IT und Unterhaltungselektronik werden eins
Quelle: Philips

IT und Unterhaltungselektronik werden eins

Konvergenz lautet das Zauberwort der CE-Branche. Für Händler tut sich hier ein spannendes Tätigkeitsfeld auf, jedoch müssen sie dazu einiges an Know-how aufbauen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2011/05

     

Die Zeiten für Hersteller, Distributoren und Händler, die im CE-Bereich Geschäfte machen, sind nicht leicht. Der Preiszerfall, geringe Margen und die Sättigung des Marktes sorgen allenthalben für lange Gesichter. Während der Bedarf von Herr und Frau Schweizer nach Flachbildfernsehern, DVD-Playern und HiFi-Anlagen weitgehend gedeckt ist, ent­wickelt sich in der Vernetzung ebendieser Geräte jedoch ein Bedarf. Nötig für diese Vernetzung ist IT-Technologie – das Zauberwort lautet Konvergenz. «Swiss IT Reseller» hat bei sechs Distributoren nachgefragt, wie sie Konvergenz definieren, wo die Themen im Bereich Konvergenz liegen und welche Chancen sich für den Retail in diesem Bereich eröffnen.

Ein Markt im Wandel

Gemäss Daniel Müller, Product Manager CE Distribution bei Also Schweiz, ist die Konvergenz zwischen IT und Unterhaltungselektronik (UE) bereits da. Müller: «Ich verstehe unter Konvergenz einerseits die Verschmelzung von IT- und UE-Produkten, andererseits aber auch die veränderte Nutzung von IT- und CE-Produkten. Zum Beispiel haben die neuesten Fernseher einen Webbrowser integriert, und man kann neben fernsehen auch noch im Internet surfen oder mit seinen Freunden chatten.» Der Einsatz von Geräten beruhe heute noch meist auf einem klar bestimmten Zweck, erklärt Müller weiter. Einen TV zum Fernsehen, eine Monitor zum Arbeiten etc. «In Zukunft haben wir nur noch ein Display, welches dann als Ein- und Ausgabegerät fungiert», so Müller. Konvergenz bedeute aber auch das Zusammenspiel von IT-und UE-Produkten unter einander. Ein WLAN-Router «spreche» nicht mehr nur mit dem PC oder Server, sondern auch mit dem TV, dem Blu-ray-Player oder dem Handy. «Zum Beispiel kann ich dadurch ein Bild von der Kamera einfach über ein Wireless Netzwerk auf den TV oder den PC bringen», so der Also-Mann.
Gemäss Daniel Rei, PR Manager bei Alltron, geschieht die Konvergenz auf zwei Ebenen – der Technologie- und der Markt-Ebene. Bezüglich Technologie haben UE-Geräte und Spielkonsolen einerseits je länger je mehr EDV-Fähigkeiten – das fange beim USB-Port der HiFi-Anlage an und höre noch nicht auf bei TVs mit Netzwerkanschluss und bei Stereoanlagen mit eingebautem Festplattenspeicher, so Rei. Die IT andererseits übernehme, im Zusammenspiel mit Netzwerk- und Telekommunika­tionstechnik, zunehmend Unterhaltungsfunktionen. «PCs werden in kompakte Gehäuse gebaut und lärmoptimiert, um sie im Wohnzimmer aufzustellen. NAS-Server verfügen über Videoausgänge oder speichern Mediendateien und bereiten sie für Streaming auf», erklärt Daniel Rei.
Was den Markt angeht, ist Rei überzeugt, dass es den klassischen Radio-/TV-Fachhandel und den IT-Fachhandel schon bald nicht mehr losgelöst voneinander geben wird. «Aus dem Zusammenwachsen der Geräte ergibt sich die Notwendigkeit, sich als Händler Kompetenzen in beiden Bereichen anzueignen», erklärt Rei. Bestätigt wird seine Aussage von Roland Schelker, CEO von Tecpro. «Die Verschmelzung der Produkte in beiden Branchen hat in sehr kurzer Zeit stattgefunden und dazu geführt, das nun ein Umdenken im Markt stattfinden muss.»

Die Möglichkeiten der IT, die Einfachheit der UE

Auf die Frage nach den Themen, die im Zusammenhang mit der IT/UE-Konvergenz angesagt sind, antwortet Frank Studerus, Managing Director von Studerus: «Ein grosser Trend ist der Einsatz von NAS zur Speicherung von Bildern, Videos und Musik. Diese Daten werden danach über Digital-Media-Adapter auf dem Fernseher oder der Musikanlage abgespielt.» Ein weiteres Thema sei zudem das Streamen von Video oder Musik aus dem Internet, so Studerus, der in diesem Zusammenhang den riesigen Erfolg von Netflix in den USA anführt. Lösungen in diesem Bereich gibt es auch hierzulande – etwa Apple TV oder Swiss TV, die den TV mit dem Internet verbinden und Filme so preiswert als Stream auf den TV bringen. Ähnlich ist zudem die Entwicklung im Radio-Bereich, wo Internet-Radiosender Musik nach dem persönlichen Geschmack und ohne Werbung und Nachrichten ins Wohnzimmer bringen.
Im Zusammenhang mit Musik fügt Daniel Müller von Also an, dass sich der Konsument durch die neuen Möglichkeiten auch neuer Möglichkeiten bewusst wird. «Zum Beispiel will er die Musik nicht mehr nur im Wohnzimmer hören, sondern dort wo er sich gerade im Haus aufhält. Das heisst, er muss die Musik auch überall steuern können. Und es spielt keine Rolle, ob die Musik von einer CD, aus dem Internet, vom iPod oder vom Homeserver kommt.» Es gehe letztlich darum, dass der Konsument Medieninhalte überall und schnell verfügbar haben wolle. «Trotz, oder gerade wegen der unterschiedlichsten Ausgabe- und Speichergeräte, muss die Handhabung einfach sein», weiss Müller. Er spricht damit unter anderem universale Fernbedienungen oder die Steuerung via Smartphone an, aber auch das Thema der einfachen Datensicherung, des einfachen Netzwerks zum Beispiel mittels automatischer Konfiguration - oder die einfache Erweiterung.
In eine ähnliche Richtung gehen die Aussagen von Marco Soppelsa, Product Manager bei Simpex IT Solutions. «Der Konsument will Produkte mit den Möglichkeiten aus der IT, aber dem Komfort der UE, so dass alles bequem vom Sofa aus genutzt werden kann.» Insbesondere wolle der Kunde Unterhaltung, für die er bis anhin den PC benötigte, nun auch auf dem TV konsumieren – Stichworte hier sind Youtube oder soziale Netwerke. «Immer mehr Web-2.0-Dienste finden auch den Weg ins Wohnzimmer – wenn diese auf dem TV die notwendige Einfachheit erreichen, was heute noch eher selten der Fall ist, eröffnen sich dadurch auch neue Zielgruppen», weiss Soppelsa, und ergänzt: «Ebenso will man Fotos, Musik und Videos die bisher auf dem Computer schlummerten jederzeit mit Freunden oder der Familie anschauen können.»
Und Dieter Wipf, Vertriebsleiter Schweiz bei BHS Binkert, fügt Smartphones und Tablets als Bereiche an, in denen sich die Technologiegrenzen gerade erdrutschartig auflösen. «Man braucht sich nur die Welt der Apps ansehen, wo es nichts gibt, was es nicht gibt. Will heissen: Es entstehen ganz neue Ansprüche an die Nutzung von Technologie. Alles, was möglich ist, will ich, und zwar bitte auf einem einzigen Gerät. Das ist Konvergenz in ihrer reinsten Form und wird immer mehr schlicht und einfach erwartet.»

Umdenken gefragt

Gründe, weshalb sich ein Retailer mit der Thematik der Konvergenz auseinandersetzen sollte, sehen die Distributoren zur Genüge. Einfach, aber einleuchtend die Begründung von Soppelsa, Simpex IT Solutions: «Wenn es der Retailer nicht tut, werden sich die Kunden einfach andere Bezugsquellen suchen.» Viele Retailer würden Dinge scheuen, die sie nicht kennen, und damit ihre Chance verpassen. Ähnlich die Meinung von Dieter Wipf: «Händler scheuen die Thematik, weil Konvergenz einiges an Know-how erfordert, und zwar gleichermassen von zwei Seiten. Man muss über Basistechnologien und Prozesse bei CE und IT erst einiges wissen, ehe man die Potentiale der Konvergenz erkennen und weitervermitteln kann.» Frank Studerus erklärt, dass das Bedürfnis nach der Kombination von UE und IT klar vorhanden ist und viele Endkunden jemanden brauchen, der ihnen diese Möglichkeiten näher bringt. «Händler haben die Gelegenheit, neben den Produkten auch Dienstleistungen damit anzubieten. Am Anfang waren erste Produkte noch nicht so benutzerfreundlich und der Einsatz somit auf Early Adopters limitiert. Inzwischen sind die Lösungen wirklich massentauglich geworden, und das Potential ist stark gewachsen», so Studerus. Und auch Daniel Rei von Alltron weiss ob der steigenden Nachfrage. Diese sei kein vorübergehender Trend, weshalb Händler sich unbedingt mit der Thematik befassen sollten, so Rei. Auf die Frage, weshalb sich bis anhin wenige Händler in diesem Bereich bewegen, antwortet Rei, dass gerade kleinere Händler nebst der Abwicklung des Tagesgeschäfts oftmals keine Zeit hätten, um an Gerätekonfigurationen herumzu­tüfteln und dabei Erfahrungen zu sammeln. Jedoch sei das benötigte Know-how keine Raketenwissenschaft, ermutigt Rei die Händler.
Daniel Müller von Also sieht derweil verschiedene Ursachen im bisher zögerlichen Vorgehen der Fachhändler. «Der IT- Händler hat mehrheitlich ein anderes Kundensegment und der UE-Fachhändler muss das Know-how für IT erst noch aufbauen.» Deshalb rät Müller: «Die einzelnen Händler haben Mühe im Alleingang alle Anforderungen der Kunden zu befriedigen, stattdessen sollten sie versuchen, gemeinsam Projekte zu realisieren.» Schelker von Tecpro spricht derweil von einer gewissen Branchenblindheit bei den Händlern. Er vermutet, dass die meisten – gleich ob aus der UE- oder der IT-Branche – den Link zur anderen Materie nicht sehen, da sie schon zu lange im Metier seien. Deshalb warnt Schelker: «Die Händler von IT und UE müssen umdenken, da die Anwendungen ineinander fliessen.» (mw)
Im nächsten heftcrack
Lesen Sie in der nächsten Aus­gabe von «Swiss IT Reseller», welches Know-how Händler aufbauen müssen, um Umsätze im Bereich UE/IT-Konvergenz zu machen und wie die Distributoren
ihre Händler unterstützen wollen. crackcrack


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