Das intelligente Zuhause als Goldgrube
Quelle: SITM

Das intelligente Zuhause als Goldgrube

Alles wird heute vernetzt, vom PC über den Fernseher bis hin zur Waschmaschine. Diese wachsende Heimvernetzung und der Trend hin zum Smart Home eröffnet dem Schweizer IT-Fachhandel grosse Chancen, glauben sowohl der Hersteller Digitalstrom, der Distributor Alltron als auch der Telekomspezialist Swisscom. Zudem nehmen sie im Roundtable-Gespräch mit «Swiss IT Reseller» die Elektro-Installateure, Planer und Architekten in die Pflicht und verraten, welche Rolle sie selbst im boomenden Markt spielen wollen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2015/07

     

Swiss IT Reseller: Wie intelligent oder vernetzt ist Ihr Zuhause, Herr Oehy?
Rudolf Oehy, Swisscom:
Da wäre zum einen der ganze Telekommunikations- und Multimedia-Bereich, angefangen bei einer Ethernet-Installation, über den Router, eine Internet-Box, bis hin zum Fernseher und dem PC, die alle vernetzt sind. Zudem habe ich einen NAS-Server installiert, um Fotos zu speichern und auf dem TV anzuschauen. Und selbstverständlich nutze ich Swisscom TV.


Bei Ihnen, Herr Vesper, sieht es vermutlich etwas anders aus?
Martin Vesper, Digitalstrom:
Ja, ich habe tatsächlich etwas mehr vernetzt. Ich besitze ebenfalls einen Breitbandanschluss, und zwar in jedem Raum. Weil es ein älteres Haus ist, nutze ich dazu eine Casacom-Lösung, also polymere optische Fasern, kurz POF. Darauf bauen bei mir Dienste wie Apple TV oder Amazon Fire auf – ich habe kein klassisches Kabel-TV mehr. Insgesamt zähle ich zuhause momentan etwa 120 mit Digitalstrom vernetzte Geräte. Das sind zum Beispiel Leuchten, Taster, Jalousien oder Smart Meter. Aber auch die Heizungssteuerung gehört dazu, und natürlich verschiedene Audiogeräte. Zudem besitze ich sogar einen vernetzten Teekocher und eine vernetzte Spülmaschine. Zur Bedienung kann ich das Smartphone oder Taster nutzen, ich bevorzuge aber die Sprachsteuerung, weil sie in meinen Augen der natürlichste und schnellste Zugang ist. Vieles ist jedoch automatisiert, wie beispielsweise die Aussenbeleuchtung. Das heisst, ich muss mich gar nicht mehr darum kümmern.

Es ist also so ziemlich alles vernetzt, was momentan geht?
Martin Vesper:
Das kann man so sagen. Und das wie erwähnt alles in einem älteren Haus, das rund 30 Jahre auf dem Buckel hat – und ohne grössere Baumassnahmen.

Und was trifft man bei Ihnen Zuhause an, Herr Weiler?
Markus Weiler, Alltron:
Ich besitze zum Beispiel eine spezielle Pflanzenbewässerung. Die misst, wie es der Pflanze geht und ich werde per E-Mail darüber informiert, wann ich düngen muss oder ob es gerade zu viel Schatten oder Sonne hat. Ich habe ausserdem eine Alarmanlage, die vernetzt ist, und die ich von unterwegs steuern kann. Ich weiss damit, wer sich im Haus befindet, wer kommt und wer geht. Ich habe weiter eine klassische Sternverkabelung (CAT7) neu eingezogen und gleichzeitig auch Audiokabel verlegt. Ich bin sehr audiophil und gewisse Dinge sind heute über Wireless leider immer noch nicht mit Genuss anzuhören. Weiter existieren auf allen Etagen ein Wireless- und ein Dect-Netz für die Telefonie, ich setze einen NAS-Server ein und habe eine Beleuchtungslösung von Philips Hue.

Würden Sie sich als typischen Kunden bezeichnen, wenn Sie den Schweizer Markt betrachten?
Markus Weiler:
Nein, ich glaube nicht, dass ich zu den typischen Kunden gezählt werden kann. Wir haben bei Alltron etwas mehr als 70'000 Produkte an Lager. Ich arbeite im Einkauf und bekomme die verschiedenen Trends in der Regel sehr früh mit. Ich weiss, was im Markt geht, und es gibt immer wieder Produkte, die ich faszinierend finde und ich einfach testen beziehungsweise integrieren muss.


Und Sie verfügen vermutlich auch über genügend technisches Wissen?
Markus Weiler:
Im Nachrüstmarkt kommen momentan sehr viele neue Smart-Home-Produkte auf den Markt, die sich sehr einfach integrieren lassen und kein grosses Know-how erfordern, für die man also nicht unbedingt einen Installateur braucht. Aber ich bin technisch schon versiert, da haben Sie Recht. Von dem her bereiten mir die verschiedenen Installationen kaum Schwierigkeiten.

Herr Oehy, teilen Sie diese Einschätzung von Herrn Weiler?
Rudolf Oehy:
Also ich würde auch nicht behaupten, dass Herr Weiler in dem Bereich, über den wir diskutieren, der typische Schweizer Kunde ist. Das bin vielleicht eher ich, wenn ich mich in meinem Umfeld umschaue oder umhöre. Der Grossteil nutzt nämlich wie ich nur Telekommunikations- und Multimedia-Lösungen. Ein Teil setzt vielleicht noch auf Überwachungslösungen, aber das ist es dann. Interessant ist, dass Eigentumsbesitzer oft einen Mehrwert in der Heimvernetzung sehen, ein Mieter sich jedoch fragt, weshalb er investieren soll. Und der Vermieter wird solche Investitionen vermutlich eher nicht machen. Ich denke das ist das Grundproblem.


Es braucht also noch eine gewisse Überzeugungsarbeit?
Rudolf Oehy:
Wir können leider nicht oder nur selten auf der grünen Wiese beginnen. Die Häuser und Hausinstallationen stehen in der Regel bereits. Letztere sind oft schon ziemlich alt und damit nicht unbedingt bereit für die neue digitale und vernetzte Welt. Wenn wir solche Kunden besuchen, und über eine Modernisierung der Hausinstallation sprechen, dann braucht es tatsächlich gute Begründungen und auch ein bisschen Überredungskunst – bereits um nur ein paar Hundert Franken in die Hand zu nehmen. Und dazu kommen dann ja noch die Kosten für Komponenten und Produkte. Ich denke aber, das Smart Home wird kommen, daran führt kein Weg vorbei, es braucht jedoch noch Zeit.

Das Smart Home ist in der Schweiz also noch nicht angekommen?
Markus Weiler:
Wir spüren aktuell einen grossen Trend hin zum Smart Home, insbesondere bei der jüngeren und sehr IT-affinen Generation. Ich glaube, der Mensch ist per se bequem, sehr neugierig und probiert gerne mal etwas Neues aus. Und genau dafür eignet sich das Smart Home. Hinzu kommt, dass die Kaufkraft hier in der Schweiz etwas höher ist als in anderen Ländern. Deshalb wird schneller etwas nachgerüstet oder vielleicht bereits beim Bau überlegt, wie und was man machen kann. Natürlich wird eine grosse EIB/KNX-Steuerung vermutlich trotzdem nicht so schnell zum Standard. Doch wenn wir von einer Preisspanne von 5000 bis 10'000 Franken sprechen, dann glaube ich, ist der Kunde schon bereit, zu investieren – wenn die Lösung ihm das Leben wirklich einfacher macht. Ich bin beispielsweise sehr froh, muss ich mir in den Ferien keine Gedanken mehr darüber machen, ob meine Pflanzen gegossen werden oder nicht. Dafür war ich sofort bereit etwas auszugeben.


Wie sieht man bei Digitalstrom den Schweizer Markt? Und wie sieht Ihr typischer Kunde aus?
Martin Vesper:
Im digitalen Zeitalter gibt es meiner Ansicht nach keinen typischen Kunden mehr. Ich kann heute zwar dasselbe Smartphone besitzen, aber letztendlich völlig andere Anwendungen nutzen. In der Heimvernetzung ist das ähnlich, auch hier gibt es ein System und sehr viele verschiedene Anwendungen, die damit bereitgestellt werden können. Wo wir am Markt stehen? Ich denke, wir sind in der Schweiz noch in einem frühen Marktstadium oder bei den Early Adopters, wenn wir von der Adaption von neuen Technologien auf der Innovationskurve sprechen – mal abgesehen von der Multimedia-Vernetzung. Ich glaube, da sind wir schon weiter.

Können Sie Zahlen nennen?
Martin Vesper:
Ich denke, wir reden beim Thema Heimvernetzung und Smart Home von momentan etwa zehn bis zwölf Prozent der Bevölkerung. Dabei muss beachtet werden, dass es sich um ein Familienprodukt handelt. Ein Smartphone besitzt in der Regel eine Person und wird auch nur von einer Person genutzt. Ein Smart Home ist für die ganze Familie und muss alle Welten unterstützen. Wir erkennen jedoch, dass die Digitalisierung und alle Werte, die damit zusammenhängen, wie Spontaneität und Flexibilität, ein immer grösseres Bedürfnis sind, und auch in das Haus einziehen. Viele wollen diese Vorzüge nicht mehr an der Haustüre abgeben. Welche Funktionen und Produkte es dann am Ende sind, die genutzt werden, das hängt von persönlichen Präferenzen ab, und die sind sehr unterschiedlich – machbar ist heute aber fast alles.


Sie haben vorhin das Problem der noch zu hohen Investitionskosten angesprochen, Herr Weiler. Wie sehen die anderen Gesprächsteilnehmer das?
Rudolf Oehy:
Die Rentabilität ist immer wieder ein Thema. Es ist wie erwähnt nicht so einfach, Kunden davon zu überzeugen, in die Heimvernetzung zu investieren, wenn sie keinen Mehrwert sehen.

Martin Vesper: Man kann die Sache durchaus auch anwendungsbezogen anschauen – und dann auf eine Technologie wie die unsere setzen, die wie erwähnt wenig Investitions- und Baukosten mit sich bringt. Für uns sind aber nicht nur Eigenheimbesitzer, sondern auch grössere Überbauungen ein grosser Markt. Ich stelle mir vor, dass man in Zukunft nicht mehr nur Wärme, Wasser und Strom liefert, sondern auch alles für das digitale Leben. Wir stehen hier zwar erst am Anfang, aber es ist bereits eine grosse Gruppe da, die nach solchen Produkten fragt.


Markus Weiler: Ich glaube, man muss unterscheiden, wo und wann der Kunde beginnt, sich für das Thema zu interessieren. Es wird heute zum Beispiel kaum mehr ein Haus gebaut, in dem man nicht auf LED-Beleuchtung setzt. Die Technologie ist mittlerweile auf einem Preisniveau, das man bezahlen kann. Und auch das aktuell rund 230 Franken teure Philips-Hue-Startpaket, das 2013 eingeführt wurde, hat sich innerhalb kürzester Zeit über eine Million Mal verkauft. Es ist so, wie ich es bereits gesagt habe: Wenn der Kunde einen Sinn darin sieht, ist er sofort bereit zu investieren.
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Martin Vesper: Das ist der Punkt: Die Produkte sind eigentlich erschwinglich und das Geld vorhanden. Wir könnten an jedem Auto, das herumfährt, locker ein paar Extras rausstreichen, und damit ein komplettes Smart Home finanzieren. Die Frage ist, wofür man sein Geld lieber ausgibt. Wir stehen beim Smart Home im Wettbewerb mit dem Auto und dem Reisen, aber auch mit Dingen wie Design-Ausstattungen. Bei Digitalstrom treten wir weniger gegen andere Smart-Home-
Anbieter an, sondern kämpfen viel mehr gegen die etwas teurere Bade-Armatur oder die etwas teurere Fliese.

Führt Alltron eigentlich Produkte von Digitalstrom in seinem Sortiment?
Markus Weiler:
Noch nicht, wir sind aber in Gesprächen. Unser fünfköpfiges Team, das sich ausschliesslich um das Thema Smart Home kümmert, steckt momentan ausserdem auch noch mit vielen anderen Herstellern im Gespräch. Wir kennen den Wettbewerb und die wichtigsten Hersteller.

Sie sprechen es an: Es gibt viele Hersteller – und leider auch viele Standards. Ist das ein Problem für Kunden? Und wie sieht das bei Ihren Partnern aus?
Rudolf Oehy:
Ich denke, bei den Kunden ist das kein Thema. Sie interessiert es nicht, was dahinter steckt. Sie wollen einfach eine Lösung, die funktioniert. Bei den Vertreibern oder Installateuren ist es hingegen schon ein Problem und meiner Erfahrung nach nimmt man dann meistens das Produkt, das gerade marktführend ist. Irgendetwas wird sich am Ende durchsetzen. Herr Weiler hat mit EIB/KNX eine Lösung angesprochen, die das Potential hat. Aber wie gesagt, für den Endkunden, also wirklich den Enduser, für den sollte das eigentlich kein Thema sein.


Markus Weiler: Ich habe erst im vergangenen Oktober gebaut und dabei festgestellt, dass wir momentan zwar gerade einen Bau-Boom haben, das Niveau des Fachwissens bei den Elektro-Installateuren in den Bereichen Heimvernetzung und Smart Home jedoch noch vergleichsweise ausbaufähig ist. Wie bereits erwähnt, ich bin vielleicht nicht gerade der typische Anwender und gut informiert, aber das Problem besteht.

Rudolf Oehy: Da sprechen Sie mir aus dem Herzen.

Markus Weiler: Welche Technologien gibt es auf dem Markt? Was kann ich miteinander kombinieren? Was soll ich beim Kunden installieren? Es gibt ein paar spezialisierte Firmen, meistens die grösseren, die können diese Fragen kompetent beantworten und die verstehen etwas davon. Aber der
Dorfelektriker, der versteht die Materie leider noch zu wenig.


Martin Vesper: Darum setzen wir auf bestehenden Standards auf, die dem Elektriker bekannt sind. Damit ist für den Kunden eine Interoperabilität gegeben, und die interessiert ihn durchaus. Er will wissen, ob die neue Lampe, die er kaufen möchte, mit seiner Philips Hue zusammenarbeitet. Er möchte auch nicht gezwungen werden, nur von einem Hersteller Geräte einzusetzen – das ist aktuell übrigens auch nicht möglich. Samsung kommt dem zwar sehr nahe, aber 100 Prozent gibt es auch hier noch nicht.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Elektrikern gemacht, Herr Vesper?
Martin Vesper:
Der Elektriker ist von seiner Ausbildung her auf 230-Volt-Installationen spezialisiert und das ist auch richtig so. Ich habe nicht die Erwartungshaltung, dass sein Wissen da deutlich darüber hinausgeht. Der Bedarf an IT-Know-how ist in der Schweiz aktuell nämlich so gross, dass jeder Elektriker, der in der Richtung fit ist, sehr schnell von einem der Unternehmen hier am Tisch ein Angebot erhält, doch bei ihm zu arbeiten. Es liegt also an uns, dass die Systeme eine Komplexität behalten, die für jeden machbar ist, nur so kann man tatsächlich einen Massenmarkt erreichen.


Und wenn das nicht möglich ist? Wer schliesst dann die Wissenslücke?
Martin Vesper:
Wie gesagt, man muss unbedingt versuchen, alles möglichst einfach zu halten, damit die Grundlage ins Haus kommt. Was die Inbetriebnahme und Programmierung betrifft, ist das Involvement des Kunden sehr hoch. Das ist ein Effekt des digitalen Lebens. Der grosse Teil der Anwender macht es heute lieber selber, nicht zuletzt weil es die Systeme ermöglichen. Das wird auch so bleiben. Klar wird es immer auch Kunden geben, die es lieber machen lassen. Das ist vollkommen in Ordnung und natürlich wird es entsprechende Dienstleistungen geben. Wer diese Dienstleister sein werden, das wird man sehen. Hier stellt sich die Frage, ob es sich beim Produkt um Elektrik mit einem Computer, die ein Elektriker verkauft, oder einen Computer mit Elektrik handelt, den ein klassischer IT-Händler anbietet.

Was ist Ihr Produkt, mehr Computer oder Elektrik?
Martin Vesper:
Unser Produkt ist beides. Von der Ausbildung her glaube ich aber, dass der Dienstleister eher aus der Computerwelt kommt beziehungsweise kommen wird und sich dann die elektrische Qualifikation zur Hilfe nimmt. Das Grundverständnis für Systeme wie das unsere ist für jemanden aus der IT trivial. Aber auch jeder Elektriker kann unser System installieren und in Betrieb neben, wir bieten auch Schulungen an.


Herr Oehy und Herr Weiler, Sie sehen das etwas anders, wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe. Ihrer Meinung nach müssen Elektriker ihre Rucksäcke unbedingt noch besser füllen.
Rudolf Oehy:
Das Problem liegt nicht nur bei den Elektrikern, die sich mit dem Thema Heimvernetzung noch nicht auseinandergesetzt haben. Es beginnt eigentlich bereits bei den Architekten und Planern. Ich kenne Überbauungen, die in den letzten beiden Jahren entstanden sind, bei denen auf klassische Standards gesetzt wurde und die Grundlagenverkabelung, die man heute eigentlich benötigt, nicht vorhanden ist. Auch hier arbeitet man noch zu wenig zukunftsgerichtet. Aber nicht, dass man mich jetzt falsch versteht: Nicht alle, aber halt doch noch einige Unternehmen, setzen nach wie vor auf eigentlich veraltete Technologien.

Martin Vesper: Ich würde sagen 80 bis 85 Prozent tun dies noch. Warum? Weil wir beim Smart Home einen grossen Unterschied zu anderen Produkten haben, und das hat nichts mit dem Elektriker oder Architekten zu tun. Das Smart Home entsteht individuell. Das Phänomen ist, dass nicht ein komplettes Produkt irgendwo reingebracht wird, sondern dass das erst entsteht. Zudem kann ich heute noch nicht die Erwartungshaltung haben, dass bereits alle soweit sind, wie ich es möchte. Überall, wo man die grosse Masse braucht, hat man zu Beginn das Thema, dass viele noch nicht da sind, wo sie sein sollten.


Markus Weiler: Wir sind ein Distributor für IT-, CE-, Telekommunikations- sowie Elektro- und Home-Automations-Produkte und zählen rund 6000 Händler, und zwar längst nicht nur IT-Fachhändler. Deshalb kenne ich alle Berufsgruppen relativ gut. Und ich stelle fest, dass wir ganz klar Schulungen machen müssen – was wir auch tun. Wir führen zum Beispiel interne Schulungen durch, in denen wir genau auf die angesprochenen Probleme eingehen. Aber der Fachhandel muss dann schon auch selber noch etwas tun, und da zähle ich die Elektriker beziehungsweise Elektro-Installateure mit. Sie strotzen meiner Erfahrung und Meinung nach nicht gerade vor Innovation. Und selbst minimales Basiswissen fehlt manchmal. Bei meinem Hausbau wollte mir mein Elektriker zum Beispiel noch einen 100-Megabit-Splitter verbauen...

Die Beratung ist also das Hauptproblem?
Markus Weiler:
Ja. Der Kunde hat heute die Anforderung, dass er kompetent beraten wird, sonst kann er sich auch selber im Internet informieren. Und ich glaube, da hat der Fachhandel noch Potential. Er muss die Vor- und Nachteile kennen, zum Beispiel von Digitalstrom und anderen Lösungen. Diese Kompetenz erwarte ich heute von der Person, die mich berät, und der Elektro-Installateur ist bei einem Hausbau nach dem Architekten meist die erste Person, die mit dem Thema in Berührung kommt.

Rudolf Oehy: Man muss den Kunden in meinen Augen heute ganz klar aufzeigen und erklären können, was es gibt. Viele haben sich selber bis jetzt nicht proaktiv informiert in Sachen Heimvernetzung oder Smart Home. Es muss sicher kein tiefes Fachwissen bei den Kunden bestehen, aber wir müssen ihnen zeigen, was möglich ist, also welche Heimvernetzungskomponenten es gibt und was man verbauen kann. Und wir als Branche müssen dem Kunden den Mehrwert einer Heimvernetzung aufzeigen.


Martin Vesper: Ich glaube, das Thema ist und wird konsumentengetrieben bleiben. Der Kunde sagt, was er will, und wünscht sich dann, dass dies technisch ordentlich ausgeführt wird. Darum geht es, und in die Richtung müssen wir uns bewegen. Ich glaube, wir werden in die Situation kommen, dass sich die Ausbildung des Elektrikers darauf fokussiert, eine fachgerechte Installation zu gewährleisten und eventuell noch gewisse Fragen auf der elektrischen Seite beantworten zu können. Was die Beratung für den Kunden, der vielleicht nicht so engagiert und selbstsicher in dem Bereich ist, angeht, da wird es in Zukunft vielleicht auch andere Ansprechpartner geben. Damit müssen wir als Hersteller umgehen und entsprechend informieren, vor allem auch den Endkunden. Und wir müssen das System wie bereits erwähnt so machen, dass es für alle beherrschbar bleibt.

Welche Aufgaben haben Sie als Distributor diesbezüglich, Herr Weiler?
Markus Weiler:
Ich denke, dass wir als Distributor, wie auch die Hersteller und Grossverteiler, sicher unsere Aufgaben haben. Diese versuchen wir auch wahrzunehmen. Wir machen wie erwähnt viele Schulungen bei uns im Haus. Wir gehen ausserdem Kooperationen ein, zum Beispiel mit dem VSRT für die Radio- und TV-Elektriker. Wir arbeiten für den IT-Fachhandel mit dem Swico zusammen und mit dem VSEI, dem Verband der Schweizer Elektro-Installationsfirmen. Wir machen also bereits relativ viel. Trotzdem reicht das nicht aus.

Dann wird sich also zwangsläufig etwas verändern?
Markus Weiler:
Ja. Wenn auf der anderen Seite die Bereitschaft nicht da ist, den Kunden beraten zu wollen, dann wird sich der Markt für die Produkte, die keine Installation und Beratung brauchen, verschieben. Das kann dazu führen, dass man sich selber hilft und unter Umständen keinen Installateur oder Fachhändler mehr braucht und direkt online bestellt.


Martin Vesper: Wir sehen im deutschen Markt aktuell einen interessanten Ansatz. Hier übernimmt der Elektrogrosshandel für kleinere Reseller beziehungsweise Elektriker die Beratung in Sachen Smart Home, inklusive Showrooms etc. Dazu gibt es auch Beratung und Unterstützung bei der Planung, also genau in den angesprochenen Fragen. In der Schweiz gibt es das Modell meines Wissens noch nicht.

Was ist der Vorteil des Modells, das Sie eben beschrieben haben?
Martin Vesper:
Der Grosshändler hat die Grösse für Spezialisierungen und die Möglichkeiten, sich in allen relevanten Themen fit zu halten. Wir veröffentlichen zum Beispiel alle zwei Monate Updates mit neuen Features. Für einen Zweimannbetrieb ist es schlicht nicht machbar, da Schritt zu halten. Es kommt also zu einer gewissen Konsolidierung des Know-hows, wobei die Ausführung nach wie vor ganz klar dem Elektriker obliegt. Das ist aber nur ein Ansatz. Klar ist, wir müssen etwas tun, denn die von Herrn Weiler beschriebene Situation, dass der Kunde alles selber macht und im Internet bestellt, die wollen wir nicht. Und ich denke auch nicht, dass das über lange Zeit funktioniert. Ich habe zu Beginn erklärt, wie viele Geräte ich vernetzt habe. Bei zehn schafft man das vielleicht noch alleine, bei 100 steckt dann aber schon etwas mehr dahinter.


Was bleibt am Ende für den klassischen IT-Händler?
Markus Weiler:
Ich denke, er kann sich genau hier profilieren. Schauen Sie nur einmal, wie sich der Telefoniemarkt in den letzten Jahren verändert hat. Früher war er eine Hoheit der Elektro-Installateure. Irgendwann kam dann eine IT-Firma und hat den Chef gefragt, ob er nicht Interesse an einer CTI- oder der Integration einer Call-Center-­Lösung hätte. Heute ist die klassische Telefonie eigentlich verschwunden, man redet heute nur noch von IP, und der IT-Dienstleister ist in der Regel der erste Ansprechpartner.

Rudolf Oehy: Der klassische IT-Händler hat ganz klar eine Chance, wenn er die Beratungsfunktion und die Koordination übernimmt, und dann im Hintergrund die erwähnten Firmen und Spezialisten hat, die die Ausführung übernehmen. Hier liegt in meinen Augen sogar eine grosse Chance.

Martin Vesper: Ich teile die Sichtweise, dass es genau wie bei der Telefonie, eigentlich ein IT-Thema ist. Nun müssen sich die IT-Fachhändler einfach nur noch so positionieren, dass sie beim Architekten und beim Bauherren dann auch als Ansprechpartner bekannt sind. Bei der Telefonie brauchte das seine Zeit, das wird beim Thema Heimvernetzung und Smart Home vermutlich nicht anders sein. Und der Elektriker ist unter Umständen sogar froh, wenn ihm künftig jemand Aufgaben wie die Beratung abnimmt und er sich auf seine Stärken fokussieren kann.


Rudolf Oehy: Soweit sind wir aber leider noch nicht. Immerhin gibt es bereits ein paar grössere Firmen, die eine grosse IT- sowie Beratungs- und dazu noch eine Elektro-Abteilung haben.

Markus Weiler: Ich sehe es schon auch so, dass der IT-affine Händler der mit dem grös­seren Know-how sein wird und das Geschäft übernimmt, also dem klassischen Elektriker vermutlich wieder ein Business durch die Lappen geht. Aber: Ein guter Elektriker, der weiss, wo Projekte laufen, hat in meinen Augen beste Chancen, in diesem Markt ebenfalls erfolgreich zu sein – wenn er sich das nötige Know-how aneignet. Und sonst installiert er dann halt einfach, was ihm hingestellt wird.

Inwiefern kann ich als IT-Händler von diesem neuen Markt profitieren?
Martin Vesper:
Es ist ganz einfach ein gigantischer Markt. Überlegen Sie nur einmal, über wie viele Geräte wir hier reden – und es sind noch lange nicht alle vernetzt. Sowohl für IT-Händler als auch für Elektriker besteht ein enormes Potential für die nächsten Jahre. Beide stehen dem Thema nahe, weil sie sich entweder mit der digitalen Welt oder mit der Infrastruktur im Haus beschäftigen.

Rudolf Oehy: Es ist ein Trend und wir stehen erst ganz am Anfang. Die Möglichkeiten, um Umsatz zu generieren, sind immens. Der Kunde ist noch nicht breit ausgerüstet. Die grosse Chance ist, jetzt aufzuspringen und sich zu positionieren, vielleicht gerade im Bereich der Beratung. Und man holt sich dann die Partner wie Hersteller oder Lieferanten, die man braucht, an Bord.


Und welche Rolle bleibt Swisscom?
Rudolf Oehy:
Was wir beitragen können, liegt im Bereich Breitband und IP-Telefonie. Wir investieren Millionen in die Erneuerung unserer Gesamtnetze. Schlussendlich ist jedoch die Hausinstallation das schwächste Glied. Darum versuchen wir wie erwähnt bereits seit längerem proaktiv, die Kunden zu einer Modernisierung zu bewegen. Wenn der Kunde es wünscht, führen wir diese sogar gleich selber durch. Verstehen Sie mich aber auch hier nicht falsch, wir wollen uns da nicht positionieren, dafür gibt es in der Schweiz genug andere Firmen, die das besser können. Aber man muss hier etwas machen und aufzeigen, dass es nicht mehr so weiter geht wie bisher. Wir arbeiten dazu auch mit dem VSEI zusammen und haben eine entsprechende Broschüre erstellt.

Martin Vesper: Swisscom liefert die schnelle Leitung, die Hersteller die Geräte und der Kunde weiss, was er will. Nun fehlt nur noch die richtige Vernetzung im Haus. Das ist doch eine gute Situation – oder finden Sie nicht? Da lässt sich nicht nur ein schöner Umsatz, sondern auch eine schöne Marge erzielen.

Und auch der Distributor wird profitieren. Oder nicht, Herr Weiler?
Markus Weiler:
Wenn er seine Hausaufgaben macht, dann wird er das sicher tun. In der Competec-Gruppe investieren wir mit Brack.ch relativ viel in Werbung und in die Vorstellung von Produkten, Technologien und Märkten. Das versuchen wir, mehr und mehr in den Fachhandel einfliessen zu lassen, damit dieser entsprechende Dienstleistungen anbieten kann. Eines der nächsten Projekte, das bei uns angegangen wird und in eine ähnliche Richtung geht, ist, wie wir den Fachhandel an den Warenfluss von Brack.ch bringen. Es geht da um höchst spannende Themen, und bei Dingen wie der Heimvernetzung ist das unserer Meinung nach exakt der richtige Weg. Wir haben, wenn man bei Brack.ch Haushaltsgrossgeräte bestellt, die installiert werden müssen, heute schon ein entsprechendes Angebot. Bei einer Smart-Home-Lösung kann ich mir etwas Ähnliches vorstellen.


Wie lange dauert es in Ihren Augen noch, bis jeder Haushalt in der Schweiz richtig vernetzt oder smart ist?
Martin Vesper:
Ich glaube, wir werden das so im Markt nicht wahrnehmen, weil es einen schleichenden Übergang vom normalen zum intelligenten oder vernetzten Zuhause geben wird. Hinzu kommt, dass mit einer Breitband-Penetration von um die 90 Prozent in der Schweiz jeder Haushalt bereits irgendeine Art von interner Vernetzung hat, zum Beispiel ein WLAN, also bereits schon erste Geräte vernetzt sind. Vielleicht nur im Audio- und Multimedia-Bereich, aber unter Umständen ist auch schon eine Philips Hue dabei. So werden wir ein graduelles Wachstum sehen.

Sie können also kein konkretes Datum oder eine Jahreszahl nennen?
Martin Vesper:
Das ist nicht so einfach. Ich denke, dass in fünf Jahren zumindest jedes Haus Teilanwendungen nutzen wird. Und dann wird sich das mehr und mehr verbreiten. Fast jeder heute verkaufte Fernseher hat einen Ethernet-Anschluss. Viele andere Geräte, die es noch nicht sind, werden in Zukunft auch vernetzt und werden die Adaption vorantreiben. Bei Geräten wie Heizungsanlagen wird es jedoch vergleichsweise länger dauern, weil der Investitionszyklus hier ein ganz anderer ist.

Rudolf Oehy: Ich denke auch, dass es noch Jahre braucht. Die Frage für mich ist, wie schnell die Produkte kommen, die wirklich voraussetzen, dass das Heim vernetzt wird und eine Heimvernetzung zwingend vorhanden sein muss. Das Beispiel Fernseher wurde erwähnt. Vor fünf oder zehn Jahren hat man kaum ein Gerät erhalten, das einen Ethernet-Anschluss hat, also war es auch nicht notwendig, das eigene Zuhause zu vernetzen. Heute bietet zwar jeder Fernseher die Möglichkeit, zwingend ist ein Netzwerkanschluss aber auch noch nicht, es geht weiterhin ohne.


Sind fünf Jahre für Sie auch realistisch?
Rudolf Oehy:
Ja, ich glaube fünf Jahre sind realistisch – in gewissen Bereichen. Ich denke da vor allem an den Multimedia-Bereich, der quasi ein Vorreiter ist. Das wollen die Kunden und sehen auch meist einen klaren eigenen Vorteil. Dass jetzt bis in fünf Jahren auch schon jede Waschmaschine vernetzt ist, bezweifele ich. Oder will der Kunde wirklich vom Sofa aus sehen, ob die Waschmaschine im Keller fertig ist oder noch läuft?

Martin Vesper: Da stimme ich Ihnen zu, das wird als Anwendung nicht reichen. Was aber, wenn ich in Zukunft ganz einfach ein Bild von meiner Wäsche machen kann, die Maschine das analysiert und anschliessend automatisch die richtigen Einstellungen vornimmt, vom Waschmittel über die Temperatur bis zur Dauer der Wäsche? Wenn ich in diesen Bereich der Anwendung komme, also wenn es um Themen wie Energiesparen, Nachhaltigkeit und letztendlich auch um bessere Waschergebnisse geht, dann kommt der Bedarf automatisch. Ich hole mir durch die Vernetzung quasi eine bis jetzt nicht vorhandene Kompetenz ins Haus. Das ist bereits bei vielen erhältlichen Smart-Home-Produkten der Fall und wird das Thema Heimvernetzung weiter vorantreiben – neben dem spontanen Zugriff von überall, der im Multimedia-Bereich neben den Streaming-Diensten ein wesentlicher Treiber ist.


Markus Weiler: Ich denke, an vorderster Stelle steht, welchen Nutzen ich habe. Ich glaube auch, dass in drei bis fünf Jahren wahrscheinlich jeder eine kleine Smart-Home-Lösung zu Hause haben wird, egal was es ist. Im Multimedia-Bereich besitzen vermutlich bereits die meisten in irgendeiner Form eine solche Lösung. Und das andere schleicht sich dann ein. Wenn ich erfahre, dass ich ein paar Hundert Franken sparen kann, indem ich nur einen kleinen vernetzten Adapter an meiner Heizung anbringe, dann wird die Lösung sofort angeschafft.



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