Der Kampf um die goldene Mitte

Reine J2EE-Server für die Integration gelten mittlerweile als Commodity. Die Middleware befindet sich im Sandwich zwischen Marktkonsolidierung und Service Oriented Architecture. Trotzdem kommt an diesem zentralen Element niemand vorbei. Es findet ein Kampf an vielen Fronten statt.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/05

     

Andy Freitknecht, Schweizer COO des IT-Dienstleisters Accenture, ist überzeugt, dass Serviceorientierte Architektur (SOA) die nächste grosse Welle im IT-Business ist: «Von ihrer Bedeutung her ist SOA mit dem Internet vergleichbar.» Und Mark Saxer, Kommunikationschef von EDS Schweiz, meint: «Ohne moderne Architekturen wie SOA ist heute gar kein Verkaufsgespräch mehr zu führen.»
Dabei war in den Neunzigerjahren die Konkurrenz eher skeptisch, als IBM erklärte, entscheidend für eine unternehmensweite Anwenderlandschaft sei die Middleware. Mittlerweile haben auch die Applikationsanbieter bemerkt, dass Middleware ein wichtiger Faktor ist. Seither richten sowohl die grossen Anbieter wie IBM SAP, Oracle, BEA, Microsoft sowie auch andere ihre Middleware zunehmend auf SOA ein.
Damit ist der Kampf um den Markt eröffnet. Freitknecht: «Die konventionellen Middleware-Anbieter geraten gleich von zwei Seiten unter Druck. Einerseits entstehen neue, flexible Nischenplayer. Anderseits nehmen die Grossen das Thema auf und investieren in Eigenentwicklungen und Übernahmen.»

Best of Bred

«Reine J2EE-Server sind heute Commodity», sagt Marc Stampfli, zuständig für Business Integration und SOA bei Oracle. «Heute geht der Kampf auf dem Markt um die SOA-Middleware. Unsere auf Fusion basierende SOA-Suite ist daher, wie wir sagen, hot pluggable und läuft auf jedem J2EE-Server.» Mit welchen Bandagen gekämpft wird, zeigt das Abkommen zwischen Oracle und Hewlett-Packard: HP will auf Fusion und der eigenen System-Management-Software basierende SOA-Dienstleistungen anbieten und setzt so bisherige Partner wie BEA unter Druck (siehe Kasten).
«Eigentlich ist es ja gut, dass auch andere gemerkt haben, dass sie nicht ohne Middleware-Struktur auskommen», kommentiert Roger Müller, Leiter des Bereichs Software bei IBM Schweiz, die Entwicklung. «Netweaver etwa war ja ursprünglich für die Integration der SAP-eigenen Anwendungen gedacht.» Und er betont: «IBM vertreibt als einziger unter den grossen Anbietern keine eigenen Applikationen. Wir stellen unseren Kunden und ISVs ein Middleware-Stack auf der Basis von ­Linux, Eclipse, DB2 und WebSphere zur Verfügung, das auf Java und Web-Standards basiert. Damit lassen sich beliebige Applikationen integrieren.» Und er fügt hinzu: «In aller Bescheidenheit, mit Plattformen für Best-of-Breed-Funktionalität haben wir mehr Erfahrung als die meisten unserer Mitbewerber.»

Marktkonsolidierung ist absehbar

Freitknecht erklärt: «Für Dienstleister wie Accenture oder IBM, die ein grosses Branchen-Wissen haben, ermöglicht SOA, dieses in wiederverwendbare Services zu verpacken. ­Damit lassen sich auch die grossen Softwarepakete sinnvoll ergänzen, da diese ja nie alles abdecken.»
Müller seinerseits meint für IBM: «Mit unserem Middleware-Stack stellen wir über die Open-Source-Teile hinaus zusätzliche Features zur Verfügung. Für diese sind die Kunden auch bereit, zu bezahlen. Doch mit der Zeit werden diese voraussichtlich ebenfalls zu Commodities werden. So lief es bisher immer in der Geschichte der IT. Natürlich gibt es immer wieder kleine, innovative Firmen, die sich am Anfang differenzieren können. Aber grundsätzlich läuft alles auf eine Konsolidierung hin.»
Für Stampfli ist Open Source insbesondere ein wichtiger Treiber für offene Standards, ohne die eine SOA nicht zu realisieren ist. Aber auch für ihn ist klar, dass diese Entwicklung zu einer Konsolidierung führen wird: «Mit den SOA-Plattformen wird es ähnlich gehen wie mit den Webservern, von denen es Mitte der Neunzigerjahre rund hundert gab. Heute haben sich zwei durchgesetzt. Die Konsolidierung bei SOA hat bereits begonnen. Bis in fünf oder sechs Jahren werden wohl nur noch die grossen Anbieter übrig bleiben.»

Web-Services und ESB

Web-Services werden in den SOA-Angeboten immer wichtiger. Zwar lässt sich eine SOA auch mit herkömmlicher Middleware aufbauen, doch Saxer fällt bei Web-Services sogleich das alkoholfreie Bier ein: Nicht immer, aber immer öfter. Doch Web-Services allein, so Saxer, genügten für eine moderne Architektur nicht: «Deshalb hat EDS zusammen mit Microsoft, Oracle, SAP, Sun und anderen die Agility Alliance gegründet, um die Agile Enterprise Plattform, ein globales Dienstleistungssystem der nächsten Generation, zu entwickeln.»
Immer mehr Anbieter von Middleware setzen auch auf den Enterprise Service Bus (EBS), sei es, um unterschiedliche Integrations-Szenarios besser unterstützen zu können oder um sich gegenüber Drittanbietern besser zu positionieren. «Der EBS ist eine technische Umsetzung von SOA. Hier tummeln sich mittlerweile eine ganze Reihe neuer Nischenplayer», stellt Freitknecht fest.
ESB verlangt jedoch sinnvollerweise ein regelbasiertes Management. Da dieses meist Teil der grossen SOA-Plattformen ist, integrieren die Anbieter vermehrt EBS in ihre Middleware-Suiten. In diesem Zusammenhang ist auch Microsofts Windows Communication Foundation (WDF) zu sehen, mit der EBS-Funktionalitäten in Windows verankert werden. Zusammen mit der Windows Workflow Foun­dation in Vista und Loghorn entstehen so ESB-fähige Windows-Clients und –Server «out of the box». Für diese Sicht spricht auch, dass Microsoft angekündigt hat, WCF auch für WindowsXP und Server 2003 verfügbar zu machen. Reine ESB-Anbieter werden wohl auf einem von Plattformen beherrschten Markt längerfristig einen schweren Stand haben. (fis)


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