Hans-Jürg Lüthi - Der Ruhelose

Die Schweizer IT-Branche kennt er in- und auswendig und die meisten Brancheninsider kennen ihn: Nach lediglich zwei Jahren in Frühpension meldet sich Hans-Jürg Lüthi als Geschäftsführer des Value-Added-Distributors Abo-Storage (Archive, Backup, Online) zurück im Geschäft. «Heute bezeichne ich das eher als Sabbatical denn als Frühpensionierung», so Lüthi. Dabei war es ihm mit dem Ruhestand wirklich ernst: Er arbeitete unentgeltlich für den WWF als Berater der Geschäftsleitung der Panda AG und baute mit viel Eigenleistung sein Haus um. Damit ist nun Schluss: «Im Moment verlangt die Firma meine ganze Aufmerksamkeit.»

Karrierestart vor 40 Jahren

Begonnen hatte Lüthis Karriere in der IT-Branche vor rund 40 Jahren mit ­einer Ausbildung zum Fernmelde- und Elektronikapparatemonteur - dem heu­tigen Elektroniker - bei den Albis-Werken. Nach einem weiteren Jahr in einem Albis-Entwicklungs­labor wechselte er als Computertechniker zum Spezialisten für Kassen­systeme und IT-Dienstleistungen NCR. Damals seien die Margen noch gross gewesen und die Firmen dementsprechend grosszügig zu ihren Mitarbeitenden. So hatte Lüthi die Gelegenheit, zusammen mit seiner Frau mehrmals zur Weiterbildung in die NCR-Niederlassungen in den USA, Grossbritannien und Deutschland zu reisen. Beim ersten Mal verschlug es sie nach Dayton, eine gemäss Lüthi «stinklangweilige Stadt» im Bundesstaat Ohio. «Die Gegend ist weder landschaftlich noch kulturell besonders ansprechend, trotzdem war es für meine Frau und mich eine grossartige Erfahrung.»
Nach einem Zwischenstopp bei EKZ fand Lüthi eine spannende Herausforderung bei DEC (der damaligen «Digital Equipment Corporation») zuerst im technischen Support, dann als Leiter MIS, der IT von DEC Schweiz. Wieder­um bei NCR Schweiz arbeitete Lüthi ­einige Jahre im Communication Software Support und leitete danach verschiedene Supportabteilungen. Nach einem kürzeren Intermezzo bei ABB stieg Lüthi vor nunmehr elf Jahren in die Firma seines Bruders ein. Dabei zeichnete er für den Aufbau des Speicherdistributors Datastore verantwortlich. «Ich dachte mir, es wäre schön, mal wieder etwas Technisches zu machen», so Lüthi. Zu Beginn, als lediglich er und eine Sachbearbeiterin für Datastore gearbeitet hätten, sei der technische Aspekt tatsächlich noch im Zentrum seiner Arbeit gestanden. «Mit der Zeit hatten wir aber 14 Angestellte und ich musste mich immer mehr ums Controlling und die Kundenpflege kümmern.» Dies war für Lüthi eine neue Erfahrung. Er sei halt kein Gewohheitstier und mache gerne Neues.
Neue Wege wollte auch der Storage-Hersteller Netapp gehen, und so ­gelangte die Anfrage, die Betreuung der Netapp-Partner zu übernehmen, schluss­endlich an Hans-Jürg Lüthi. Nach kurzem Zögern und einem Gespräch mit seiner Frau («Sie schaut jeweils dafür, dass ich nicht zu weit gehe.») nahm er die Herausforderung zusammen mit Geschäftspartner ­Norbert Kopp an. Kopp war zuvor bei Datastore tätig und von der neuen Möglichkeit sehr angetan.

Entlastung der Netapp-Techniker

«Ich bin kein Mensch, der am Abend bereits wissen will, wie der nächste Tag abläuft», so Lüthi. Deshalb erlebe er die Startup-Phase als besonders spannend. Danach gedenke er, die Leitung einer gut vorbereiteten Nachfolge zu übergeben.
Bis es soweit ist, braucht es allerdings noch Zeit. Netapp ist in der Schweiz so schnell gewachsen, dass es nicht einfach war, die Infrastruktur im selben Rhythmus aufzubauen. Die in Glattbrugg bei Zürich angesiedelte Abo-Storage übernimmt nun die Arbeit mit den Resellern, damit sich die Netapp-Angestellten auf andere Aufgaben, speziell auch auf Grossprojekte, konzentrieren können. Nach der Gründung der Firma ging alles ganz schnell: «Per 1. Mai 2007 wird das Reseller-Geschäft von Abo-Storage abgewickelt», lautete die Order aus dem Netapp-Hauptquartier. Seither unterstützten Lüthi und sein Team die Systemhäuser und Reseller je nach Bedarf und bieten im hauseigenen Schulungsraum auch Fortbildungskurse an. Das Demonstrationszentrum wird gerade aufgebaut. «Wir haben als neutrale Anlaufstelle auch den Vorteil, dass wir das Netapp-Portfolio mit Produkten von Drittanbietern ergänzen können, wenn sich zeigt, dass es sinnvoll ist», so Lüthi. Bei den Händlern findet die neue Lösung gute Akzeptanz. Das Feedback sei jedenfalls positiv.

Kein Mann für überfüllte Strände

Seine drei erwachsenen Kinder teilen Lüthis Begeisterung für die IT-Branche nicht. Die häufige Abwesenheit habe ihnen gezeigt, wieviel Engagement dieses Metier erfordert, bemerkt Lüthi. So wurde der eine Sohn Zimmermann, der andere Maschineningenieur, und die Tochter arbeitet als Pflegefachfrau. Trotz der vielen Arbeit bezeichnet Lüthi sein Familienleben als intensiv. Ansonsten verbringe er seine Freizeit am liebsten mit einem interessanten Buch. Aber auch Joggen, Velofahren und Langlaufen zählen zu Lüthis bevorzugten Freizeit­aktivitäten. «Leider kann ich im ­Moment wegen einer Knieoperation keinen Sport mehr treiben», sagt er mit einem Augenzwinkern und legt sich dabei die Hand auf den Bauch.
Obwohl er sich sehr für andere Länder und Kulturen interessiert, hat Lüthi privat noch nicht viele Reisen gemacht. Das sei ihm kürzlich erst bewusst geworden. «Der Tag hat eben nur 24 Stunden und man muss sich die Zeit einteilen.» Er habe auch keine Lust, Massentourismus-Mekkas wie Thailand oder Gran Canaria zu besuchen. Lüthi mag die nördlichen Breitengrade sowieso lieber. Trotzdem will er mit seiner Frau Indien erkunden, sobald er die Zeit dazu findet. Sie macht momentan eine Ausbildung zur Yogalehrerin, der Bundesstaat Goa ist da als Reiseziel naheliegend. Vorerst geniesst Hans-Jürg Lüthi aber sein Comeback in der IT-Branche: «Es macht mir riesigen Spass, all die Leute zu treffen, von denen ich dachte, dass ich sie nie mehr sehen würde.» (mag)

Hans-Jürg Lüthi

Hans-Jürg Lüthi ist 1944 geboren und in Zürich aufgewachsen, wo er auch heute noch lebt. Er hat drei erwachsene Kinder, zwei Söhne und eine Tochter. Mittlerweile ist er Grossvater und hat insgesamt fünf Enkel. Während seiner zweijährigen Auszeit arbeitete er ehrenamtlich für die Umweltschutzorganisation WWF.
Die Natur bedeutet ihm viel: Lüthi verbringt viel Zeit in seinem Ferienhaus auf einer Alp im Tessin, wo es keinen Fernseher gibt und er den Strom mit einer Solaranlage selber erzeugt. Wenn er einmal endgültig in den Ruhestand geht, will er sich wieder für unentgeltliche Arbeiten zur Verfügung stellen.