Nervensache Konvergenz

Nach Hersteller-Generalvertretungen und Distributoren diskutierten am dritten CE-Roundtable von IT Reseller drei Vertreter des Schweizer CE-Fachhandels über schrumpfende Margen, den System- und Integrations-Trend sowie die Überforderung vieler Kunden von zu komplexer, moderner Technik.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/18

     

IT Reseller: Bitte stellen Sie kurz Ihr Unternehmen und Ihre Geschäftsstrategie vor.

Beat Sidler: Ich habe vor 15 Jahren die 1961 gegründete Firma Zollinger in Zürich übernommen, die es heute noch gibt. Zusammen mit meinem Kollegen Urs Hirsbrunner von RTV Hirsbrunner, unterhalte ich zudem die Geschäfte Radio Meyer in Zürich-Wollishofen, Fawer Multimedia in Höngg und seit neuestem die Firma IT Meyer. Ich glaube an die Zukunft der Dienstleistung und lege grossen Wert darauf, dass wir im Quartier verankert sind. Wir sprechen jene Kunden an, die wir in möglichst kurzer Zeit erreichen können. Wenn alle Leute rings um die Zürcher Forchstrasse zu uns kommen würden, könnten wir mit dem Velo und dem Anhänger alle Services machen. Das wäre günstig und ökologisch, weil wir keine Autos bräuchten. In der Praxis sieht das leider noch etwas anders aus und die Leute bevorzugen es, weit entfernt vom Wohnort einzukaufen.

Markus Haller: Unser Hauptgeschäft befindet sich in Wohlen. Vor 20 Jahren habe ich mit meinem Geschäftspartner die Firma Tschachtli übernommen, die von den Brüdern Tschachtli vor 32 Jahren gegründet wurde. Wir sind in den letzten Jahren intensiv gewachsen. Von einst vier Personen ist die Zahl unserer Mitarbeiter auf heute 26 gestiegen. In Niederrohrdorf haben wir 2005 die Firma Frei RTV und vor zweieinhalb Jahren in Berikon die Firma Stierli übernommen, dessen Besitzer altershalber sein Unternehmen verkauft hat. Diese drei Geschäfte sind eigenständige Niederlassungen und heute unter dem Dach der Tschachtli AG vereint. In Widen führen wir zudem ein zentrales Servicecenter. Unser Fokus liegt im mittleren bis oberen Preissegment sowie bei Spezial- und Individual-Lösungen. Das heisst allerdings nicht, dass wir nicht auch Einzelgeräte anbieten. Bei uns stehen aber der Systemgedanke, das ganze Thema Integration im Vordergrund. Wir sind stark im Bereich multimedialer Netze, das heisst, wir verteilen Bild, Klang und Daten im ganzen Haus, um sie jederzeit für jedermann zugänglich zu machen. Zudem nehmen wir uns den ökologischen Gedanken sehr zu Herzen. Wir sind einer der wenigen Nutzer in unserer Region, der ausschliesslich Ökostrom von den Elektrizitätswerken bezieht und arbeiten momentan an einem internen Öko-Label. Wir prüfen bei Geräten, die wir ins Sortiment aufnehmen, beispielsweise den Stromverbrauch im Standby-Modus. Wir wollen dem schleichenden Energieverbrauch durch die vielen stillen Stromfresser, wie es beispielsweise Set-Top-Boxen sind, entgegenwirken und bieten dort auch Alternativ-Lösungen an.


Thomas Gründler: Wir haben vier Verkaufsstellen in Schaffhausen und Umgebung. Wir haben derzeit 24 Mitarbeiter. Wir sind stark verbunden mit dem lokalen Kabelnetzbetreiber. Dort bauen wir mit und sind über Beteiligungen miteinander verflochten. Eine Abteilung von fünf Leuten erstellt neben Kabelnetzen auch jede Menge Satelliten- und sonstige Empfangsmöglichkeiten für TV und Radio. Unsere Verkaufsfilialen sind klar voneinander getrennt. Wir haben einen Shop für Bang & Olufsen, die weiteren Shops decken die gesamte sons­tige Palette im Bereich Unterhaltungselektronik im mittleren bis oberen Preissegment ab. Dort versuchen wir keine Einzelgeräte, sondern wenn möglich ganze Konzepte für intelligentes Wohnen zu verkaufen. Wir haben zudem eine eigene Serviceabteilung, wo wir soviel wie möglich selbst reparieren. Unser Ziel ist es, den Kunden von der Idee bis zur Installation zu begleiten.

Seit längerem wird in der CE-Branche gejammert, dass die Preise sinken, die Margen schrumpfen.

Wenn man Ihnen zuhört, hat man den Eindruck, es geht Ihnen gut. Sie wachsen, Sie kaufen auf, Sie expandieren. Wie läuft denn nun das Geschäft und womit?
Sidler: Mit unserem Optimismus (lacht). Es ist natürlich eine Tatsache, dass mit einer sinkenden Marge alles viel schwieriger wird. Wir müssen heute anders kalkulieren und uns viel genauer überlegen, was wir machen und wagen wollen. Experimente, wie wir sie von früher kennen, einfach mal irgendwelche Produkte auszuprobieren und im Falle eines Flops, diese zu entsorgen, können wir uns nicht mehr erlauben. Heute müssen wir uns überlegen, ob es ein Produkt ist, das der Kunde wirklich brauchen kann und schliesslich auch kaufen wird, oder ob es eine Spielerei ist, die letztlich im Laden liegenbleibt. Von diesen Spielereien braucht man so wenig wie möglich, denn das geht von der Marge weg. Früher hat man jeden Trend mitgemacht und viele davon waren ein Flop. Heute kämpfen wir mehr als früher, auch dass wir bei den Lieferanten die entsprechende Marge generieren können. Wir versuchen dem Konsumenten Qualität zu verkaufen. Was nichts kostet, ist nichts wert.

Könnten Sie auch mit nur einem Geschäft überleben? Sie alle sind an mehreren Orten vertreten, haben mehrere Filialen. Ist das ein Trend? Muss man heute mehr einkaufen können?
Haller: Dass man auf ein anderes Volumen kommt, ist sicher einer der Vorteile, den man hat, wenn man grösser ist.


Sidler: Wenn man gross ist, bekommt man hier und da vielleicht ein, zwei Prozente mehr. Wenn ich verschiedene Geschäfte habe, kann ich zudem Synergien nutzen. Es gibt beispielsweise Geräte, die laufen im einen Geschäft nicht, im anderen Quartier sind sie ein Hit. Und wenn man falsch eingekauft hat - wir machen ja alle Fehler - dann kann man dem ausweichen und gewisse Produkte innerhalb der Geschäfte austauschen. Wir gehen mit einer gewissen Grösse Also kleinere Risiken ein, Investitionen sind nicht zwangsläufig verloren, wenn ein Produkt im einen Geschäft floppt. Wenn Sie klein sind, wagen Sie weniger Experimente. Es ist ein Trugschluss, wenn es heisst, es wird billiger, also könnt Ihr auch mehr verkaufen. Mehr verkaufen heisst auch immer, mehr arbeiten zu müssen. Es geht nicht darum, zehn statt fünf Pakete zu befördern. Es heisst vielmehr zehnmal einen Fernseher auszupacken, zu programmieren, wieder einzupacken. Da stecken immer bis fast zu eineinhalb Stunden Arbeit dahinter, bevor das Gerät überhaupt beim Kunden installiert wird. Da gibt es eben auch Grenzen. Mehr zu verkaufen heisst, man müsste mehr Leute einstellen und mehr Leute kosten mehr Geld.

Haller: Rund die Hälfte von jedem Franken im UE-Bereich wird in der Schweiz im Fachhandel ausgegeben, rund 42 Prozent in Flächenmärkten und 8 Prozent im Internet. Die grössten Pessimisten haben schon vor zehn Jahren den Tod des Fachhandels vorausgesagt. Doch der Fachhandel hat nach wie vor seine Berechtigung. Der Schweizer Kunde ist durchaus bereit, etwas für Dienstleistungen zu zahlen, die über das an die Wand montieren eines Fernsehers hinausgehen und bis zu integrierten Systemlösungen gehen können. Gott sei Dank sind die Schweizer Kunden anspruchsvoll. Die Dienstleistung hat hier einen sehr hohen Stellenwert. Diese Dienstleis­tungen gehen heute über das reine Bringen, Installieren oder Reparieren hinaus. Wir arbeiten heute mit Partnern zusammen, besorgen beispielsweise bei Umbauten gleich den Elektriker.
Aber das betrifft komplexere Installationen, die in Richtung Heimvernetzung gehen. Einer neuen Studie der Uni St. Gallen zufolge, ist der beliebteste Händler der Schweizer der Media Markt, der Fachhandel hat eher schlecht abgeschnitten. Auch im Retail gibt es hochwertige Ware, wie Flachbildschirme von Top-Marken, die benötigen keinen grossen Service, sind aber vielleicht günstiger als im Fachhandel. Warum soll ich solche Produkte bei Ihnen und nicht im Retail kaufen?

Sidler: Bei uns würden Sie das Gerät ganz sicher zum selben Preis bekommen und die Dienstleistung wird Ihnen vom Retail voll verrechnet. Von unserer Seite wäre sie vermutlich günstiger gewesen. Der grosse Unterschied liegt darin: Wenn nach zwei Wochen ein Problem am Gerät auftaucht, kommen wir zu Ihnen nach Hause, der Retail nicht. Im Preis sind die Differenzen ganz, ganz minimal. Oft bietet der Retail Aktionen mit Auslaufgeräten, die wir als Fachhandel nicht wollen. Nur mit dem Online-Handel können wir nicht, wollen wir aber auch nicht mithalten. Die Verantwortung trägt letztlich der Kunde.

Gründler: Die Sache mit den vermeintlich höheren Preisen im Fachhandel ist wirklich ein Problem. Fachhandel wird mit teuer gleichgesetzt. Das ist fest in den Köpfen der Kunden verankert. Wir arbeiten daran, diesen Irrtum auszuräumen. Wir haben seit zwei Jahren ein neues Preiskonzept, das sich 3-Preis-Modell nennt. Mit dem Preis 1, dem Mitnahmepreis, geben wir Geräte weit unter dem Listenpreis ohne Dienstleistungen ab. Preis 2 heisst Komfort-Preis inklusive Lieferung und Montage. Preis 3 ist der Komfort-Preis inklusive zusätzliche Dienstleistungen und 6 Jahre Garantie. Dieses Modell fängt langsam an zu greifen. Am Mitnahmepreis verdienen wir natürlich weniger, aber an den verkauften Stückzahlen ist zu sehen, dass sich das Modell langsam etabliert hat und als Alternative zu Preisen eines Discounters angesehen wird. Die Kunden, die im Fachhandel einkaufen, sind im Schnitt zudem etwas älter als jene, die nach Schnäppchen im Retail jagen. Das hat wahrscheinlich auch etwas mit dem Verdienst zu tun. Wenn man jung ist, ist man preissensibler.

Haller: Mit zunehmenden Alter hat man auch nicht mehr die Zeit oder Geduld, alles selbst zu installieren und einzustellen. Wer von uns eine gute Dienstleistung erhält, wird in den meisten Fällen auch ein Stammkunde. Unter dem Strich ist es im Fachhandel selten teurer als im Retail.

Sidler: Ältere Leute kaufen zudem Geräte nach Ihrer Bedienbarkeit und nicht nach Preis oder Marke. Wir kämpfen gegen das Image, zu teuer zu sein. Preis ist immer eine Ansichtssache und eine Sache des Publikums, das man ansprechen will.

Haller: Viele unserer Kunden wollen am Abend nach der Arbeit einfach einen Knopf drücken und fernsehen oder Musik hören. Unsere Kunden sterben nicht aus, wie es oft heisst. Unser Publikum wird je länger je mehr jünger. Aber mit Themen wie der Heimvernetzung wird die Integration nicht einfacher und hier ist der Experte gefragt.

Für den Benutzer ist die Konvergenz oft total ärgerlich und kompliziert.

Haller: Früher hatten Sie zwei Geräte. Heute ist viel mehr drum herum. Sie haben Telefon, Computer, all die Medien mit den verschiedenen Aufnahmemöglichkeiten, Sie haben dreierlei Anbieter, wie Sie Musik hören oder fernsehen können. Heimvernetzung, Heimkino, digitale Medien, Speichermedien und Heimautomation sind dazugekommen. Heute hat man viel mehr Möglichkeiten, die alle eingebunden werden müssen. Das Problem ist, dass viele Hersteller eigene Sys­teme entwickelt haben, die mit anderen Systemen nicht kompatibel und für den Konsumenten zu komplex und kompliziert geworden sind. Hier sind wir gefragt, das alles nicht nur technisch unter einen Hut zu bringen, sondern auch dem Konsumenten eine möglichst einfache Bedienung zu bieten. Wir erstellen zum Beispiel kundenspezifische Bedienungsanleitungen, auf denen die elementarsten Dinge, die der Kunde zu 90 Prozent braucht, aufgeführt sind.

Sidler: Das bezieht sich auf die Vernetzung. Aber auch bei Einzelgeräten gibt es mehr Probleme als früher. Früher habe ich einen Fernseher gekauft und er lief. Heute kaufe ich einen Fernseher und er läuft nicht. Die Hersteller sind natürlich auch enorm unter Preisdruck und kaufen teilweise billige Komponenten ein, die nicht lange halten. Zudem muss man auch bei Fernsehern heute immer öfter Software-Updates machen. Wenn ein asiatisches TV-Gerät dann in der Schweiz verkauft wird, merkt man plötzlich, dass gewisse Dinge, wie beispielsweise der Teletext, nicht laufen. Ich nenne das einen Konstruktionsfehler. Man hat einfach schnell, schnell etwas gebaut und nicht zu Ende gedacht. Der Konsument soll halt mal gucken, was alles nicht geht, dann wird wieder ein bisschen entwickelt und upgedatet.


Haller: Die Konvergenz der Geräte ist ein Problem. Leider ist es oft so, dass viele Produkte heute erst beim Konsumenten fertig entwickelt werden. Gewisse Hersteller wollen schnell am Markt sein und nichts verlieren und merken gar nicht, wie enttäuscht der Kunde ist.

IT ist eher benutzerunfreundlich, man muss selbst herausfinden wie etwas läuft. Bei der Unterhaltungselektronik war das früher nicht so. Die Bedienungsfreundlichkeit hat durch die Digitalisierung abgenommen.

Gründler: In der IT gibt es für jeden Bereich einen oder zwei grosse Players. Das ist ein Vorteil. Es gibt Microsoft, Google oder Dell. Diese Konzerne haben so eine grosse Marktmacht, um Standards setzen zu können. Im UE-Bereich gibt es unzählige Marken, die Trends oder Standards setzen wollen. Jetzt ist es gerade modern zu vernetzen, Also machen alle irgendetwas, womit man vernetzen kann, was aber untereinander nicht kompatibel ist. Für uns ist es schwierig zu entscheiden, auf welche Marke wir setzen sollen. Nehmen wir die Marke X, kommt sicher ein Kunde, der die Marke Y will. Es ist im Moment schwierig aufs richtige Pferd zu setzen, respektive das Know-how für die Geräte zu erarbeiten.

Sidler: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass sich die beiden Welten IT und CE auch heute noch nicht verstehen. Beim Computer bin ich gewohnt, dass ich einmal am Tag einen Neustart machen muss, damit er wieder läuft. Das ist normal und stört mich nicht. In der Unterhaltungselektronik läuft das Gerät auch noch am nächs­ten Tag oder in zwei Jahren. Technisch kann man die zwei Welten natürlich verbinden, aber von der Erwartung seitens des Konsumenten passen sie nicht zusammen.


Beispiel Mediacenter: Hier liefert der Computer die Unterhaltung. Viele wollen das vielleicht gar nicht?
Haller: Richtig. Die Mediacenter machen vielleicht ein bis zwei Prozent aus. Vom TV oder von der Stereoanlage erwartet man, dass es läuft, nachdem man auf den Knopf gedrückt hat. Dadurch, dass IT immer mehr Einfluss auf UE/CE-Geräte hat, da überall Software drin ist und es auch dort nun klemmen kann, sind diese Geräte heute eben nicht mehr 99,9 Prozent betriebssicher. Ich verstehe, dass das den Kunden aufregt.

Sidler: Wir Radio- und Fernsehhändler können diese Probleme nicht lösen. Deshalb haben wir vor einem Monat auch unsere neue Firma IT Meyer gegründet, die sich genau solcher Probleme annimmt. Wir wollen jetzt nicht auch noch Laptops verkaufen. Es geht darum, dem Kunden mit darauf spezialisierten Leuten bei der neuen konvergenten Technik und bei der Vernetzung zu helfen.

Wird das Aussterben im Fachhandel weitergehen?

Haller: Ich bin überzeugt davon, dass in den nächsten fünf, sechs Jahren sicher nochmals zehn bis fünfzehn Prozent vom Schweizerischen Fachhandel aus Altersgründen oder durch Marktbereinigung auf der Strecke bleiben wird. Das ist der Lauf der Zeit. Die Problematik vieler Branchenkollegen liegt darin, egal ob das Angebot güns­tig, exklusiv oder mit vielen Dienstleistungen gespickt ist, dass sie gegenüber dem Kunden nach aussen keine Visualisierung haben. Dass man Also klarstellt, ich bin dienstleistungsorientiert und wenn dir eine Dienstleistung wichtig ist, dann bist du hier richtig. Wenn’s aber nur um den bes­ten Preis geht, dann bist du bei mir falsch. Viele Fachhändler tanzen heute noch auf zu vielen Hochzeiten und haben das Gefühl, sie müssen auch noch einen Drucker, Fotoapparat, Kühlschrank oder Mixer verkaufen. Viele haben ihr Sortiment noch nicht aufgeräumt. Da wird es in den nächs­ten Jahren noch eine Bereinigung geben müssen. Jene, die ganz klar kommunizieren, was den Kunden bei ihnen erwartet, zu ihm einen persönlichen Kontakt pflegen und Zeit für ihn haben, werden Erfolg haben. Die Nähe zum Kunden, auch nach einem Verkauf, ist elementar.

Thema Generationenwechsel: Haben Sie Nachwuchs-Probleme?
Haller: Die Ausbildung von Lehrlingen ist ein wichtiges Thema, das wir uns auf die Fahnen geschrieben haben. Wir bilden derzeit zehn Lehrlinge aus. Leider gibt es heutzutage viele Fachgeschäfte, die den Zeitaufwand und die Verantwortung, die sie mit den heutigen integrierten Prüfungen für Lehrlinge haben, nicht mehr auf sich nehmen und tragen wollen. Wir sehen das etwas anders und haben uns gesagt, wenn Nachwuchs-Förderung, dann machen wir das am liebs­ten selber. Es ist schwieriger geworden, Nachwuchs in unserm Geschäft zu finden. Es ist zwar noch immer ein Modeberuf, leider wandern aber sehr viele nach der Ausbildung in die Industrie oder in branchenverwandte Bereiche wie die IT ab. Das wollen wir verhindern, indem wir die Leute selbst ausbilden und wenn möglich noch ein paar Jahre danach behalten.


Gründler: Wir haben derzeit sieben Lehrlinge.

Sidler: Wir bilden im Moment acht Lehrlinge aus. Das kostet natürlich auch Geld. Die Preise und die Marge können schon noch weiter gedrückt werden. Am Ende bin ich eben auch ein Internet-Händler, sitze zu Hause, arbeite 50 Prozent, beispielsweise als Heftli-Verteiler, und verkaufe mit meinem Wissen und meinen Beziehungen möglichst mit zwei bis drei Prozent Marge nebenbei noch irgendwelche Sachen. Das Resultat: Wir haben keine Arbeitsstellen in den Quartieren und sicher keine Lehrlinge mehr. Darum setzen wir uns als Fachhändler dafür ein, dass man uns nicht in den gleichen Topf mit dem Online-Handel oder Retail wirft. Es wird oft unterschätzt, was wir alles zur Verfügung stellen. Vor allen von den Herstellern, denen es nur noch um reinen Marktanteil geht und ob sie die Nummer eins sind oder nicht. Ich allein könnte mit einem Online-Handel gut überleben, aber all die Angestellten und Lehrlinge eben nicht.

Kommen wir zum Thema Vertriebs-Partner. Am letzten Roundtable haben Distributoren wie Also oder Alltron verkündet, dass sie vermehrt im CE-Segment vorpreschen wollen. Mit welchen Distributoren arbeiten Sie zusammen, wie werden Sie von denen unterstützt, welche Probleme gibt es?
Sidler: Wir arbeiten zu 99 Prozent mit unseren Generalvertretungen zusammen. Das sind Firmen, die nur eine Marke in der Schweiz vertreten und sich mit dieser identifizieren. Und nur solche Firmen können uns mit ihrem Wissen und Schulungen wirklich Hilfe leisten. Die grossen Dis­tis, die einen Haufen Marken vertreten, geben sich, wenn sie eine neue Marke übernehmen, Mühe. Je nach Arbeits- und Margensituation verwässert das mit der Zeit. Wir sind eine Schweizer Firma und versuchen unsere Ware bei unseren Schweizer Lieferanten einzukaufen. Wenn unsere Erwartungen bezüglich Dienstleistung und Beratung enttäuscht werden, ist es egal, wo und bei wem man einkauft. Das geht uns als KMU aber gegen den Strich. Ich will nicht im Ausland bestellen. Auch bei den Herstellern, die nur mit Niederlassungen hier vertreten sind, ist oft alles ausgelagert und nichts wird mehr selbst gemacht. Service und Vertrieb gehören da oft nicht zusammen, jeder ist ein Profitzentrum, da gibt es keine Kulanz. Bei den Generalvertretungen, die uns die gesamte Dienstleistungspalette bieten, sind wir am besten aufgehoben.

Bei Also, Ingram und Co. kaufen Sie also überhaupt nicht ein?

Sidler: Nein.

Haller: Wenig bis gar nicht. Auch wir arbeiten, wenn möglich, mit den einzelnen Generalimporteuren sehr eng zusammen. Wir berücksichtigen grundsätzlich nur Schweizer Importeure und Lieferanten. Dafür erwarten wir auch dementsprechende Unterstützung, technisches Know-how, eben eine richtig gute Partnerschaft, auch noch nach einem Verkauf. Der Preis ist dabei nicht das Wichtigste, wir erwarten eine gewisse Kulanz und gute Ausbildung. Ein Distributor, der so viele Marken hat, kann das in dem Ausmass wie ein Generalimporteur gar nicht bieten, selbst wenn er es wollte. Der Distributor ist mehr der Logistiker.


Gründler: Die einen Distributoren müssen wegen des Preiszerfalls immer mehr Masse absetzen, wir haben aber gar keine Produkte, die in Massen laufen. Die anderen Distributoren haben einen Fokus auf gewisse Produkte, die in den Fachhandel passen. Dort müssen wir dabei sein.

An wen liefern denn nun Also, Alltron, Tech Data genau, wenn nicht an den Fachhandel, den sie ja angeblich adressieren? Hier haben wir nun schon drei Fachhandelsvertreter, die nicht bei den erwähnten Distis einkaufen.

Sidler: Das ist eine ganz interessante Frage. Die Antwort darauf würde ich auch gern hören. Wenn ich nur mal meinen Kollegenkreis anschaue, da kenne ich ganz wenige, die ihre Ware bei Distributoren beziehen. Höchstens bei Spezialdistis wie Engelberger für Fotoprodukte. Aber das sind Ausnahmen. Sie könnten uns drei durch drei andere Fachhändler austauschen und Sie bekämen mit grösster Wahrscheinlichkeit identische Antworten. Wahrscheinlich haben die Distis Mühe, in diesem Segment Fuss zu fassen. Wir sitzen nicht im Geschäft und warten, dass eine neue Marke in die Schweiz kommt. Wir versuchen mit den bestehenden Marken erfolgreich zu arbeiten. So lange die Partnerschaft für beide Seiten stimmt, bemühen wir uns, diese zu erhalten. Ein fremder, neuer Anbieter kann erst von einem Fehler eines alten Anbieters profitieren, den dieser aber zuerst einmal begehen muss. Und dann muss er auch beweisen, dass er es besser macht.

Haller: Die typischen Distributoren, von denen wir hier reden, kommen ja fast ausschliesslich aus dem IT-Bereich. Es ist eben schon ein Unterschied, ob man einen Generalimporteur hat, der eine Marke seit Jahren breit aufgebaut und etabliert hat oder ob man eine Distribution hat, die die 51. Marke jetzt auch noch anbietet und das Gefühl hat, mit einem grösseren Blumenstrauss ist sie attraktiver. In der Distribution springen die Marken teilweise auch von einem Dis­ti zum anderen. In der IT ist das vielleicht gang und gäbe, in der Unterhaltungselektronik nicht. Der Fachhandel will Beständigkeit. Wenn er einen Generalimporteur hat, der seit 40 Jahren eine Marke vertritt, wartet er nicht unbedingt auf einen Disti, der diese jetzt auch noch anbietet.

Sind sie in einer Händlergenossenschaft? Welche Aufgaben übernimmt so eine Organisation?

Sidler: Wir alle drei sind Schweizer Händler, Also sind wir bei der Schweizer Händlervereinigung Interfunk dabei. Neben unserem Bonusystem ist in erster Linie die Nähe von Zentrale und Mitglied zu nennen. Wir Mitglieder werden in allen geschäftlichen und betriebswirtschaftlichen Belangen unterstützt. Je nach Bedürfnis werden Sanierungen, Expansionen, Neugründungen und Übernahmen begleitet.

Wie läuft der Einkauf über Interfunk?
Haller: Jeder bestellt beim Lieferanten direkt und wird auch direkt beliefert. Es gibt aber einen Umsatz für Interfunk. Die Lieferanten sind bei der Einkaufsgenossenschaft gelistet: Wer Mitglied bei Interfunk ist, hat bei den einzelnen Lieferanten finanzielle Vorteile oder Vorlauf bei speziellen Produkten, die durch Interfunk eingeführt werden.


Warum sind Sie Mitglied bei Interfunk und nicht Tetora, die in der Schweiz mehr Mitglieder hat?
Sidler: Für mich als ein Schweizer KMU gibt es gar keine Alternative. Zum einen sind alle Mitglieder grundsätzlich selbstständige Unternehmer und treffen somit autarke Entscheidungen. Zum anderen werden Probleme, die die Interfunk-Familie betreffen, immer gemeinsam mit uns Händlern gelöst. Diese Vorgehensweise hat sich bewährt. Zentrale und Mitglieder wissen, dass sie in einem Boot sitzen und nur gemeinsam stark sind. Das oberste Ziel muss weiterhin die intensive Zusammenarbeit mit dem qualifizierten CE-Fachhandel und unseren Schweizer Lieferanten sein. Natürlich behalten wird auch den gesamten Schweizer und den europäischen Markt sehr genau im Auge, um falls nötig, rechtzeitig und nach Absprache mit den Betroffenen, Korrekturen vorzunehmen. Mit Euronics, wozu Interfunk gehört, haben wir europaweit die mit Abstand grösste CE-Fachhändlerkooperation hinter uns.

Haller: Interfunk gehört uns Mitgliedern und jeder Umsatzfranken kommt uns indirekt wieder zugute. Das ist ein entscheidender Punkt. Jeder hat den gleichen Umsatzbonus, kleinere Geschäfte können von grösseren profitieren.

Wie sieht die nahe Zukunft im UE/CE-Segment aus?

Haller: Der System- und Integrationsgedanke mit den heutigen Möglichkeiten lässt viele Wünsche beim Konsumenten wach werden. Und sei es nur das Vernetzen bereits bestehender Geräte. Technisch ist enorm viel möglich. Ob das immer alles Sinn macht, sei dahingestellt. Zum anderen denke ich, werden wir wieder etwas zurück zu den Wurzeln kommen: Einfache Bedienbarkeit für jedermann. IT und UE haben zudem schon immer von Neuheiten gelebt, bessere Bilder, höhere Klangqualität, grösserer Speicherplatz, flachere Bildschirme. Dieser Wachstumsmotor wird sich weiterdrehen. Wir müssen fähig sein, die neue Technik zu implementieren.

Gründler: Wir müssen die Leute mit unserem Know-how abholen, Dienstleistungen werden noch zunehmen. Ausserdem werden die guten, alten Sachen wiederkommen. Wir haben zum Beispiel wieder eine Sammlung Plattenspieler und edle, leistungsstarke Lautsprecher im Sortiment, die sehr gut laufen. Der Kunde ist den ganzen Tag von soviel moderner Technik umgeben, dass er die mechanischen Sachen wieder schätzen lernt. Die Grossen in der Musikindustrie geben beispielsweise mittlerweile schon wieder LPs raus.


Sidler: Programm-Anbieter sind gefragt, bessere Qualität und bessere Inhalte zu bieten. Zudem sollte das ganze Verschlüsseln verboten werden. Auf all das, was man über die Luft frei empfangen kann, muss man mit jedem Fernseher unverschlüsselt zugreifen können. Die Zukunft ist Also nicht allein von der Technik bestimmt, mit der schon viel mehr möglich wäre, wenn man dürfte, sondern auch von Gesetzesregelungen und Rechten abhängig. Wenn die Industrie nicht mehr Umsatz über die Marge generieren kann, versucht sie es durch Hintertüren und gewisse Zugangsrechte oder Verbote reinzuholen. Plötzlich gibt es politische Bremsen. Man könnte Kundenwünsche zwar erfüllen, darf sie aber nicht erfüllen, wie es am Beispiel der Set-Top-Boxen-Diskussion zur Zeit zu sehen ist. Die Zukunft sehe ich eindeutig positiv, aber wir allein können sie nicht entscheiden. (Interview: Susann Klossek)

Beat Sidler

Der gelernte Techniker hat vor 15 Jahren die Firma Zollinger in Zürich übernommen. Zusammen mit einem Kollegen führt er zudem die Geschäfte Radio Meyer, Fawer Multimedia und IT Meyer in Zürch-Wollishofen und Zürich-Höngg.

Markus Haller

Der Radio- und TV-Verkäufer und dipl. Kaufmann übernahm vor 20 Jahren die Firma Tschachtli in Wohlen und führt seit knapp drei Jahren zusätzlich die Geschäfte der übernommenen Firmen Frei RTV sowie Stierli AG.

Thomas Gründler

Der Geschäftsführer der Sauter AG ist Chef über 24 Mitarbeitende in den vier Geschäftsstellen in Schaffhausen, Neuhausen und Andelfingen, die über Beteiligungen mit dem lokalen Kabelnetzbetreiber verflochten sind.


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