SAP entdeckt den Channel

Der Channel fristet bei SAP künftig kein Mauerblümchen-Dasein mehr. Mit dem Programm Partner Edge investiert der Softwareriese jetzt massiv in seine Vertriebspartner. Schweizer Partner zeigen sich zufrieden.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/05

     

Der deutsche Softwarehersteller SAP entdeckt den Channel: Zum ersten Mal in seiner 34jährigen Geschichte führt der Walldorfer ERP-Riese ein weltweit einheitliches Partnerprogramm ein. Nicht, dass SAP bislang keine Partner gehabt hätte: Rund 100 Systemhäuser, Service- und Softwarepartner machen auch in der Schweiz seit vielen Jahren gute Geschäfte mit der Implementierung, Wartung oder Modulentwicklung rund um die wuchtigen ERP-Lösungen des deutschen Herstellers. SAP-Schweiz-Boss Volker Merk (Bild links) bringt es im Gespräch mit IT Reseller auf den Punkt: «In der Schweiz haben wir bei den ­Large Accounts, unserem angestammten ­Geschäftsbereich, einen Marktanteil von über 70 Prozent. Wir sind gezwungen, im Mittelstand zu wachsen. Unternehmen mit bis zu 1000 Mitarbeitenden stellen weltweit ein gigantisches Umsatzpotential dar.» Von diesem hat SAP zwar ansatzweise schon gekostet – die Deutschen treffen aber gerade im KMU-Umfeld auf harte Konkurrenz von lokalen Playern wie Abacus oder Anbietern wie Sage und Navision: «Wir schätzen, dass unser Anteil im KMU-Markt in Europa bei etwa 30, in den USA bei rund 20 Prozent liegt. Uns ist vor allem auch klar, dass wir dort nicht alleine hin können. Wir brauchen mittelständische Vertriebspartner, und zwar für den Lizenzverkauf und die Implementierung», sagt Merk.

Partner früher involvieren

Das im letzten Herbst erstmals angekündigte Programm mit dem Namen Partner Edge wird jetzt auch in Europa umgesetzt. Zahlreiche Partnervertreter wurden vor einigen Wochen am ersten SAP-Partnertreffen in Berlin im Detail informiert. Neben Anpassungen bei den Partnerbezeichnungen sowie der Einführung eines Punkte­systems sind die wichtigsten Neuerungen organisatorischer Natur. Zum Beispiel die interne Organisation der Verkaufsmannschaft von SAP betreffend: «Unsere Mannschaft arbeitet künftig mehr als auch schon mit dem Channel zusammen», präzisiert Peter Nikles (Bild rechts), Leiter der neu geschaffenen Abteilung Small and Medium Enterprises (SME) bei SAP Schweiz, in der die SMB- und MM-Truppen zusammengefasst wurden. Was heisst das?
«Bis anhin tauchte bei Projekten immer die Frage auf, wer hereingeht», so Nikles. Das neue Hybridmodell sehe deshalb vor, den Partner viel früher an Bord zu holen: «Es geht nicht mehr darum, ob SAP ein Projekt direkt oder ob ein Partner es macht. Vielmehr wollen wir künftig zusammen agieren», so Nikles. Kernstück dieser Philosophie ist die Einführung der Channel Neutral Compensation (CNC) für die SAP-Verkäufer: «Unsere Verkäufer haben früher darauf geschaut, dass SAP wenn immer möglich ein Projekt direkt abschliessen konnte, weil ihr Bonus dann höher ausfiel. Das ist jetzt nicht mehr so: Künftig erhalten sie ihre Kompensation unabhängig davon, wer ein Projekt abschliesst. Es soll darum gehen, Projekte dort zu machen, wo die besten Ressourcen vorhanden sind», so Nikles. Und gerade im KMU-Umfeld befänden sich diese Ressourcen oft beim Partner und nicht beim Hersteller.

Direkt-Grenze deutlich angehoben Direkt-Grenze deutlich angehoben

Die zweite organisatorische Neuerung betrifft die «magische Umsatzgrenze»: In der Vergangenheit galt die Regel, dass SAP sämtliche Projekte bei Kunden mit mehr als 200 Millionen Franken Umsatz selber macht. Das soll jetzt anders werden: «Unsere Partner sollen künftig Projekte bei Endkunden mit einem Umsatz bis zu 800 Millionen Franken selber abschliessen dürfen», sagt Merk. Das Betätigungsfeld der Partner wird also spürbar grösser.
Diese Neuerung dürfte vorwiegend jene Partner betreffen und begünstigen, die im Geschäft mit SAP-All-in-One tätig sind, da sich Business One erfahrungsgemäss noch viel weiter unten bewegt. Doch auch diese Partner sollen von Partner Edge profitieren: Zusätzlich zu den genannten Punkten sind gerade in der Schweiz umfangreiche Investitionen in das Marketing geplant. «Künftig werden 80 Prozent unseres Schweizer Marketingbudgets in das SME-Marketing fliessen», erklärt Merk. Geplant sind Relationship-Aktivitäten, Kampagnen oder Veranstaltungen mit Partnern und Endkunden. Einfacher soll auch die Kommunikation untereinander und mit Walldorf werden: Ein Internet-Portal soll der Lead-Verwaltung und der länderübergreifenden, gemeinsamen Marktbearbeitung dienen. Partner, die gezielt in Industrielösungen investieren, sollen zudem einen direkten Draht zum Entwickler-Heer in Waldorf oder auch mal Finanzspritzen erhalten.

Mehr Marge beim Lizenzverkauf

Last but not least: Den Partnern soll auch mehr Geld in der Kasse bleiben, wenn sie artig Lizenzen verkaufen: «Im Rahmen von Partner Edge erfolgt auch eine erhebliche Erhöhung der Partnermargen beim Verkauf von Softwarelizenzen», sagt Merk. Die neue Rabattierung wirke sich insbesondere dann positiv aus, wenn der Partner in kleinere bis mittelgrosse KMU hineingehe, so Merk weiter. Dennoch: Das Ziel der Anstrengungen ist es nicht, die Quantität des SAP-Channels ins Unermessliche zu steigern. Nach wie vor will man auf Qualität statt Masse setzen: «Wir sind aber immer offen für neue Partner, die zum Beispiel einen speziellen Industriefokus haben und gewillt sind, mit uns zusammen zu investieren», so Merk. Zusammen mit dem Channel peilt der SAP-Boss Wachstumsraten von zwischen 20 und 25 Prozent im KMU-Markt an: «Wir sind mit Business One und All-in-One preislich und von den Funktionalitäten her ohne weiteres konkurrenzfähig.»

Partner äussern sich positiv

Das Echo von Schweizer Partnern auf Partner Edge und die organisatorischen Neuerungen ist positiv: «Die Neuerungen sind für uns eine grosse Chance. Durch die Territoriumserweiterung auf Endkunden bis 800 Millionen Franken Umsatz haben wir künftig viel mehr Möglichkeiten, sagt Peter Merz, Geschäftsführer von GIA Grapha Informatik. «Es wird künftig viel mehr Möglichkeiten geben, mit SAP zu kommunizieren», bemerkt Felix Puhm von der OBT-Tochter SBC Informatik. Das neue Modell stelle auf jeden Fall eine Verbesserung dar, so Puhm, wenn auch die Betreuung in der Schweiz schon früher gut gewesen sei. Für Hansruedi Schuler, verantwortlich für Business One bei der MTF-Group, muss sich aber zeigen, wie praktikabel etwa das versprochene Portal für die Partner sein wird: «So etwas darf nicht schwierig in der Handhabe sein und keinen grossen administrativen Aufwand mit sich bringen», so Schuler zu IT Reseller.

IT Reseller meint:

Dass SAP sich endlich ein weltweit vereinheitlichtes Channelprogramm verpasst, ist löblich – doch es wurde auch höchste Zeit dafür! Gut ist, dass die Partner ein grösseres Betätigungsfeld bekommen, dass SAP die Partner beim Business Development unterstützen will und dass die SAP-Verkäufer keinen Anreiz mehr haben, ein Projekt «im Haus» zu behalten. Wieviel mehr Marge beim Partner verbleibt und wie gut die webbasierte Kommunikation über Leads und Marketingaktivitäten in der Praxis aber tatsächlich funktionieren wird, das müssen die nächsten Monate zeigen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist auf alle Fälle getan.


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Welchen Beruf übte das tapfere Schneiderlein aus?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER