Ressourcen-Knappheit trübt die schönen Aussichten

Die Schweizer IT-Dienstleister werden auch dieses Jahr von steigendem Investitionsbedarf und dem Bedürfnis nach Auslagerung der IT oder Teilen davon profitieren. Der ausgetrocknete Stellenmarkt bremst allerdings die Entwicklung. Manche Firmen reagieren auf die Engpässe mit Offshoring und eigenen Schulungssaktivitäten.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/01

     

Seit 2005 geht es, grob gesagt, der Schweizer IT-Branche wieder in grossen Teilen besser. Der Aufwärtstrend, der sich bei der von IT Reseller traditionell Anfang des Jahres durchgeführten Konjunkturumfrage bereits vor zwei Jahren andeutete, wurde letztes Jahr erstmals und wird nun anlässlich der akutellen Erhebung erneut bestätigt. Kurzum: Der Schweizer IT-Branche geht es derzeit so gut wie schon lange nicht mehr. Einziger Wermutstropfen ist der ausgetrocknete Arbeitsmarkt, der sich aufgrund der allseits guten Auslastung zwangsläufig ergibt und sich mancherorts direkt auf das Wachstum der IT-Dienstleister auswirkt.
Vor einem Jahr noch antworteten 65 Prozent aller befragten Firmen, sie hätten 2006 zusätzliches Personal eingestellt. Diese bereits damals erfreuliche Zahl wird dieses Jahr sogar noch deutlich übertroffen: von den 39 teilnehmenden Firmen haben 34 Unternehmen (oder 87 Prozent) letztes Jahr zusätzliches Personal eingestellt. Lediglich fünf Vertreter der antwortenden Firmen gaben an, personell im letzten Jahr nicht gewachsen zu sein. Stellen abgebaut hat, zumindest von den an der Umfrage teilnehmenden Firmen, offenbar niemand. Für das laufende Jahr rechnen 38 der 39 Firmen damit, den Mitarbeiterbestand weiter zu erhöhen. Lediglich eine Firma will dieses Jahr nicht personell ausbauen.

Steigende Umsätze

Entsprechend den Erhöhungen der Mitarbeiterbestände in den Firmen ergeben sich die Aussagen über die Umsatzentwicklung der an der Umfrage teilnehmenden Firmen: Dabei sieht es dieses Mal gar noch einen Tick besser aus als bei der letzten Befragung. Während 2006 97 Prozent mehr umgesetzt haben als im Vorjahr, gab diesmal nur ein Teilnehmer an, 2007 gleich viel Umsatz gemacht zu haben wie 2006. 38 Firmen haben, glaubt man ihren Aussagen, die Umsätze im letzten Jahr gesteigert. Rund ein Drittel der Befragten wuchs umsatzmässig im einstelligen Bereich, ein weiteres Drittel wuchs zwischen 10 und 20 Prozent und ein weiteres Drittel gab gar an, im 2007 mehr als 20 Prozent Umsatzzuwachs verzeichnet zu haben.
Passend zu den satten Steigerungen im vergangenen Jahr sind die Prognosen für das laufende Kalenderjahr etwas zurückhaltender: 60 Prozent erwarten ein Wachstum bis 10 Prozent, 30 Prozent gehen von einem Wachstum zwischen 10 und 20 Prozent aus und lediglich 10 Prozent der Firmen rechnen mit einer Umsatzsteigerung über 20 Prozent. Zum Vergleich: Die an der Umfrage teilnehmenden Firmen machten 2007 gemäss Angaben einen Umsatz weit über einer Milliarde Franken, wovon naturgemäss eine Handvoll Firmen den Löwenanteil ausmacht.

Problem Ressourcenverknappung

Den Schweizer IT-Dienstleistern geht es also sehr gut. Es gibt ein paar wenige, die mit dem Zustand zufrieden sind und keine Probleme mit der Rekrutierung von neuem Personal haben. So beispielsweise Itris-CEO Alfred Winkler: «Bisher konnten die offenen Stellen besetzt werden.» Doch lässt sich vermuten, dass die Tatsache, dass die erwarteten Umsatzsteigerungen für dieses Jahr, verglichen mit den Steigerungen im letzten Jahr, nicht ganz so euphorisch ausfallen, ausser mit der naturgemässen Abflachung des Wachstums auch damit zusammenhängen könnte, dass viele Firmen ihr Wachstum durch den mittlerweile äusserst ausgetrockneten Arbeitsmarkt gebremst sehen. «Der akute Ressourcenengpass ist die grösste Herausforderung», sagt etwa Stephan Schneider, Managing Director von Vcare Infosys­tems. Gemäss Schneider besteht die Problematik allerdings nicht nur darin, neue Mitarbeitende zu finden, sondern auch bestehende zu halten und weiterzuentwickeln. Schneider meint, es müssten «neue Wege gefunden werden, um qualifiziertes Personal bereitstellen zu können». Deshalb arbeitet Vcare derzeit an einem «Talent-Schmiede»-Projekt.
Ähnliche Absichten verfolgen auch weitere Teilnehmer der Umfrage. So setzt Sergio Kaufmann, CEO von Comdat Datasystems auf langfristige Planung mittels Lehrlingsausbildung oder auch Bruno Morandi, Leiter Marketing und Verkauf bei In4U bildet Lehrlinge aus, aktuell hat er vier unter Vertrag, die gezielt gefördert und spezialisiert werden. Michael Hänzi, Mitinhaber der Tankred Holding, baut auf das Engagement jüngerer Mitarbeitenden, die auf die notwendigen Profile ausgebildet werden. Hänzi bemerkt aber: «Grundsätzlich bremst die beschränkte Arbeitsmarktsitua­tion unsere Expansion.»
Insgesamt wollen drei Viertel der Befragten 2008 in Mitarbeiterschulung investieren (s. Kasten). Dazu gehört auch Belsoft-CEO Urs Bühler, der Projekte nicht an andere Firmen auslagern oder Temporärangestellte beschäftigen will. Lieber setzt Bühler zusätzlich auf die Suche nach Arbeitskräften im Ausland. Damit ist er nicht der einzige, überhaupt scheint die Rekrutierung von IT-Fachpersonal im (benachbarten deutschsprachigen) Ausland bei den Umfrageteilnehmern ein weitverbreitetes Mittel zu sein, den Ressourcenengpässen zu begegnen, auch wenn es der eine oder andere nicht gern öffentlich zugeben will.

Offshoring als letztes Mittel?

Bei international tätigen Firmen ist dies jedoch gang und gäbe. Karl Ansbök, Country General Manager von Unisys, sagt: «Unser grösstes Wachstum kommt von internationalen Kunden, denen wir über Global Sourcing Dienstleistungen über osteuropäische oder asiatische Shared Service Center liefern. Dadurch sind wir vom Schweizer Arbeitsmarkt nur zum Teil betroffen.» Ähnliche Wege beschreitet seit neuestem auch Nicolas Vezin, CEO von Steria Schweiz: «Der Mangel an Ingenieuren ist für das IT-Dienstleistungsgeschäft äusserst kritisch. Wir suchen deshalb neu auch im Ausland und arbeiten vermehrt mit den Offshore-Kapazitäten der Steria-Gruppe.»
Es gibt allerdings auch Schweizer Firmen, die ihre Lieferengpässe respektive die Probleme mit den fehlenden Kapazitäten im Schweizer Arbeitsmarkt in Fernost lösen. So setzt Essi Fischer, CEO des Microsoft-Sepzialisten 1eEurope, auf die Auslagerung von Entwicklungsarbeiten nach China. Seine persönliche Bemerkung zur generellen Lage im Schweizer IT-Markt bleibt entsprechend trocken: «Wer richtig positioniert ist, braucht sich vorläufig keine Sorgen zu machen.» Offshoring als letzte Lösung? Nicht ganz. Einige Umfrageteilnehmer gaben auch an, gezielt Hochschulabgänger oder Personalberater zu engagieren. Dirk Sonntag, Leiter Corporate Marketing des SAP-Dienstleisters AC-Service gibt gar unumwunden zu, auf die vertrauliche Direktansprache von Kandidaten zu setzen. Schliesslich gaben auch einige Befragte an, in diesem Jahr Geld in Akquisitionen und allgemein in die Expansion zu stecken.
Das grösste Entwicklungspotential sehen die IT-Firmen in den bekannten Schlüsselthemen Storage, Security, Rechenzentrum- und Serverkonsolidierung sowie (Tendenz gegenüber Vorjahr steigend) Teil-Outsourcing. Bruno Morandi von In4U sei hier stellvertretend zitiert. Er sagt: «Unsere Outsourcing-Deals zeigen, dass IT-Outsourcing vermehrt auch für KMU ein Thema ist.» Seine Firma konnte im letzten Jahr den Umsatz offensichtlich um 32 Prozent steigern. Und für 2008 ist Morandi sehr optimistisch: «Wir konnten bereits im Januar etliche Full-Outsourcing-Verträge abschliessen.»


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