MEHR ERFOLG IM MARKETING UND VERKAUF (FOLGE 6/12): Was bringt ein Messe-Auftritt?

Das traditionelle Konzept von IT-Messen ist offensichtlich im Umbruch. Lohnt sich der Aufwand für kleine und mittlere IT-Unternehmen, wenn grosse IT-Firmen zum Teil nicht mehr teilnehmen?

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/19

     

Der Besuch einer IT-Messe ist für die potenzielle Käuferschaft heute weder Match-entscheidend noch wirklich effizient.
Während früher die IT-Messe in jedem Fall einen Besuch Wert war, nur schon um sich über die zahlreichen Neuheiten und Innovationen zu informieren und den Überblick behalten zu können, betrachtet ein beschaffender Entscheidungsträger (z.B. ein CIO) die Sache heute wesentlich nüchterner: Weshalb soll ein Arbeitstag geopfert werden, um an den «Marktplatz» zu fahren, wenn die Arbeitszeit ohnehin zu knapp bemessen ist und sich die gesuchten Informationen mittels anderen (notabene von der IT-Branche selbst entwickelten) Hilfsmitteln einfach und bequem vom Schreibtisch aus beschaffen lassen?
Einige der grossen Player im IT-Markt haben das offenbar erkannt und setzen Ihre Budgets heute nicht mehr für Messe-Auftritte ein. Entweder sie veranstalten eine eigene Hausmesse, oder sie verstärken ihre Aktivitäten im Direkt-Marketing und im Verkauf. Das Argument, es sei wichtig für das Firmenimage, an einer IT-Messe «gesehen» zu werden, rechtfertigt für gewisse Marketingverantwortliche offensichtlich die dafür nötigen Mittel nicht mehr. Verständlich, wenn man bedenkt, was der Auftritt an einer solchen Veranstaltung kostet und was sie tatsächlich an (Neu-)Kundengeschäften bringt.

Was kostet ein Lead auf einer IT-Messe?

Ein kurzes Beispiel: Basierend auf den kürzlich veröffentlichten Zahlen (Anzahl Aussteller und Besucher) einer in der Schweiz über die Bühne gegangenen Software-Messe kamen auf jeden Aussteller im Durchschnitt 14 (!) Besucher. Nehmen wir an, davon waren die Hälfte tatsächlich interessante Kontakte (Leads), wovon wiederum 20% (1) A-Leads seien, 30% (2) B-Leads und der Rest (4) C-Leads, von denen kurz- oder mittelfristig noch kein Umsatz zu erwarten ist. Es entstanden also drei Kontakte mit absehbarem Umsatzpotenzial. Die Kosten eines dreitägigen Messeauftritts belaufen sich schnell mal auf 25’000 Franken, rechnet man Personalkosten sowie Vor- und Nachbearbeitungsaktivitäten mit ein. Die Kosten für die drei wirklich interessanten Messekontakte belaufen sich somit auf mindestens 8’500 Franken pro Lead – ein stolzer Preis. Fakt ist: IT-Messen sind in ihrer heutigen Form in ihren Grundzügen passive Instrumente zur Generierung von Leads, da sie mehrheitlich auf dem Prinzip des herkömmlichen Marktplatzes beruhen. Da stellt sich ernsthaft die Frage, ob unter dem heutigen Umsatz- und Erfolgsdruck und angesichts der schmalen Budgets der IT-KMU diese ihr Geld nicht sinnvoller einsetzen sollten – die grössten IT-Unternehmen wie Microsoft, HP und andere tun dies jedenfalls.

Gleicher Einsatz, mehr Erfolg

Die Frage lautet deshalb: Wie könnten – sagen wir mal – 30’000 Franken Budget gewinnbringender ausgegeben werden, anstatt für einen Messeauftritt? Hier zwei Vorschläge:

1 Mal 210 oder noch besser 3 Mal 70 vorselektierte Zielfirmen/-Personen mit einem Direct-Mailing (am besten ein Paket-Mailing) mit anschliessendem Telesales-Follow-up adressieren. Lead-Erfolg gemäss durchschnittlichen Erfahrungswerten: 7 A-Leads, 10 B-Leads, total also 17 kurz- und mittelfristige Verkaufsgelegenheiten, fast 6 mal mehr als mit dem Instrument IT-Messe.


Durchführung eines eigenen, professionellen Kunden-Anlasses inklusive mehrstufigem Einladungsprozess (1 bis 2 E-Mail-Mailing, 1 Print-Einladung, Tele-Einladungs-Follow-up) und Nachbearbeitung/Lead-Follow-up. Eine Art integrierte Kampagne also (siehe auch letzter Artikel dieser Fachserie). Der zu erwartende Lead-Erfolg liegt sogar noch höher als beim ersten Vorschlag, denn die Event-Teilnehmer kommen ausschliesslich wegen einem einzigen Veranstalter und es darf daher ein mittelgrosses Grundinteresse schon vorausgesetzt werden. Zeit für zusätzliche Event-Besuche hat heute niemand mehr übrig.

Messeauftritte könnten erfolgreicher sein

Zur Klarstellung: IT-Messen sind nicht grundsätzlich schlechte Marketing-Massnahmen. Nur wird dieses Instrument nach Ansicht des Autors nicht mehr zeitgemäss eingesetzt, und zwar weder von Veranstaltern, noch von Ausstellern:

Die Veranstalter müssten ernsthaft daran gehen, das veraltete Prinzip des Marktplatzes wenigstens gedanklich über Bord zu werfen und sich fragen, was mit ihren Assets Ort, Raum und Zeit sonst noch möglich wäre, um ihre Kunden beim Streben nach Umsatz und Erfolg zu unterstützen. Aufrüsten ihrer Marktplätze mit Referaten und Cafeterias reicht offensichtlich nicht.


Die Aussteller selbst sollten ihren Messeauftritt ins Zentrum einer ganzen (integrierten) Kampagne stellen und damit den gewünschten Besuchern auch wirklich einen Grund geben, den Stand zu besuchen. Zudem erwarten Besucher einer Messe die Präsentation von echten Problemlösungen, nicht Selbstdarstellungs-Shows. Vor allem die Bearbeitung der Zielgruppe vor einem Messeauftritt ist ein Thema, das von Ausstellern kläglich vernachlässigt wird. Dies wundert um so weniger, wenn Firmen sich erst ein, zwei Monate vor dem Messetermin spontan doch noch für einen Auftritt an einer Messe entscheiden. Es braucht einen langfristigen Marketing-Plan.

Der Autor

Dietmar R. Schulz ist Geschäftsleiter der Business Factory GmbH. Der diplomierte Betriebsökonom arbeitet seit 20 Jahren erfolgreich in der IT-Branche. www.businessfactory.ch


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