Die Geister, die ich rief

Vor einem Jahr trat Steffen Wippel bei IBM Software Group an, um mit dem eisernen Besen auszukehren. Jetzt laufen die besten Leute davon.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/19

     

Die Schweizer Niederlassung hat in der Software-Sparte schon seit längerem Mühe, die Budgetvorgaben des Konzerns einzuhalten. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum Beispiel hatte bereits vor einem Jahr die Grossbank UBS ihre Bestellungen massiv reduziert. Das Geschäft, das jahrelang wie von selbst funktionierte, ist plötzlich ins Stocken geraten. Hinzu kamen Unsicherheiten auf Kundenseite, nachdem Big Blue Filenet und Cognos übernommen hatte. Weil unklar war, welchen Stellenwert die Produkte im gemeinsamen Portfolio haben werden, zögerten diverse Grosskunden ihre Bestellungen hinaus oder bestellten bei der Konkurrenz. Die Schweizer Vertreter wurden aber an ähnlichen Wachstumsvorgaben gemessen, wie man sie in den aufstrebenden osteuropäischen Märkten erwartete, denn die Schweiz gehörte organisatorisch zur selben Region.


Dann kam letztes Jahr der Deutsche Steffen Wippel, um die Schweizer Software-Abteilung schlanker und rentabler zu machen. Roger Müller, sein Vorgänger, wurde intern versetzt, weil er die Vorgaben von oben nicht umsetzen konnte - oder wollte. Wippel, dem nachgesagt wird, er sei von Steve Cowley, dem damaligen ­Europa- und heutigen Nordosteuropa-Chef, ferngesteuert, entliess mehrere Verkäufer. «Es wurden sogar solche mit guter Performance entlassen», sagt ein ehemaliger, der viele Jahre IBM diente, mittlerweile selber gekündigt hat und nun bei der Konkurrenz arbeitet. Es habe sich dann allerdings negativ auf den Verkauf ausgewirkt, dass langjährige Kundenbeziehungen durch die Stellenstreichungen plötzlich gekappt wurden. Verkäufer mit schlechter Leis­tung, die man früher ins Pip (Personal Improvement Program) schickte und intern versetzte, seien ohne mit der Wimper zu zucken entlassen worden.

Wertschätzung auf dem Nullpunkt

«Die Schweiz wird ausgepresst, weil man bei uns mehr Wertschöpfung rausholen kann», sagt ein anderer Ex-IBM-Mann. Und ein weiterer, der ebenfalls nicht mehr bei IBM arbeitet, erzählt gar, dass im Nachhinein Umsätze anderen Regionen zugeordnet worden sein sollen. In der Folge seien mehrere, im komplexen IBM-System an Provisionen beteiligte Mitarbeitende per Brief aufgefordert worden, ihre Boni zurückzuhalten. Ohne Erfolg, versteht sich, denn das interne Abrechnungschaos, das infolge Umverteilung der Länderorganisationen und Firmenübernahmen entstand, entbehrt jeder rechtlichen Grundlage, um im Nachhinein Erfolgsprämien zurückzuverlangen.


«Die Wertschätzung hat abgenommen, IBM ist nicht mehr die Firma, bei der ich damals anfing», sagt einer, der lange Jahre im Software-Verkauf arbeitete. Ein weiterer sagt, seit das Europa-Management von Paris und London nach Zürich umgezogen sei, würde IBM Schweiz viel genauer beobachtet: «Der Einfluss aus USA und England hat definitiv zugenommen.» Einem anderen stiess sauer auf, dass 60/40-Arbeitsverträge (60% Fix-, 40% Leistungslohn) auf das 50/50-Modell geändert worden sind, obwohl es dafür einer ­Änderungskündigung bedürfte. Darüber hinaus seien die Pensionskassenbedingungen, mit denen sich früher IBM als Arbeitgeber positiv von anderen abhob, massiv verschlechtert worden. «Wie man bei IBM mit den Mitarbeitern umgeht, habe ich noch nirgendwo anders erlebt», erregt sich ein weiterer Ex-IBMler.

20 freiwillige Abgänge

Er ist nicht der einzige, der sich mit IBM nicht mehr identifizieren kann. Allein im letzten halben Jahr sollen ca. 20 Verkaufs- und Channel-Leute die Software Group aus freien Stücken verlassen haben. Wippel wollte zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. «Als globales Unternehmen mit rund 3500 Mitarbeitenden in der Schweiz gleichen wir unser Angebot und auch die Fähigkeiten unserer Mitarbeiter kontinuierlich den sich verändernden Marktbedingungen an», heisst es aus dem Glashaus in Zürich-Altstetten. Ein Ehemaliger formuliert es anders: «Eine kleine Korrektur hat sich kontraproduktiv ausgewirkt.» (Markus Häfliger)


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