Pflichterfüllung und Sklavenverträge

Das Eigentum an Software, die von Mitarbeitern oder Freelancern programmiert wird, muss ausdrücklich schriftlich geregelt werden.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/10

     

Nach Art. 17 des Urheberrechtsgesetzes (URG, SR 231.1, www. admin.ch/ch/d/sr/231_1/a17.html) ist der Arbeitgeber allein zur Ausübung der ausschliesslichen Verwendungsbefugnisse an Software berechtigt, die bei Ausübung dienstlicher Tätigkeiten sowie in Erfüllung vertraglicher Pflichten geschaffen wird (vgl. Grafik). «Bei Ausübung dienstlicher Tätigkeit» bedeutet, dass die Software im Rahmen der Arbeit für das Unternehmen programmiert wurde. Dies kann auch zu Hause geschehen, wenn dies üblich ist. «In Erfüllung vertraglicher Pflichten» wird eine Software geschaffen, die vom Mitarbeiter in der Funktion programmiert wird, die im Arbeitsvertrag oder im Stellenbeschrieb schriftlich festgehalten wurde (z.B. «Informatiker»). Letzteres kann sich insbesondere beim Fehlen eines schriftlichen Vertrages auch aus den Umständen ergeben.

Spezialfälle

Die Praxis ist jedoch manchmal komplizierter, als es sich der Gesetzgeber vorgestellt hat. So gibt es eben auch Software, die nicht in Erfüllung vertraglicher Pflichten, jedoch bei Ausübung dienstlicher Tätigkeit erstellt wird (vgl. Grafik). In diesem Fall wenden die Juristen Art. 332 des Obligationenrechts (OR, SR 220, www.admin.ch/ch/d/sr/220/a332.html), der eigentlich für Design und Erfindungen geschaffen wurde, analog an. Dies trifft beispielsweise zu, wenn ein Webmaster, der eigentlich nur für den Content einer Homepage zuständig ist, ein Software-Tool für die Homepage entwickelt. Für diesen Fall kann sich der Arbeitgeber im voraus und schriftlich (!) ein Kaufsrecht ausbedingen. Der Mitarbeiter, der eine solche Software programmiert, hat dem Arbeitgeber davon schriftlich Kenntnis zu geben. Dieser hat ihm längstens innert sechs Monaten schriftlich mitzuteilen, ob er die Rechte an der Software erwerben will oder sie dem Mitarbeiter freigibt.
Werden die Rechte an der Software dem Mitarbeiter nicht freigegeben, so hat ihm der Arbeitgeber eine besondere angemessene Vergütung auszurichten. Bei deren Festsetzung sind alle Umstände zu berücksichtigen, wie namentlich der wirtschaftliche Wert der Software, die Mitwirkung des Arbeitgebers, die Inanspruchnahme anderer Mitarbeiter und Betriebseinrichtungen sowie die Aufwendungen des Mitarbeiters und seine Stellung im Betrieb.
Bei Software, die beispielsweise über das Wochenende oder in den Ferien zu Hause programmiert wird, kann sich die Frage stellen, ob diese noch «in Erfüllung vertraglicher Pflichten», vor allem aber auch «bei Ausübung dienstlicher Tätigkeit» erstellt wurde. Dies dürfte immer dann der Fall sein, wenn Software programmiert wird, die der Mitarbeiter in der Art auch im Unternehmen des Arbeitgebers schafft. Die Rechte an dieser Software würde somit dem Arbeitgeber gehören. Diesbezüglich ist auch das arbeitsrechtliche Konkurrenzverbot zu beachten. Wird nämlich solche Software ausserhalb des Unternehmens gewerbsmässig veräussert, ist dies eine unerlaubte Konkurrenzierung des Arbeitgebers, die je nach Umfang sogar zu einer fristlosen Entlassung führen könnte.
Die Rechte des Arbeitgebers hören jedoch dort auf, wo sie die Persönlichkeit des Mitarbeiters verletzen würden (vgl. Art. 27 des Zivilgesetzbuches, ZGB, SR 210, www. admin.ch/ch/d/sr/210/a27.html). So ist davon auszugehen, dass die Rechte an Software, die der Mitarbeiter nicht in Erfüllung vertraglicher Pflichten und ausserhalb dienstlicher Tätigkeit programmiert, ausschliesslich dem Mitarbeiter gehören. Alles andere wäre eine Versklavung des Mitarbeiters!

Rechte an Software von Freelancern

Bei den Rechten an Software, die von Freelancern (Programmierer, die nicht mit Einzelarbeitsvertrag angestellt sind, sondern im Rahmen eines Auftrags oder Werkvertrags arbeiten) entwickelt wurde, kommt die sogenannte Zweckübertragungstheorie zur Anwendung. Diese besagt, dass bei solcher Software nur so viele Rechte vom Freelancer an seinen Auftraggeber übergehen, wie zur Erfüllung des Vertrages notwendig sind. Da gerade dies unklar sein kann, ist dringend zu raten, die Frage der Rechte an Software im Freelancing-Verhältnis explizit und schriftlich zu vereinbaren. Dabei besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit. Der Freelancer wird wohl darauf bedacht sein, möglichst wenige Rechte zu übertragen, beispielsweise Rechte nur zu lizenzieren, jedoch nicht zu verkaufen. Der Auftraggeber wird versuchen, die Rechte an der Software möglichst umfassend übertragen zu erhalten. Wer welche Rechte behält oder erhält ist schlussendlich eine Sache der Marktmacht.

Mustervertrag «Freelancing»

Bei der Online-Rechtsberatung www.meinrecht.ch kann ein Muster-Freelancing-Vertrag bestellt werden. Dieser ist jedoch unbedingt an das jeweilige konkrete Freelancing-Verhältnis anzupassen.

Der Autor

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, ist Partner bei Grüter Schneider & Partner, Rechts- und Patentanwälte (www.gsp-law.ch), und Schneider Feldmann AG, Patent- und Markenanwälte, (www.schneiderfeldmann.ch), Zürich/Luzern, sowie Dozent für Technologierecht an der Fachhochschule Zentralschweiz und dessen Institut für Sichere Softwaresysteme (ISIS, www.hta.fhz.ch/isis).


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wieviele Zwerge traf Schneewittchen im Wald?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER