SOA und BPM in Wechselwirkung

Serviceorientierte Architekturen (SOA) zwingen, sich mit den Geschäftsprozessen in den Firmen zu befassen. Business Process Management wirkt hier unterstützend und tritt dabei in eine Wechselwirkung mit den SOA-Ansätzen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/05

     

Bei Unternehmen, die bereits Enter­prise Application Integration (EAI) umgesetzt haben, ist das Grundproblem der Anwendungsintegration – der Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Systemen und Anwendungen – weitgehend gelöst. Nach der erfolgreichen Etablierung von Konnektoren und Adaptern, die Daten von einem Format in ein anderes Format überführen, stellt sich nun zunehmend eine neue Herausforderung: Die Interaktionen zwischen den verschiedenen Anwendungen müssen effizient in die Geschäftsprozesse eingebunden werden (Serviceorchestrierung).
Die vollständig IT-gestützte Abwicklung von Geschäftsprozessen wird durch EAI und Serviceorchestrierung in einer SOA jedoch nur teilweise unterstützt; es fehlt der Aspekt interaktiver Bearbeitungsschritte in einem Prozess. Dieses Thema wurde klassisch von Workflow-Systemen und – bei dokumentenzentriertem Workflow – von ­Doku­mentenmanagement-Systemen abgedeckt. Diese sind – wie die klassischen EAI-Systeme – jedoch in ihrer Technologie stark proprietär (eigene Servertechnologie, sehr spezifische
Administrationsaufgaben).

Der Prozess-Lebenszyklus

Bei den Anwendern wächst nun das ­Interesse an Lösungen, die auch eine Optimierung und Flexibilisierung ihrer Kernprozesse ermöglichen. Diese Volatilität von Prozessstrukturen lässt generative Lösungen zur Codierung von ­Prozesslogik in Programmiersprachen ausscheiden, da hier insbesondere Probleme der Versionsko­existenz nur unzureichend unterstützt werden. Gefordert ist ein neuer Kernbestandteil der IT-Infrastruktur, der Unterstützung für den gesamten - sicher iterativ durchlaufenen Lebenszyklus von Prozessen gewährleistet: das BPM-System.
Als wesentliche Schritte einer prozessgetriebenen Software-Entwicklung bis zur Prozessausführung lassen sich daher identifizieren:
- die Beschreibung der Prozessstruktur (Topologie) und die informale Beschreibung der beteiligten Systeme und Daten auf der Ebene von deren Geschäftslogik,
- die detaillierte Spezifikation der beteiligten Daten sowie der aufgerufenen Dienste und Anwendungsbausteine.

Prozess-Blaupausen

Weitere Herausforderungen liegen in der Integration der fachlichen (Prozess-) und technischen (IT-)Ebene, sowie in der Transformation der klassischen, zeitversetzt durchgeführten Prozessanalyse hin zum Business ­Activity Monitoring (BAM), das Echtzeitlösungen zur Verfügung stellt.
Neben technologisch vorgehaltener Funktionalität zur Orchestrierung von Anwendungen gewinnen auch branchenspezifische (Kreditmanagement, Schadensmanagement) oder generische (Incident Management, Posteingang) Prozess-Blaupausen zunehmend an Bedeutung. Solche Blaupausen beschreiben typische Geschäftsprozesse, die dann beim Einsatz in einem konkreten Unternehmen verfeinert und angepasst werden müssen.

Die technische Infrastruktur

Als Plattform für Neuentwicklung und Integration wird in den meisten Unternehmen heute J2EE (Java 2 Enterprise Edition) gewählt. Kernfragen der Anwendungsentwicklung und des Betriebs sind für diese Plattform geklärt; entsprechende Produkte sind sowohl kommerziell (BEA Weblogic, IBM Websphere, Oracle Application Server, SAP Netweaver) als auch frei (JBoss, JOnAS) verfügbar.
In diese Plattform muss sich das BPM-System einfügen – und zwar sowohl bezüglich der Integrationsaspekte (Transaktionen, Security) als auch bezüglich betrieblicher Aspekte (Backup, Monitoring, Lastverteilung und Ausfallsicherheit).

Standards zur Prozessbeschreibung

Standards zur Beschreibung von Prozesslogik «oberhalb» von Elementen einer Programmiersprache (Klasse, Variable, Parameter, Block, Schleife, Entscheidung) durch Begriffe wie Prozess, Aktivität, Rolle, Organisation, Anwendung oder prozessrelevantes Datenobjekt gibt es schon eine Weile. Die Workflow Management Coalition (WfMC) hat bereits 1990 ein entsprechendes Metamodell standardisiert (www.wfmc.org).
Zur Beschreibung von ausführbaren Geschäftsprozessen haben sich aus verschiedenen Strömungen in den vergangenen Jahren zwei Kandidaten herauskristallisiert, die beide eine XML-Repräsentation der Prozesslogik liefern. Beide Standards werden bereits von Produkten unterstützt. Ein Zusammenwachsen dieser Standards oder alternativ die Dominanz eines der beiden ist für die nächsten ein bis zwei Jahre zu erwarten:


- die XML Process Definition Lan­guage (XPDL) der WfMC und
- die Business Process Execution Language for Web Services (WS-BPEL, kurz BPEL, früher BPEL4WS, www.oasis-open.org/committees/tc_home.php?wg_abbrev=wsbpel).

Integration von Oberflächen

Prozessmodelle lassen sich besonders eingängig grafisch darstellen. Hier haben sich einerseits Aktivitätsdiagramme in UML 2.0 sowie die Business Process Modeling Notation (BPMN) etabliert. BPMN ist deutlich näher an den Modellelementen von XPDL und BPEL, so dass BPMN gute Chancen eingeräumt werden müssen. Schon länger gibt es Werkzeuge, die sich mehr an den Bedürfnissen der Organisatoren und Fachabteilungen orientieren, deren Modelle dann aber von Workflow-Systemen «verstanden» werden müssen.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass Workflow, Anwendungsintegration und Serviceorchestrierung zukünftig über eine Standardplattform – das BPM-System – abgewickelt werden, das ein ebenso zentraler Bestandteil einer IT-Infrastruktur werden wird wie Datenbank und Application Server.

Die Autoren:

Dr. Marc Gille ist ­Gründer und Vorstand des Softwareherstellers Carnot.

Michael Jung ist Vertriebsleiter der Software- und Beratungsfirmen Synlogic und Get Process.


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