Lukrativer Handel mit gebrauchter Software

2. März 2019 - Wer mit gebrauchter Software handeln will, muss unbedingt darauf achten, dass er beim Ankauf alle Dokumente und Informationen bekommt, die er nachher beim Verkauf vorlegen muss.

Der Markt für gebrauchte Software ist in den letzten Jahren gereift. Denn die Unternehmen aber vor allem auch die hiesigen Behörden haben laut Andreas Thyen, Gründer und Präsident des Verwaltungsrats des Gebraucht-Software-Händlers Lizenzdirekt, realisiert, dass der Einsatz von gebrauchter Software durchaus eine Option ist. Zu dieser Entwicklung beigetragen haben nebst der Möglichkeit, Kosten zu sparen, sicherlich auch die diversen Gerichtsurteile für den europäischen Raum, die festhalten, dass der Weiterverkauf und der Einsatz von gebrauchter Software legal sind.

Zu den Schweizer Kunden von Lizenzdirekt gehören vor allem mittelständische und grosse Unternehmen aus allen Branchen und Märkten sowie auch immer mehr Behörden. "Denn praktisch alle Unternehmen und Organisationen haben Microsoft im Einsatz und Microsoft ist sowohl bei uns als auch bei unseren Wettbewerbern der Hauptumsatzbringer", erklärt Thyen. Klar gebe es auch Randbereiche wie Oracle oder SAP. "Aber diese Lösungen sind sehr schwer zu verkaufen, weil die Wartung intensiv und in diesem Umfeld zwingend erforderlich ist", ergänzt er. Beim Verkauf sind aktuell etwa 30 Prozent der Kunden Behörden, während 70 Prozent aus dem Unternehmensumfeld stammen. Beim Ankauf liegt der Anteil der Behörden etwas höher – "das schwankt allerdings, je nachdem, wie die einzelnen Deals gerade aussehen". Insgesamt betont Thyen, dass Lizenzdirekt als Schweizer Unternehmen im Vergleich zu Wettbewerbern aus Deutschland die Besonderheiten des Schweizer Marktes speziell gut kennt. (abr)


Netzwerk an Spezialisten

Aktiv als Gebraucht-Software-Händler ist Lizenzdirekt seit 2013. "Ich war vorher lange in einer grossen, internationalen Unternehmens­beratung für Unternehmen und Behörden tätig und habe unter anderem ein wirtschaftswissenschaftliches Universitätsstudium absolviert. Der Handel für gebrauchte Software reizt mich, weil er Jura, Betriebswirtschaft und Vertrieb verbindet", so Thyen. Um in diesem Feld erfolgreich zu sein, braucht es laut Thyen aber unbedingt ein "gewisses Setup an Know-how". Dabei spricht er von Anwälten, Treuhändern, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, die Lizenzdirekt unterstützen. Ebenfalls unablässig sind Kontakte in die IT-Branche, "um den Kunden hervorragend beraten zu können". Denn wenn ein Kunde eine gebrauchte Server-Lösung einsetzen will, muss er wissen, ob diese mit dem Rest der IT-Infrastruktur zusammenpasst. "Hier brauche ich Partner, die mir helfen können. Denn das ist ja nicht unser Part. Wir machen nur Handel, wollen aber unsere Kunden nicht im Regen stehen lassen", so Thyen.

Das Geschäftsmodell von Lizenzdirekt basiert allerdings nicht nur auf gebrauchter Software. "Wir bieten auch neue Software oder Cloud-Lösungen an, damit der Kunde alles aus einer Hand bekommen kann", führt Thyen aus. Er gibt aber auch zu, dass Lizenzdirekt bei neuer Software "nicht wahnsinnig wettbewerbsfähig ist". Die Hauptkompetenz liege klar bei Gebrauchtsoftware. (abr)


Keine Rosinenpickerei

Der Grossteil der Kunden, sowohl im An- wie auch im Verkauf, sind mittlere und stark zunehmend auch grosse Unternehmen. Werde eine gewisse Anzahl Softwarelizenzen angeboten, müsse man analysieren, zu welchem Preis und in welcher Zeit man diese Version noch verkaufen könne. Entsprechend falle dann die Preisgestaltung aus. "Wir versuchen zudem, ein grosses Lager zu haben, so dass wir allen möglichen Kunden sofort grössere Menge bieten können", so Thyen.

Rosinenpickerei betreibe Lizenzdirekt aber nicht. "Wir suchen eine faire Lösung für das gesamte Paket des Kunden. Wir kaufen nicht nur Teile und lassen ihn mit der nicht verkaufbaren Ware stehen." Es gebe aber durchaus auch Angebote, die man komplett ablehnen müsse. Als Beispiel nennt Thyen Office 2007: "Aktuell kaufen wir Office-2010-Lizenzen noch an, alle älteren nicht." (abr)


Alles muss belegbar sein

Beim Verkauf der gebrauchten Software ist es unabdingbar, dass man immer belegen kann, dass alles seine Richtigkeit hat. "Gerade bei virtuellen Gütern wie Software ist es schwer, alles nachweisen zu können. Deshalb muss man bereits beim Ankauf darauf achten, dass man alle Dokumente und Informationen bekommt, die man nachher beim Verkauf vorlegen muss", erklärt Thyen. Denn da muss man etwa alle Chargennummern nachweisen können. "Wir müssen bei jeder einzelnen Lizenz sagen können, woher sie kommt und wer sie gekauft hat – auch wenn man 100’000 Lizenzen an 100’000 User verkauft. Dazu muss man unter anderem eine saubere Chargenverwaltung haben."

Er kritisiert, dass viele Wettbewerber beim Ankauf nachlässig sind, denn das Prozedere sei "echt aufwendig", je nachdem auch für den Kunden, der die Informationen zusammensuchen müsse. "Wir haben bei Lizenzdirekt einen Mitarbeiter, der nichts anderes macht, als Detektiv zu spielen und die notwendigen Dokumente raussucht. Denn wir übernehmen das bei Bedarf gerne für die Kunden", so der Gründer. Zudem arbeite man in diesem Bereich eng mit Crayon Schweiz zusammen. "Crayon ist gerade bei grossen Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern exzellent darin, rauszusuchen, was an Lizenzen da ist und was gebraucht wird und was nicht." (abr)

Um aufgrund der Nachweispflicht an einen seriösen Gebrauchtsoftware-Händler zu gelangen, empfiehlt Thyen, die Mitarbeiter und deren Ausbildung anzuschauen – "Know-how ist entscheidend". Ebenso rät er, Referenzen anzufordern und den Anforderungskatalog anzuschauen, den ein Händler für den Ankauf hat. So sehe man, wie seriös der ganze Prozess ablaufe.

"Es gibt viele, die diesen Markt interessant finden und vor allem Internetshops betreiben. Und dann gibt es solche, die auf Google oder Amazon Office für knapp 10 Euro verkaufen. Dann kann ich mir mit gesundem Menschenverstand nicht erklären, wo das herkommen soll und dann erst noch in einer höheren Stückzahl. Das ist schlichtweg unmöglich. Hier sollte man vorsichtig sein", so sein Rat. Denn Internetshops können nie die vielen verschiedenen Verträge und Besonderheiten abbilden. Ebenso rät Thyen zu Skepsis, wenn schnell und schon früh "nahezu unendliche Mengen der aktuellsten Ware" angeboten werden. Denn: "Wir arbeiten mit einem grossen Netzwerk und verfügen über jahrelange Erfahrung, aber selbst für uns ist es eine Herausforderung, an gebrauchte Lizenzen der aktuellsten Versionen zu gelangen." (abr)


Cloud bringt Gutes und Schlechtes

Lizenzdirekt
Lizenzdirekt mit Sitz im zugerischen Baar wurde 2013 von Andreas Thyen gegründet und handelt mit gebrauchten und neuen Softwarelizenzen. Thyen besitzt über rund 20 Jahre Erfahrung in den Bereichen Beratung und Vertrieb. Bereits seit 2007 sind der Handel und Dienstleistungen rund um betriebswirtschaftliche Software-Lizenzen seine Domäne. Bis Anfang 2011 war er für den Vertrieb und das Marketing der Usedsoft-­Gruppe verantwortlich.
Auch wenn der Handel mit gebrauchter Software von den Gerichten abgesegnet wurde, so ist bei manchen Unternehmen noch eine Verunsicherung spürbar – der Tenor dabei: Man will Microsoft nicht verärgern. Doch laut Thyen kümmert der Handel mit gebrauchter Software die Hersteller nicht mehr so stark. "Denn sie wollen in eine andere Richtung und die Kunden in die Cloud und auf Mietmodelle bringen." Diesen Trend merkt auch Lizenzdirekt. "Wenn einer unserer Kunden Office in der Cloud beziehen will, verkaufe ich in diesem Moment zwar keine gebrauchte Software, aber dafür die Cloud und kann die Kundenbeziehung halten." Und beim Ankauf werden für Lizenzdirekt durch den Wechsel in die Cloud Softwarelizenzen für den Wiederverkauf frei. "Wenn zum Beispiel eine Grossbank 100’000 Lizenzen verkaufen will, weil sie in die Cloud geht oder ein Projekt einstellt, dann eröffnet sich uns dadurch eine Ankaufquelle und vom Ankauf leben wir ja auch", so Thyen. "Denn ich kann ja nicht bei Microsoft oder der Distribution anklopfen und gebrauchte Software kaufen." (abr)


"Wir haben für die Klärung der letzten offenen Rechtsfragen gesorgt"

Wieso ist der Handel mit gebrauchter Software für Sie ein spannendes Betätigungsfeld und ist in der Schweiz ein Markt da für den Einsatz von gebrauchter Software in Unternehmen?
Usedsoft hat den B2B-­Handel mit Gebraucht-­Software im Jahr 2003 überhaupt erst erschlossen. Wir waren der erste Händler, der Unternehmen und Behörden gebrauchte Standard-Software angeboten hat. Und wir haben für die Klärung der letzten offenen Rechtsfragen vor BGH und EuGH gesorgt. Die Schweiz ist seit 13 Jahren unsere Heimat. Von Zug aus vertreiben wir gebrauchte Software innerhalb der EU, Asien und Südafrika. Auch die Schweiz selbst ist für uns ein wichtiger Markt. Hier haben wir eine wachsende Zahl von Kunden in Industrie, Dienstleistung und Behörden.

Welche Faktoren gilt es beim Ankauf und Verkauf von gebrauchter Software zwingend zu berücksichtigen?
Das A und O beim Kauf von gebrauchter Software ist die ordnungsgemässe Lizenzübertragung. Deshalb sollte man nur bei etablierten Händlern kaufen und auf Rechnung und Lieferschein achten. Dann geht alles mit rechten Dingen zu. Und: Nur grosse Händler können sofort und in grösseren Stückzahlen liefern. Und schliesslich: Nach dem Software-Kauf wird oft die Vorversion nicht mehr genutzt. Grössere Händler nehmen diese beim Kauf in Zahlung. Dann wandeln Unternehmen gebundenes Kapital in liquide Mittel um und sparen beim Kauf doppelt.

Wie entwickelt sich der Schweizer Markt für gebrauchte Software aus Ihrer Sicht, gerade auch in Hinblick auf Software-as-a-Service-Angebote und der Entwicklung in Richtung Cloud?
Auch in der Schweiz sind Unternehmen zunehmend gezwungen, Cloud-basierte Software zu nutzen. Das Risiko: Cyber-Kriminelle und Geheimdienste nutzen Sicherheitslücken in der Cloud und stehlen sensible Unternehmensdaten. In einem Hochtechnologie-Land wie der Schweiz ist diese Gefahr besonders hoch. Deshalb nutzt in der Schweiz eine wachsende Zahl von Unternehmen den Gebrauchtsoftware-Markt. Hier können sie weiter Software kaufen, die sie lokal auf ihren Rechnern nutzen. Dann sind ihre Daten auf ihren eigenen Servern mit eigener Fire­wall geschützt. (abr)


"Es gilt, sich strikt an rechtliche Rahmenbedingungen zu halten"

Wieso ist der Handel mit gebrauchter Software für Sie ein spannendes Betätigungsfeld und ist in der Schweiz ein Markt da für den Einsatz von gebrauchter Software in Unternehmen?
Der Handel mit gebrauchter Software ist vielschichtiger als auf den ersten Blick ersichtlich. Aktuell gibt es durch die Cloud-Strategien viele Doppellizenzierungen, hinzu kommen bereits abgeschriebene Lizenzen. Wir identifizieren für Unternehmen den realen Bedarf und raten entsprechend zum Kauf- oder Verkauf. Gebrauchtsoftware ermöglicht Firmen jeder Grösse Einsparpotential. Um die Nachfrage zu befriedigen, hilft uns das internationale Erschöpfungsrecht, welches es Relicense erlaubt, global Gebrauchtsoftware aufzukaufen und in die Schweiz zu verkaufen.

Welche Faktoren gilt es beim Ankauf und Verkauf von gebrauchter Software zwingend zu berücksichtigen?
Gebrauchtsoftware ist eine attraktive Alternative zu neuen Kaufversionen. Die Abwicklung ist dieselbe. Doch Ver- und Ankäufe sind für Laien schwierig zu durchschauen. Es gilt, sich strikt an rechtliche Rahmenbedingungen zu halten. Käufer, die rechtlich einwandfreie Lizenzen kaufen wollen, sollten auf einer lückenlosen Dokumentation ihrer gebrauchten Software bestehen. Durch unsere Kooperation mit Microsoft können wir dies garantieren. Wir agieren nicht als Broker, wir kaufen Volumenlizenzen ausschliesslich direkt an und verkaufen diese in unserem Namen weiter.

Wie entwickelt sich der Schweizer Markt für gebrauchte Software aus Ihrer Sicht, gerade auch in Hinblick auf Software-as-a-Service-Angebote und der Entwicklung in Richtung Cloud?
SaaS ist nicht mehr aufzuhalten. Lizenzen aus der Cloud sind ein attraktives Geschäftsmodell für Händler. Doch nicht für jede Firma stellt eine Cloud-basierte Lizenz die richtige Lösung dar. Gerade grosse Unternehmen haben meist eine heterogene Systemlandschaft aus On-Premise- und Cloud-Lösungen. Dieser Hybrid-Ansatz lässt sich meist nicht flächendeckend in die Cloud migrieren. In diesen Fällen begleiten wir die Firmen mit Best Practices und zeigen auf, welche Migrationsstrategien sich bei anderen als erfolgreich erwiesen haben. (abr)

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