Inszenierte Geheimniskrämerei bei SAP

Die Ziele sind dieselben geblieben, die Mittel nicht: Der ERP-Hersteller will nun mit einem neuen Hosted-Produkt auf die KMU los. IT Reseller erfuhr die Details von SAP-Chef Henning Kagermann – vieles allerdings nur in Andeutungen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2007/04

     

SAP steht vor einem Dilemma. Im angestammten Geschäft mit ERP-­Anwendungen für mittlere bis grosse Unternehmen bestehen in Europa für den deutschen Hersteller seit längerem keine berauschenden Wachstumsaussichten mehr. Über die ­letzten Jahre vermochte das Unternehmen in der EMEA-Region und insbesondere im Heimmarkt Deutschland die Umsätze mit Softwarelizenzen jeweils nur im einstelligen Prozentbereich zu steigern. Im Gesamtjahr 2006 lag die ­Quote dann immerhin für einmal bei 10 Prozent. Die Wachstumsprognose für das laufende Jahr liegt für die Umsätze mit Softwarelizenzen zwischen 12 und 14 Prozent.
Mit solchen Perspektiven gewinnt man als Unternehmen an der Börse keinen Blumentopf. Entsprechend gab sich SAP Mühe, weitere Wachstumspfade aufzuzeigen. Zum einen gehört hier die Region Amerika dazu, wo SAP versucht, Oracle-Kunden abspenstig zu machen. Zudem brachte das Unternehmen immer wieder die KMU, den Mittelstand, als Heilsbringer ins Spiel.

Zwischen Business One und All-in-One

So auch Ende Januar. Man plane eine neue Software sowie ein neues Vermarktungskonzept für den Mittelstand, hiess es in einer Mitteilung aus Walldorf. Das Produkt werde das bestehende Softwareportfolio ergänzen und auf einer neuen serviceorientierten Architektur basieren. Innerhalb des bestehenden Angebots soll die neue SAP-Software zwischen der Kleinstfirmenlösung Business One und der bereits bestehenden KMU-Suite All-in-One mit ihren branchenspezifischen Erweiterungen angesiedelt werden.
Der eigentlichen Clou an der Lösung besteht jedoch darin, dass sie von entsprechenden Service-Providing-Firmen gehostet werden kann. SAP schätzt, dass dieser Markt ein Poten­tial von 15 Mrd. Dollar aufweist. «SAP plant insbesondere die Investition in neue Vertriebsstrategien sowie entsprechende Prozesse und Infrastrukturen, die auf das Volumengeschäft, neue Kundenbeziehungen und ein grösseres, diversifiziertes Partnernetz ausgerichtet sind», so die Mitteilung weiter. Mehr wurde nicht gesagt.

Ziel 50’000 Kunden mit Business One

Mitte Februar lud SAP ein paar ausgewählte Medien, darunter auch IT Reseller, nach Walldorf zu einem Roundtable-Gespräch mit Chef Henning Kagermann (Bild). Selbstverständlich stand die Ankündigung der gehosteten SAP-Lösung im Zentrum des Interesses. Obwohl sich Kagermann mit klaren Aussagen zurückhielt, zeichnete sich unterschwellig ein etwas klareres Bild der SAP-Pläne ab, und mit etwas Phantasie konnte man gar erahnen, wie sich der Hersteller den Markteintritt mit dem neuen Produkt vorstellt.
Bei den KMU-Kunden gebe es solche mit denselben Anforderungen punkto Funktionalität wie ein Grossunternehmen. Diese werde man weiterhin mit All-in-One bedienen. Andere würden hingegen Wert darauf legen, billig, schnell und risikoarm zu einer neuen Lösung zu kommen. Diese wolle SAP mit dem neuen Hosting-Produkt bedienen, das auch mit vielen Vorkonfigurationen an den Kunden gebracht wird. Selbstverständlich gebe es Überlappungen bei den Kundensegmenten (Kagermann nannte als Wert 10 Prozent). Für Business One sehe man trotz der neuen Pläne weiterhin viel Potential, so Kagermann. Heute habe man 14’000 Business-One-Kunden. Das Ziel sei, 50’000 zu erreichen. Demnach verspricht sich Kagermann mit Business One überdurchschnittliches Wachstum. Gesamthaft will SAP nämlich die Kundenbasis von heute 39’000 bis 2010 auf 100’000 steigern. Bis dann soll der Anteil an KMU von 30 auf 45 bis 50 Prozent wachsen.

Start in den USA?

Alles Weitere liess sich nur aus verschiedenen Andeutungen Kagermanns zusammenreimen. Einen Namen gebe es bereits, nennen wollte er ihn aber noch nicht. Das Preismodell sei noch in Arbeit. Technisch gebe es bereits erste Rückmeldungen von Testkunden. Ausreichendes Feedback, ob das Produkt tauglich ist für den Massenmarkt, verspricht sich Kagermann im nächsten Jahr. Offiziell vorstellen will SAP seinen neuen Wurf aber bereits Ende März. Indes ist nicht klar, ob dann auch gleich die Markteinführung erfolgen wird.
Das Produkt werde nicht im gesam­ten Euro-Raum gleichzeitig ausgerollt. Zuerst will man in grossen volu­men­trächtigen Ländern starten. Die Schweiz werde aber sicher nicht erst am Schluss berücksichtigt, so Kagermann. Das Hosting will SAP erstaunlicherweise in einem ersten Schritt zuerst selber übernehmen. Später wolle man grosse, potente Partner für diese Aufgabe gewinnen. Den Kontakt zum Kunden sollen hingegen kleinere und agilere Relationship-Partner pflegen.
Der US-Markt sei für die Nutzung von Software als Service besser gerüstet, liess sich der SAP-Chef zudem in die Karten blicken. Gut möglich also, dass der Hersteller versucht, sich zuerst jenseits des Atlantiks mit dem neuen Produkt zu verankern.
Etwas wacklig wurde die Argumentation, als Kagermann auf seine Kehrtwende in Sachen Hosting angesprochen wurde. Denn vor drei Jahren konnte der SAP-Chef diesem Vertriebsmodell für ERP noch nicht viel abgewinnen. Das sei letztlich der Grund, weshalb SAP nun ein völlig eigenständiges Produkt entwickle. (map)


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