Bechtle, Schweizer Super-VAR?

IT Reseller unterhielt sich exklusiv mit Gerhard Schick (Bild links) und Thomas Willenegger (Bild rechts) über den laufenden Umbau bei Also Comsyt und die Strategie des Konzerns in der Schweiz.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/07

     

Also Comsyt, Anfang Februar vom deutschen Bechtle-Konzern übernommen, wird umgebaut. Gerhard Schick von Bechtle, der als aktiver Aufsichtsratvorsitzender (entspricht einem Schweizer Verwaltungsratspräsidenten) bei Übernahmen und Krisen die Fäden in der Hand hält, nimmt kein Blatt vor den Mund.
«Die Also Comsyt kann nicht so weitergeführt werden wie in der Vergangenheit. Sie kann nach unserer Auffassung mit den bisherigen Strukturen nicht profitabel sein. Also dürfen wir nicht zögern, sondern müssen handeln und alles auf den Prüfstand stellen.»
Konkret werden die beiden Profitcenter E-Learning und Schulung/Software-Customizing vom Management herausgekauft.
Weder Schick noch Thomas Willenegger verschweigen, dass der rasche Umbau von Also Comsyt mit Personalabbau verbunden ist. Konkrete Zahlen darüber, wie viele Stellen verloren gehen, können die beiden aber noch nicht nennen. «Als wir Comsyt kauften, wussten wir, dass harte Sanierungsarbeiten vor uns stehen.
Natürlich tut uns jeder einzelne Arbeitsplatz, den wir abbauen müssen, leid. Aber Manager müssen auch unpopuläre Entscheidungen treffen», kommentiert Schick. Also Comsyt wird unter der Führung von Thomas Willenegger bleiben – andere zentrale Management-Funktionen hingegen, so auch der Job von Jakob Broger, wurden aufgehoben.

Drei lokale Systemhäuser

Doch der Umbau geht wesentlich weiter, als die Reduktion des Angebotes auf das angestammte Bechtle-Geschäft. Die drei Comsyt-Standorte Zürich, Basel und Lausanne/Genf sollen zu lokal operierenden, auf den KMU-Markt und öffentliche Betriebe fokussierten Systemhäusern werden.
Zur Bechtle-Strategie gehört ein sehr hoher Selbständigkeitsgrad des lokalen Managements. «Die drei Häuser werden wie rechtlich selbständige Unternehmen geführt werden. Die Leute vor Ort wissen doch am besten, was für die Kunden gut ist.
Aber die lokalen Geschäftsleitungen sind zwar am Erfolg beteiligt, die Firmen sind aber zu hundert Prozent im Besitz von Bechtle», erklärt der Bechtle-Chefstratege das in Europa wohl einmalige Führungsprinzip des Konzerns.
Willenegger präzisiert: «Eine erfolgreiche Dezentralisierung setzt klare Definitionen der Autonomie und der Eskalationsprozesse voraus. Comsyt wird sich kompromisslos in die Bechtle-Struktur einfügen.»
Was wird Also mit dem angestammten Geschäft der Desktop- und Rollout-Services für Grossfirmen, wo die Credit-Suisse-Gruppe ein wichtiger Kunde ist, geschehen? Willenegger: «Wir sind Partner von IBM für deren Auftrag für die Migration und Rollout der Clients bei der CSG. Aber der Service-Vertrag für die Desktop-Services wird neu ausgeschrieben. Wir werden uns an der Ausschreibung beteiligen, aber den Auftrag sicher nicht kaufen.»
Man sei eben kein Hersteller, der sich mit Blick auf Zusatzgeschäfte auch mal einen Kunden «kaufe», ergänzt Schick. «Wir halten nichts von der Methode, zuerst sehr tiefe Preise zu offerieren und dann dem Kunden die Quittung zu präsentieren, indem man bei den kleinsten Anlässen die Vertragsbedingungen ändert.»

Beschaffungsplattform zentral

Entscheidend am Bechtle-Konzept ist die zentrale Beschaffungsplattform und das europaweit einheitliche Produktmanagement. Sowohl Kunden, die einfach «Kisten» einkaufen wollen, wie auch die dezentral organisierten Bechtle-Systemhäuser, nutzen sie. Nur etwa 40 Produktmanager verwalten über 20’000 Artikel. Die Daten von Herstellern und Distributoren werden europaweit in ein zentrales System eingespiesen und nach Verfügbarkeit und Preis ausgewählt.
«Bechtle ist ein voll funktionierender elektronischer Marktplatz. Ein Kunde kann mit Bechtle arbeiten wie mit Dell», erklärt Willenegger, der seine Bewunderung für das zentrale Beschaffungssystem nicht verhehlt.
Interessant: Schick verneint ganz klar, dass die paneuropäische Einkaufsmacht von Bechtle das entscheidende Element sei. Viel wichtiger seien Vorteile wie kundenspezifische Internet-Shops, in denen ein Kunde auch seine Einkaufsprozesse abbilden kann und die rationelle und damit kostengünstige Abwicklung der Beschaffung, betont der Schwabe.

Expansion noch nicht zu Ende

Mit Comsyt (der Name Bechtle wird wohl demnächst an den drei Standorten auftauchen) ist der Expansionhunger von Bechtle in der Schweiz noch nicht gestillt. Schick sagt recht unverholen: «Wir schätzen die Schweiz als wesentlichen Teil eines Gesamtkonzepts ein und werden hier weiter ausbauen. Aber wir stehen überhaupt nicht unter Zeitdruck.»
Da lokale Präsenz im Bechtle-Konzept entscheidend ist, lässt sich leicht ausrechnen, wo Bechtle zukaufen wird: In der Ostschweiz, der Region Bern und dem Tessin hat Bechtle noch keine Standorte... (hc)

«Da gibt es nichts zu integrieren»

IT Reseller: Bechtle besitzt in der Schweiz nun ARP Datacon, CC Data Disc, Bechtle-Comsoft, Bechtle Data und Also Comsyt. Sind Sie hier, um nun die grosse Integration einzuleiten?
Gerhard Schick: Nein. Wir zentralisieren nur dort, wo eine Zentralisierung sinnvoll ist. Also bei der Warenbeschaffung und dem Controlling. Bechtle Data ist erfolgreich. Da gibt es nichts zu integrieren. ARP ist hervorragend geführt. Auch bei Bechtle-Comsoft gibt es nicht viel zu integrieren. Einzig bei Also Comsyt haben wir einiges zu tun.

Was bedeutet der Kauf von Also Comsyt für Bechtle Data?

Thomas Willenegger: Bechtle Data ist zum Teil nicht im gleichen Kundensegment wie wir und auf andere Technologien spezialisiert. Wir bewegen uns im Wintel-Umfeld, Bechtle Data ist sehr stark mit Unix unterwegs.
Schick: Es gibt keinerlei Pläne die beiden zusammenzulegen. Am Schluss entscheidet sowieso der Kunde, mit wem er zusammenarbeiten will.
Also Comsyt war früher ganz klar auf Grossfirmen fokussiert. Wie positionieren Sie Comsyt im Schweizer Markt?

Schick: Die Bechtle Systemhäuser sind handeltreibende Dienstleister.

Willenegger: Das Produktgeschäft bei Comsyt wird klar ausgebaut. Wir sind im IT-Infrastrukturgeschäft mit Stärken im Server-, Storage- und Citrix-Geschäft. Für Kunden mit 50 bis 200 Arbeitsplätzen haben wir ein Komplettangebot inklusive Outtasking. Bei grösseren Firmen konzentrieren wir uns auf das Infrastrukturgeschäft. Hingegen fokussieren wir uns nicht mehr auf Managed Services für das Grosskundensegment.

(Interview: hc)


KOMMENTAR


Channel, pass auf!

Die Bechtle-Story ist eine rare Erfolgsgeschichte. Aus dem schwäbischen Ein-Mann-Betrieb wurde ein paneuropäischer Riese. Trotz Risikofaktoren wie Venture-Capital und Börsengang arbeiten die Schwaben bis heute profitabel.
In der Schweiz kommen zum Konzern-typischen Modell mit Bechtle direkt (Procurement) und den lokalen VARs noch zusätzliche Stärken (C-Artikel-Beschaffung durch ARP und Lizenzbusiness mit CC Data Disc und Bechtle-Comsoft) dazu.
Der Channel sei gewarnt: Bechtle-Steuermann Gerhard Schick ist entschlossen, hierzulande eine starke, wenn nicht gar dominierende Rolle zu spielen. Für den einen oder anderen lokalen Player könnte es somit eng werden – oder vielleicht ergibt sich auch eine Gelegenheit zum Verkauf.
Christoph Hugenschmidt


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