Susan Conza - Die Logische

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10. April 2016 - Asperger-Geschäftsführerin Susan Conza mag an der Informatik, dass sie logisch ist. Und sie hilft ihr auch bei zwischenmenschlichen Beziehungen.

Mit 32 Jahren änderte sich das Leben von Susan Conza von Grund auf. «Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich überall das Gefühl, dass ich nicht reinpasse, wusste aber nicht, wieso», analysiert die heute 43-jährige Geschäftsführerin des IT-Dienstleisters Asperger rückblickend. Dann kam die Diagnose Asperger – eine Form von Autismus. «Plötzlich war es für mich logisch, dass ich mich nie richtig in Teams oder Schulklassen integrieren konnte», so Conza. Denn Menschen mit Asperger-Syndrom fehlt im alltäglichen Kontakt die Empathie – nicht aus böser Absicht, sondern aufgrund der ständigen Reizüberflutung. «Autismus ist eine Wahrnehmungsstörung, die es einem schwer macht, die Aufmerksamkeit offen auf die Umgebung zu richten. Im Gespräch mit einer oder mehreren Personen muss ich offen sein in meiner Aufmerksamkeit. Für einen Asperger ist diese gegen aussen gerichtete Aufmerksamkeit über längere Zeit wegen der ständigen Reizüberflutung anstrengend», erklärt sie. Deshalb fokussieren sich Menschen mit Asperger-Syndrom gerne auf etwas – beispielsweise die Arbeit am Bildschirm – «dann können sie den Tunnelblick aufsetzen und werden nicht abgelenkt».
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Richtig und falsch

Vor diesem Hintergrund erstaunt denn auch die Berufswahl von Susan Conza nicht – auch wenn sie ohne das Wissen über die spätere Asperger-Diagnose geschah. Nachdem Conza in Teenager-Jahren «nach Ägypten abhaute» und ein Jahr später mit 20 Jahren wieder in die Schweiz zurückkehrte, entschied sie sich mit rund 23 Jahren für eine Ausbildung zur Wirtschaftsinformatikerin und absolvierte ein Praktikum bei Cyberlink. Danach machte sie berufsbegleitend den Fachausweis zur Informatikerin sowie das eidgenössische Diplom zur Wirtschaftsinformatikerin. «Mir gefällt an der Informatik, dass man mit Systemen arbeitet, deren Schnittstellen klar definiert sind. Informatik ist nachvollziehbar und logisch. Es gibt richtig und falsch», erklärt Conza. Denn für Autisten sei die Welt ansonsten ein etwas unberechenbarer Ort und Menschen seien oft nicht nachvollziehbar. Auch im zwischenmenschlichen Bereich hat die Informatik die heute 43-Jährige weitergebracht: «Im System Engineering gelernte Techniken oder Denkmodelle, die einem helfen, komplexe Systeme zu erfassen, habe ich auf den Alltag angewendet. So habe ich etwa Menschen in einer Gruppe als System angeschaut und so Wirkungszusammenhänge und Informationsflüsse analysiert.»
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Vorhandenes Potential nutzen

Nach acht Jahren bei Cyberlink, wo sie zuletzt in der Geschäftsleitung sass und auch an der Firma beteiligt war, wechselte Conza zu Abraxas ins Business Consulting. «Da habe ich dann gemerkt, dass es für mich schwierig ist, in einem relativ grossen Unternehmen angestellt zu sein und mich in ein Team zu integrieren. Die Arbeit bei Abraxas war nicht nur Aufgaben-bezogen, sondern immer auch ein bisschen eine politische Sache. Das hat mich überfordert», so Conza. So entschied sie, sich selbständig zu machen. «Am Freitag habe ich entschieden, eine Firma zu gründen, und am Samstag bin ich dann zum Treuhänder und habe die Firma Asperger gegründet, mit dem Ziel, das – oft verkannte – Potential von Menschen mit Asperger-Syndrom zu nutzen.» Denn in ihren Berufsjahren zuvor hatte Susan Conza eines immer wieder erlebt: «Asperger sind häufig sehr gute Informatiker, aber sie verkaufen sich sehr schlecht.» In ihrem Unternehmen werden daher nur Menschen mit Asperger-Syndrom angestellt, mit ein paar wenigen Ausnahmen: «Für gewisse Aufgaben wie etwa die Akquise und Kundenkommunikation sind wir auf neurotypische Mitarbeiter – sprich ohne Asperger-Syndrom – angewiesen.» Anfänglich bestand das Angebot von Asperger aus Informatik-Services wie Software-Entwicklung, bis es vor eineinhalb Jahren um Grafik-Dienstleistungen erweitert wurde. (abr)


Blick in die Zukunft

Danach gefragt, worauf sie am meisten stolz ist, antwortet Susan Conza ohne zu zögern: «Meine Firma. Die ersten fünf Jahre waren hart, aber ich wusste immer, dass es klappen wird.» Für die Zukunft hat sie denn auch noch viele Pläne. Aktuell steht dabei die Vermittlung hochspezialisierter Autisten im Vordergrund. So arbeitet Conza dazu an einem Portal, bei welchem sich qualifizierte Spezialisten mit Asperger-Syndrom oder im sonstigen autistischen Spektrum bewerben können. Zeigt sich nach einer ersten Abklärung, dass eine Vermittlung möglich ist, wird ein geeigneter Arbeitsplatz in einem Unternehmen gesucht.
«Auch mit einer guten Ausbildung ist es für Menschen mit Asperger-Syndrom schwierig, danach einen Job zu finden. Denn sie versagen oft beim Vorstellungsgespräch. Häufig sind sie dort sehr einsilbig, verstehen offene Fragen nicht und antworten verzögert. Bei einem Asperger dauert es infolge der ständigen Reizüberflutung länger, bis die Info im Hirn verarbeitet ist und dann über das Sprachzentrum eine Antwort gegeben werden kann. Das erweckt den Eindruck, dass autistische Menschen intellektuell zurückgeblieben sind. Was natürlich nicht stimmt. Ich bin extrem stolz auf meine Mitarbeiter, das sind alles sehr begabte Menschen.» (abr)


Zeit alleine

Als Geschäftsführerin steht Susan Conza jeden Tag im Mittelpunkt. Das ist anstrengend: «Ich brauche jeden Tag meine Zeit, in der ich mich für mich alleine auf etwas fokussieren kann.» Zudem seien Asperger eigentlich keine guten Führungspersonen, weil man dabei jeden einzelnen spüren müsse, ebenso wie die Stimmung im Team, was Menschen mit Asperger-Syndrom sehr schwer falle. Und wie löst Conza dieses Problem? «Ich bewege mich nun schon seit bald zwanzig Jahren in der neurotypischen Arbeitswelt und habe vieles gelernt. Trotzdem gibt es immer wieder herausfordernde Situationen und für meine neurotypischen Mitarbeiter ist es sicher nicht immer einfach, eine Beziehung zu mir aufzubauen.»
Das zeigt sich auch in ihrem Privatleben. «Die Freundschaften, die ich habe, sind wenige, dafür sehr gute, langjährige Freundschaften mit Menschen, die damit umgehen können, wie ich bin. Sie melden sich immer, auch wenn ich mich nicht zurückmelde. Ich nehme privat zum Beispiel nie das Telefon ab. Meine Freunde verstehen das und nehmen es nicht persönlich.» (abr)


Susan Conza

Susan Conza (43) ist in Zürich zusammen mit vier Geschwistern aufgewachsen. Nach der Sekundarschule absolvierte sie eine Tanzausbildung, die sie aber nach zwei Jahren abbrach. «Ich höre den Takt der Musik nicht. Eine schlechte Ausgangslage für eine Tänzerin», so Conza lachend. Mit rund 32 Jahren erhielt sie die Diagnose Asperger-Syndrom, eine Form von Autismus. 2008 gründete sie das IT-Unternehmen Asperger, welches beinahe ausschliesslich Menschen mit Asperger-Syndrom anstellt. In ihrer Freizeit interessiert sie sich für Politik und Themen wie Soziologie, liest gern oder spielt auch gern mal ein Computerspiel. «Das ist für mich Erholung pur.» Zudem hat Susan Conza drei Hunde und zwei Katzen. Für ihre private Zukunft wünscht sie sich einen Bauernhof mit ganz vielen Tieren. (abr)

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