Integration ohne Ende

Die IT-Reseller-Umfrage unter Herstellern und Dienstleistern in den Bereichen EAI, Middleware und SOA zeigt, dass das Geschäft mit der Integration brummt. Die Kunden wollen ihre Infrastruktur fit für die Zukunft machen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/05

     

Die Vision ist klar: Im Unternehmen der Zukunft stehen alle geschäftskritischen Informationen rund um die Uhr in Echtzeit per Knopfdruck zur Verfügung. Wird eine neue Geschäftsidee entwickelt, so sind die notwendigen IT-Prozesse im Nu aus bestehenden Services zusammengeklickt. Medienbrüche gibt es keine mehr – alles ist integriert.
Von dieser Vision ist der Geschäftsalltag noch ein Stück weit entfernt – je nach Branche sogar noch meilenweit. Aber die IT-Industrie ist dabei, immer mehr Firmen für das Konzept einer Serviceorientierten Architektur (SOA) zu gewinnen, mit der die Vision des Echtzeitunternehmens umgesetzt werden kann.
Allen voran ist die Finanzindustrie jene Branche, in der am meisten Integrationsprojekte umgesetzt werden. Dies geht aus einer Umfrage von IT Reseller unter Herstellern und Dienstleistern hervor, die in den Bereichen Enterpise Application Integration (EAI), Middleware und Service Oriented Architecture tätig sind. Auch weitere Wirtschaftszweige entwickeln sich vielversprechend.

Vielfältige Projekte

Auf konkrete Projekte angesprochen erwähnt beispielsweise Daniel Schmidt, Marketingleiter bei BSI Business Systems Integration, einen Auftrag des grössten Schweizer «Nicht-Bank-Finanzdienstleisters», bei dem ein EAI- und ESB-Projekt (Enterprise Service Bus) umgesetzt worden sei. Jürg Funk-Jakob, CEO des Dienstleisters CT Module, nennt ein Projekt für die automatische Informationsverteilung im Kantonsspital Baden, bei dem seine Firma zum Zug kam. Soreco hat sich hingegen im Auftrag verschiedener Kunden (u.a. Jean-Frey, TCS, Valiant, RBA) um die neue Strukturierung der HR-Prozesse gekümmert. Alcotel Systems wiederum hat für einen Industriebetrieb eine zentrale Supportlösung mit Schnittstellen zu SAP und Drittsystemen eingerichtet, mit dem Ziel, die Abläufe gemäss ITIL (Information Technology Infrastructure Library) zu optimieren. Der Dienstleister Unic schlägt sich hingegen mit der Konsolidierung der Informationsströme bei Customer Rela­tionship Management und dem Product Information Management herum, wie CTO Simon Scheurer ausführt. Matthew Turnbull, Director Technology Consulting von Unisys, nennt Mainframe-Integration und J2EE-Projekte für Back-Office-Anwendungen bei Bund und Banking-Kunden als wichtige Projekte.
Die Bereiche, in denen die IT-Unternehmen bei ihren Kunden mit Integrationsprojekten zu Werke gehen, sind also äusserst vielfältig. Ein wichtiges Stichwort für ein Muster, das den verschiedenen Integrationsprojekte gemein ist, nennt Thomas Marko, Geschäftsführer der auf Integra­tion spezialisierten Firma BINT aus Winterthur: Es gehe um den Brückenschlag zwischen technischer und betriebswirtschaftlicher Informatik. Hinsichtlich SOA muss man als Dienstleister gemäss Andres Koch, Geschäftsführer Object Engineering, bei den Kunden erst einmal die notwendigen unternehmensweiten Modelle entwickeln.

Business-Know-how ist gefragt

Die Tatsache, dass die Technologie in den Dienst der Prozesse gestellt wird, bringt einen Trend hervor. Der Chief Information Officer oder Chief Technology Officer ist zwar nach wie vor mit Abstand der wichtigste Entscheidungsträger bei diesen Projekten. Einige der Umfrageteilnehmer nennen aber Bereichsleiter, Product Manager und Applikationsverantwortliche als Entscheidungsträger in den Firmen. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Intregrationsaufgaben sich von rein technischen zu geschäftsorientierten Projekten gewandelt haben, bei denen sich Dienstleister und Kunde beim Geschäfts-Know-how auf Augenhöhe begegnen müssen, damit die Vorhaben erfolgreich umgesetzt werden können.
Entsprechend scheint auch der Umsatzanteil, den EAI-Projekte bei den Marktteilnehmern ausmachen, abzunehmen (siehe Grafik). Bei der letztjährigen Umfrage gaben 65 Prozent der Teilnehmer an, 16 und mehr Prozent ihres Umsatzes mit EAI-Projekten zu erwirtschaften. In der aktuellen Umfrage sind es noch 42,8 Prozent, die dies so angeben. Die Mehrheit von 57,2 Prozent gibt an, dass EAI-Projekte bis zu 15 Prozent zum Umsatz beitragen.

Mit SOA Geld verdienen

Während EAI an Bedeutung einbüsst, ist SOA auf dem Vormarsch. Ein Gross­teil der befragten Branchenvertreter verdient mit entsprechenden Projekten gutes Geld (siehe Grafik). 48,6 Prozent der Befragten gaben an, bis zu 15 Prozent ihres Umsatzes mit SOA-Projekten zu erzielen. Und immerhin 34,3 Prozent gaben sogar an, dass der Umsatzanteil, den sie mit entsprechenden Aufträgen erwirtschaften, im Bereich von 16 bis 75 Prozent liege.
Allerdings liegen die Projektsummen in vergleichsweise tiefen Regionen (vergleiche Grafik). Der Grossteil der Projekte (42,9%) bewegt sich im Bereich zwischen 20’000 und 100’000 Franken. Umsätze von über 200’000 Franken erwirtschaften 22,8 Prozent der Teilnehmer.
Um die Kunden für Integrationsprojekte zu gewinnen, bleibt die Optimierung der Geschäftsprozesse das wichtigste Argument (82,9%). Ebenfalls Überzeugungskraft haben höhere Flexibilität und Kosteneinsparungen (je 65,7%) sowie bessere Datenkonsistenz und weniger Medienbrüche (je 45,7%).

Nach dem Hype die Ernüchterung

Dass sich die SOA-Thematik in einer Hype-Phase mit entsprechend übersteigerten Erwartungen befindet, ist offensichtlich. Andres Koch, Geschäftsführer Object Engineering: «Höhere Kosten als erwartet bei der Umsetzung und fehlendes Verständnis für den Nutzen der Einführung von SOA wird eine gewisse Ernüchterung bringen. Kunden haben keine Geduld abzuwarten, bis ein SOA-Ansatz den gewünschten ROI bringt, zudem dieser sehr schlecht vorhersagbar und auch erfassbar ist. Letzteres verunsichert den Kunden. Ein Architektur-Ansatz wie SOA muss über 5 bis 10 und mehr Jahre gelebt werden, sonst lohnt sich die Anfangsinvesti­tion nicht. Aber der Druck auf die Unternehmen wird zunehmen, darüber sind sich die Branchenvertreter einig. Stellvertretend Thomas Marko, Geschäftsführer von BINT: «Die Unterschiede zwischen den Firmen, welche gute/kosteneffiziente bzw. schlechte/chaotische Integration haben, werden immer grösser.» Wilhelm Ruckdeschel, Managing Director von Software AG Schweiz, mahnt: «Es setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass der Erfolg von SOA-Projekten davon abhängt, ob das Management der Komplexität gelingt. Dazu sind Werkzeuge unerlässlich für Metadatenmanagement, Governance und Lifecycle-Management der SOA.»
Als technischen Trend nennt Patrick Toenz, CEO von T2B: «Das Zusammenwachsen von Enterprise Architecture Management und den Implementierungstechniken SOA/EAI. Heinz Perren, Head of Software Development von Skybow, geht davon aus, dass die EAI-Tools in Standardentwicklungsumgebungen integriert werden.
Letztlich gibt es Anhaltspunkte, dass das Geschäft auf unbestimmte Zeit umsatzträchtig bleiben wird. Auf die Frage, ob die Marktteilnehmer einen Trend spüren, dass vermehrt Standardsoftware eingesetzt und Integrationsprojekte gestrichen werden, antworteten 54,3 Prozent mit Nein. Gute Voraussetzungen also. (map)


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