im Zweifelsfall immer kurz das Messband zur Hand zu nehmen und die Ware wenn möglich ebenfalls immer rasch auf die Waage zu legen. Dank meinem Fehler lerne ich dafür auch noch den Bereich kennen, wo mein Behälter gelandet wäre, wenn wir ihn so weitergeleitet hätten. Dort erfahre ich, dass Bins auch schon mal aus maschinellen Gründen aussortiert werden, also wenn zum Beispiel ein Strichcode nicht gelesen werden kann.

Es ist wie verhext heute: Zurück am Arbeitsplatz folgt direkt der nächste Problemfall. Wir haben es mit Ware zu tun, deren Verpackung beschädigt ist. Das muss Tobias dem Einkauf in Mägenwil melden, der dann mit dem Absender Kontakt aufnimmt. Solche Fälle gebe es ab und zu. Was auch vorkomme sei, dass die Angaben auf dem Lieferschein nicht mit dem Ver­packungs­inhalt übereinstimmen. Man muss schon ganz genau hinschauen, auch weil laut Tobias zum Teil sehr «kreativ» verpackt wird.

Ich lerne: Die Aufgaben des Logistikers im Wareneingang sind vielfältiger als angenommen, erfordern einen gesunden Menschenverstand und vor allem auch eine schnelle Auffassungsgabe, damit Alltron und Co. ihr Lieferversprechen einhalten können. Denn stockt es im Wareneingang, stockt es im gesamten Lieferprozess. Ich als Neuling verspürte dadurch einen gewissen Druck. Tobias hingegen ist die Ruhe selbst und hat auch keine Angst davor, irgendwann durch eine Maschine ersetzt zu werden. Und falls doch, so würden ganz sicher neue, spannende Jobs entstehen, meint er.

Ein ehemaliges Parkgeschoss als Fernsehlager

Meine nächste Station ist das Flächenlager. Auf dem Weg dorthin komme ich an den Retouren vorbei, die ich fast übersehe, weil es tatsächlich nur sehr wenige sind. Unübersehbar ist dafür ein Raum, in dem Stapler parkiert, geladen und gewartet werden. Ich würde mir gerne einen ausleihen, ohne entsprechende Prüfung und Einführung wird das aber nichts. Rund 160 sind heute im gesamten Logistikzentrum unterwegs, in der Hochsaison vor Weihnachten beispielsweise sind es über 200.

Man kann sich an einem «normalen» Tag wie heute nur schwer vorstellen, wie es beispielsweise an einem Black Friday im Logistikzentrum in Willisau zu und her geht. Eine, die das ganz genau kann, ist Tamara Stirnimann. Sie ist seit Sommer 2021 für die Competec-Gruppe tätig und hat bereits einige Tage erlebt, an denen es aussergewöhnlich viel zu tun gab und auch Competec-CEO Martin Lorenz sowie Firmengründer Roland Brack schon mal in der Logistik mitwirkten.


Für sie sei es immer toll zu sehen, wie sich an Ausnahmetagen alle Abteilungen und Mitarbeitenden unterstützen würden, meint Tamara. Später werde ich noch erfahren, dass Geschäftsleitung und Verwaltungsrat durchaus richtig mit anpacken und ihre Präsenz in Willisau also nicht nur der Mitarbeitermotivation dient, dieser aber ganz besonders. Daneben gibt es laut Tamara jeweils noch die eine oder andere weitere Motivationsspritze oder Überraschung, auch wenn ausnahmsweise mal an einem Samstag gearbeitet werden müsse. Sonst geniesst sie, wie alle anderen Mitarbeitenden im Willisauer Logistikzentrum, ein «normales» Wochenende, bevor es dann am Montag, dem im Wochenverlauf der herausforderndsten Tag in der Logistik des Distributors und Onlinehändlers, jeweils gleich wieder voll zur Sache geht.

Bei Tamara, Gruppenleiterin Fläche, Operations Inbound, lagern besonders grosse Artikel, die nicht in eines der automatischen Lager passen. Also beispielsweise Leitern, grosse Teppiche oder neu auch Solar-Panels sowie natürlich Fernseher. Für die sehr beliebten und immer grösser werdenden Geräte – inzwischen scheinen 85 Zoll sehr hoch im Kurs – wurde vor einiger Zeit gar ein ehemaliges Parkgeschoss in ein spezielles TV-Lager umgewandelt. Wirklich eindrücklich zu sehen, was hier alles so steht und früher oder später in unseren Wohnzimmern landet. Das TV-Lager ist ebenfalls ein Geheimtipp für heisse Sommertage. Hier ist es laut Tamara nämlich immer angenehm kühl. Irgendwo im TV- oder Flächenlager versteckt sich ausserdem auch der laut Daniel Rei aktuell teuerste Artikel im Alltron-Sortiment, eine 139 Zoll grosse LED-Wall von LG für aktuell rund 37’500 Franken.

Von Windeln und Datenbrillen

Tamara mag die Dynamik des Onlinehandels. Zusammen mit ihrem Team kümmert sie sich auch um die sogenannten Schnelldreher. Dabei handelt es sich um Artikel, die sehr beliebt sind und stark nachgefragt werden, also mehrere Hundert Mal pro Woche in den Versand gehen. Bei Brack.ch sind beispielsweise Windeln der absolute Renner und schräg links vor Tamaras Leitstand, einem vergleichsweise eher ruhigen Plätzchen in den Logistikhallen, türmen sich Pampers bis zur ­Decke. Rechts daneben findet man den aktuellen Daydeal und um die Ecke steht Holzkohle. Die Grillzeit kann kommen. Schönes Wetter bedeutet übrigens weniger Arbeit im Logistikzentrum, während bei Regen und kaltem Wetter die Bestellungen nach oben schiessen. Für Tamara ist das ganz in Ordnung so. Sie mache lieber an einem schönen Tag früher Feierabend, erklärt sie mit einem Lächeln.

Tamara hat bereits als Teenagerin grossen Gefallen an der Logistik gefunden und sich deshalb entsprechend ausbilden lassen. Selbst hat sie zuletzt online einen 24er-Karton des Energydrinks Red Bull gekauft. Nicht etwa zur Arbeit, die halte sie genug auf Trab, meint sie, während sie mir das automatische Kassettenlager zeigt. Hier werden sehr, sehr grosse Artikel, beispielsweise Gartenlounges oder dergleichen, die selbst in der Fläche zu viel Platz beanspruchen würden, eingelagert. Zurück an Tamaras Arbeitsplatz gilt es für mich dann wieder ernst. Ich soll einen ihrer Mitarbeiter im Flächenlager begleiten. Da er allerdings gerade noch in der Pause ist, nehmen wir das ebenfalls zum Anlass, bei einem Kaffee kurz den Kopf durchzulüften.


Auf dem Rückweg aus der Pause frage ich Tamara, was in ihrem Job denn eigentlich der grösste Zeitfresser sei. Die Antwort kommt sofort: Langsamdreher. Also Artikel, die nicht so performen wie gewünscht und deshalb wieder aus- beziehungsweise eingelagert werden müssen. Das nehme viel Zeit in Anspruch, meint sie. Von Lieferanten wünschte sie sich derweil, dass sie ihre Waren besser packen, damit weniger umgepackt werden muss. Und ob es bei den Kunden wirklich immer eine Lieferung am nächsten Tag sein muss? Bestimmt nicht, aber manchmal, so Tamara, eile es auch bei ihr. Dann wähle sie bewusst diese Option.

Dann ist fertig gequatscht. Ich schnappe mir ein Trotti und folge dem Stapler von Tamaras Mitarbeiter. Dabei stelle ich fest, dass das Flächenlager deutlich grösser ist, als es auf den ersten Blick den Anschein macht. Ich bin ganz froh, muss ich mich nicht selbst durch die Regale lotsen. Gleichzeitig imponiert mir, wie rasch die Angestellten jeweils den korrekten Lagerplatz finden, um Artikel ein- oder auszulagern. Dabei nutzen sie seit mittlerweile zwei Jahren eine Datenbrille als persönlichen Assistenten. Picavi heisst sie, was für Pick-by-Vision steht, und hat die Arbeit im Competec-Lager deutlich komfortabler gemacht. Unter anderem deshalb, weil die Mitarbeitenden dank der Brille immer zwei Hände frei haben, was gerade im Flächenlager und bei der Arbeit mit grösseren Produkten sehr hilfreich ist. Befehle werden via Stimme übermittelt.

So richtig will mir die Arbeit mit der Picavi-Brille noch nicht gelingen. Tamara versichert mir aber, dass ich sie spätestens nach einem Arbeitstag nicht mehr aus der Hand geben würde, und ganz interessiert schaue ich den Profis zu, wie sie damit arbeiten. Mit voller Ladung und geführt durch die Datenbrille geht es dann zum Warenausgang beziehungsweise Sammelplatz oder Stückgut-Transport, wo ich am späteren Nachmittag noch vorbeischauen werde.

Roboter als moderne Heinzelmännchen

Vom Wareneingang und Flächenlager, wo Roboter eine Ausnahme sind, statte ich vor der Mittagspause noch einem der aktuell drei Autostore-Lager einen Besuch ab. Hier sind Hunderte von kleinen Robotern nahezu den ganzen Tag unterwegs, um Waren von A nach B zu transportieren und ein- beziehungsweise auszulagern. Auch hier treffe ich aber noch auf zahlreiche Menschen. Eine von ihnen ist Shqipe Muriqi, Gruppenleiterin Kommissionieren Autostore 3, Operations Outbound.

Shqipe hat erst gestern Abend zwei Produkte bestellt, die in ihrer Anlage gelagert werden könnten und wir vielleicht gleich noch antreffen werden: Ein neues Handy-Ladekabel für ihren Mann sowie Entkalkungspulver für die Wasch- und Spülmaschine. Sie arbeitet bereits seit 30 Jahren, als sie damals in die Schweiz kam, in der Logistik und ist seit Frühling 2021 für die Competec-Gruppe tätig. In der Logistik gefalle es ihr, die mit 30 berufsbegleitend noch erfolgreich eine Lehre zur Logistikerin absolvierte, sehr gut, wie sie mir erklärt. Mit leuchtenden Augen zeigt mir Shqipe ausserdem ihren Arbeitsplatz, und ich muss sagen, dass ich sie schon ein bisschen beneide. Durch die grosse Fensterfront hinter ihrem Schreibtisch hat sie einen tollen Blick nach Draussen ins Grüne. Einfach toll. Viel Gelegenheit gebe es aber tatsächlich nicht, um den Blick mal länger schweifen zu lassen, gesteht sie mir. Umso mehr geniesse sie die kurzen Momente. Was mir auffällt ist, dass es eigentlich im ganzen Logistikzentrum sehr viele Fenster und dementsprechend Tageslicht gibt.


Shqipe ist ein richtiger Teamplayer. Als ihr wichtigstes Arbeitsinstrument bezeichnet sie denn auch nicht die vielen Roboter, sondern ihre je nach Auslastung bis zu 40 Mitarbeitenden, die an den verschiedenen Arbeitsstationen sitzen oder besser gesagt stehen und um deren ausgeklügelt aufgebauten Karton-Türme ich einen grossen Bogen mache, um sie ja nicht umzustossen. Diese vorgefertigten Kartons stammen aus einer völlig autonomen Karton-Herstellungsmaschine, die sich in einem gegenüberliegenden Gebäudekomplex befindet, und landen letztendlich dann bei uns Kunden – hoffentlich gefüllt mit den richtigen Inhalten. Handelt es sich dabei um Kleinteile, so ist die Chance gross, dass Shqipe und ihr Team sie verpackt haben.

Weil die Autostore-Roboter keine Pausen benötigen und alle 15 Minuten neue Bestellungen anliefern, die einzupacken sind, müssen die Arbeitsstationen dauernd besetzt sein. Shqipe hat dafür einen ausgeklügelten Pausen- und Mittagsplan erstellt, an den sich ihr Team strikte halten muss. Über die Roboter-Hilfe ist sie übrigens sehr froh, unter anderem auch deshalb, weil sie bereits über Nacht Bestellungen aus dem aktuell fast zu 100 Prozent gefüllten Kleinteilelager vorbereiten können und man bei Schichtantritt morgens um 5.00 Uhr so sofort mit der Arbeit loslegen kann und nicht erst noch auf die Warenanlieferung warten muss.

Bis zu 1000 Bestellungen pro Tag und Mitarbeiter erledigt Shqipes Team. Dabei werden sie seit ein paar Monaten von zwei weiteren Robotern mit den Namen Sophie 1 und 2 unterstützt. Die Maschinen aus dem Hause Nomagic führen den ganzen Tag über Aufträge und Artikel aus allen drei Kleinteile­lagern zusammen und bereiten diese automatisch für den Versand vor. Es ist spannend zu beobachten, wie sie arbeiten. Scheinbar tun sie das aber wie wir Menschen auch (noch) nicht ganz fehlerfrei und benötigen einen Techniker, der sich rund um die Uhr um sie kümmert. Nicht auch deshalb hat Shqipe keine Angst, dass Roboter schon bald ihren Job übernehmen werden.

Ich warte und stopfe

Auf geht’s. Shqipe logt sich an einer Arbeitsstation ein und zeigt mir, was zu tun ist. Ich könne fast nichts falsch machen, meint sie. Ich atme innerlich auf und bin sehr gespannt, ob ich gleich ein Produkt antreffen werde, das Tobias und ich zusammen eingelagert haben. Unter fachkundiger Anleitung erledige ich erst eine Toner-Bestellung und zähle anschliessend fleissig Büromaterial ab. Der Lärm stört mich hier deutlich weniger als im Wareneingang, ist jedoch ebenfalls präsent. Eine Ausrede dafür, dass ich mich beim Abreissen und Anbringen von Klebeetiketten wirklich sehr ungeschickt anstelle, ist er allerdings nicht. Die Roboter werden sicher schon ungeduldig...

So langsam stellen sich dann erste Erfolge ein, und ich finde Gefallen an der Arbeit. Wäre da nur nicht mein verletztes Handgelenk, das sich nun meldet. Ihm gefällt die Arbeit und insbesondere das Entnhemen der Waren aus den Bins nicht sooo gut. Darauf angesprochen meint Shqipe, dass es Mitarbeiter gebe, die entsprechende Schoner tragen oder in akuten Fällen für einige Tage nur Briefpost erledigen. Hätte ich nur daran gedacht. Nun heisst es auf die Zähne beissen und für einmal warten, denn die Roboter streiken. Offenbar hängen die nächsten Bins irgendwo fest. Shqipe nimmt den Telefonhörer in die Hand, will sich in der Technik melden, und siehe da, die neuen Behälter treffen bereits ein.


Ein Paket um das andere schicke ich in die Schnellverpackung. Dort erhalten die Kartons automatisch ihren ­Deckel aufgepresst und die Versandetiketten. Aber aufgepasst: Ich kann nicht einfach ohne Weiteres alle Kartons weiterleiten und benötige unter Umständen noch Füllmaterial oder spezielle Verpackungen, für Flaschen beispielsweise. Es gibt zudem auch Pakete beziehungsweise Inhalte, die speziell verarbeitet werden müssen und nicht in die Schnellverpackung dürfen. Kartoffel-Chips oder Glühbirnen werden zum Beispiel manuell verpackt und die Kartons im Warenausgang «gestopft». Für Festplatten gibt es ebenfalls spezielle Vorgehensweisen. Ein gesunder Menschenverstand und ein aktives Mitdenken sind also auch hier Pflicht, damit alles heil bei uns ankommt. Damit geht es in die Mittagspause.

Nach der Mittagspause wird gesammelt

Gestärkt durch ein leckeres Rinds-Geschnetzeltes mit Reis sowie einen kleinen Salat aus der hauseigenen Kantine mache ich mich kurz vor 13.00 Uhr auf zum Interview mit Thomas Gasser, mit dem ich mich in der Mittagspause bereits kurz austauschen konnte. Im Anschluss geht es direkt in den Warenausgang. Hier ist am Nachmittag viel los, wobei Luca Rothenberger, Gruppenleiter Stückgut, Warenausgang, mir erklärt, dass es heute eigentlich sehr, sehr ruhig sei.

Luca, der bei Brack.ch zuletzt doch tatsächlich WC-Papier bestellt hat, blickt auf ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium zurück und arbeitet seit mittlerweile drei Jahren im Unternehmen. Er liebe es, Lösungen zu finden, meint er, der viel in Kundenkontakt ist. Und tatsächlich kommt direkt jemand auf ihn zu, der Unterstützung benötigt. Gekonnt verweist er ihn an die richtige Stelle und fokussiert sich sofort wieder auf mich. Als Erstes zeigt mir Luca den Sammelplatz, also den Ort, wo Artikel aus den verschiedenen Lagern zusammenkommen und versandfertig gemacht werden. Heute sieht es hier ganz ordentlich aus. Während der Coronapandemie, die Luca im Competec-Logistikzentrum hautnah miterlebt hat, sei das ganz anders gewesen. Der Sammelplatz sei da quasi «explodiert». Deshalb werden grössere Objekte wie Fernseher heute wenn möglich erst just-in-time angeliefert.


Im Warenausgang treffe ich gleich anschliessend auf eine Maschine, die individuelle Kartons herstellt. Zusammen mit einem Mitarbeiter vermesse ich einen Artikel, der nicht in eine Standardverpackung passt und in wenigen Sekunden haben wir den passenden Karton dafür. Als nächstes stoppen wir bei den Sperrgutstationen, wo besonders grosse Artikel wie beispielsweise die bereits mehrfach erwähnten, immer grösseren Fernseher versandfertig gemacht werden. Dabei ist es wichtig, dass diese stehend geliefert werden. Um dies als Empfänger überprüfen zu können, gibt es inzwischen ein Shock-Watch-Siegel.

Die Mitarbeiter in dieser Abteilung, die Waren mit bis zu 40 Kilogramm und mehr herumbugsieren müssen, beneide ich keine Sekunde. Zum Glück gibt es für sie mittlerweile zumindest teilweise maschinelle Unterstützung. Eine solche Maschine, die ich antreffe und notabene Ergo Pack heisst, hilft bei der Fixierung von Paketen und Geräten auf Paletten. Dabei müssen sich die Mitarbeiter nicht mehr auf den Boden legen. Eine andere Maschine, die man vom Flughafen kennt, wickelt alles automatisch in Folie ein.

NAS aus der JVA und Lieferungen in Säcken

Weiter geht es auf meiner Tour durch den Warenausgang in den Bereich, wo Sammelbestellungen für andere Online-Shops für den Versand vorbereitet werden. Hier steht ein riesiger Touch-Screen, an dem auch ich mich kurz versuchen darf und sofort merke, warum der Bildschirm so gross ist: Sammelbestellungen bestehen nämlich aus x Positionen, und es ist gar nicht so einfach, hier den Überblick zu behalten und die bestellte Ware pünktlich für den Versand zusammen zu kriegen. Hut ab vor den dafür zuständigen Mitarbeitern.

Im Warenausgang stosse ich gleich anschliessend noch auf zwei weitere, spannende Bereiche. In einer Ecke lese ich in grossen Lettern JVA, und tatsächlich stehen die drei Buchstaben für Justizvollzugsanstalt. Wie mir Luca erklärt, assemblieren Inhaftierte der JVA Lenzburg im Auftrag der Competec-Gruppe unter anderem NAS von verschiedenen Herstellern, die dann hier im Warenausgang ankommen, nochmal überprüft und anschliessend versandbereit gemacht werden. In einer anderen Ecke des Warenausgangs stosse ich auf den Büromaterial- und Bürobedarf-Spezialisten Schoch Vögtli, eines der neuesten Competec-Familienmitglieder. Interessanterweise werden die Bestellungen hier nicht in Kartons, sondern in wiederverwendbare Säcke verpackt, sogenannte Logbags. Diese werden auch nicht mit der Post oder anderen Spediteuren, sondern von einer eigenen LKW-Flotte transportiert.


Ganz zum Schluss entdecke ich im Warenausgang dann noch eine Mitarbeiterin, die damit beschäftigt ist, Geschenke zu verpacken. Artikel, für die man diese Versandoption wählt, werden also tatsächlich noch von Menschenhand in Geschenkpapier gewickelt und mit Schleifen versehen. Dazu steht meterweise Papier in verschiedenen Farben und Mustern zur Verfügung.

Ein Geheimnis bleibt offen

Ziemlich erschöpft und voller Ein­drücke liefert mich Luca ein paar Minuten später am Empfang des Competec-Logistikzentrums ab. Am Abholschalter herrscht nun, kurz nach 16.00 Uhr, bereits reger Betrieb. Ich habe Glück und finde trotzdem noch einen Sitzplatz. Sitzen. Genau das muss ich jetzt unbedingt. Ich war eigentlich den ganzen Tag auf den Füssen. Das bin ich sonst nur ganz selten. Ein Blick auf mein Smartphone zeigt, dass ich zudem bereits über 10'000 Schritte sowie mehr als 8 Kilometer zurückgelegt habe.

Als ich mich gesammelt habe und auf den Nachhauseweg machen möchte, stelle ich fest, dass ich die Stahlkappen-Überzieher noch an habe. Die hätte ich doch tatsächlich fast mitgenommen. Zum Glück kann ich sie direkt hier am Empfang retournieren. Dabei resümiere ich, dass es erstens ein unfallfreier Tag war – bei meinen zwei linken Händen durchaus ein Erfolg. Andererseits habe ich heute viele, also eigentlich nur wirklich sehr aufgestellte, motivierte, mitdenkende und tolle Menschen kennengelernt, die täglich dafür sorgen, dass nicht nur All­tron-, sondern auch alle weiteren Competec-Kunden, ihre Bestellungen in den allermeisten Fällen pünktlich und zur vollsten Zufriedenheit erhalten. Sie sind es, die zusammen mit verschiedensten Innovationen und stetigen Investitionen der ganzen Firmengruppe das Geheimnis des Erfolgs von Alltron und den weiteren Competec-Firmen in Sachen Logistik ausmachen.


Dieses Geheimnis konnte ich also lüften. Für ein weiteres, nämlich das der Willisauer Ringli, reicht es heute dann zeitlich leider doch nicht mehr. Mein Zug, den ich unbedingt erreichen muss, wartet nämlich bereits, und so verschiebe ich den geplanten Besuch im Ursprungshaus der Guetsli. Ich hätte schneller arbeiten sollen, denke ich schmunzelnd, während ich bereits in meinem Abteil sitze und erneut durch die wunderbare Luzerner Landschaft fahre. Der Kreis schliesst sich und ein spannender Arbeitstag geht zu Ende. (mv)


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