Channel Insight: Fehlt Wachstum in der IT-Industrie?

8. Juni 2014 - Von Manfred Steinhardt

Der französische Philosoph Antoine de Saint-Exupéry sagte einmal sehr treffend: Wenn man den Wind der Veränderung spürt, soll man Windmühlen und nicht Mauern bauen! Diese Philosophie bedeutet für die IT-Branche, dass massiv in Windmühlen investiert werden müsste. Europa befindet sich tendenziell auf dem absteigenden Ast und das Wirtschaftswachstum findet nur noch sehr bedingt statt. Können wir trotzdem mit einem gesunden Optimismus in die Zukunft schauen? Eine Faustregel besagt: Wenn in einem Land das Bruttosozialprodukt um mehr als 1 Prozent gesteigert werden kann, dann wird wieder vermehrt in IT-Ausrüstung investiert. Trotzt Bevölkerungsrückgang, Marktsättigung und wenig neuen Top-Innovationen könnte der IT-Markt 2014 wieder wachsen, Ersatzbedarf soll das Wachstum treiben. Ähnlich vage Prognosen kennen wir von den Muotathaler Wetterpropheten, welche mit einer ihrer mehreren Aussagen immer recht haben.
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Falsche Sicherheit


Viele Geschäftsmodelle bauen heute noch auf reinem Wachstumsdenken auf. In Businessplänen werden Zahlenreihen über die nächsten Jahre hochgerechnet und suggeriert, dass mit X mehr Mitarbeitern ein Y-prozentiges Umsatzwachstum erzielt werden kann. Es werden teure Strukturen aufgebaut, damit das Unternehmen darauf ausgerichtet werden kann. Vielfach wird negiert, dass es auch eine Marktsättigung geben kann und der Markt «plötzlich» kein oder nur noch wenig Wachstum hergibt. Die Marktkonsolidierung nimmt ihren Lauf und Wachstum gibt es nur noch sehr begrenzt in Marktnischen. Business-Pläne können dann schnell von der Aktualität überholt werden, Strukturen können aber oft nicht parallel und just in time dazu angepasst und abgebaut werden, was negative Auswirkungen auf die operative Unternehmensentwicklung hat.
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Es gibt langjährig erfolgreiche Unternehmen, welche in der Vergangenheit zur rechten Zeit das Richtige umgesetzt haben. Dies kann dazu führen, dass man sich in einer falschen Sicherheit wiegt und gegenüber sich anbahnenden Marktveränderungen resistent ist. Man stützt sich zu lange auf alte Verhaltensmuster und verliert aktuelle Kundenbedürfnisse und das generelle Marktumfeld aus dem Fokus. Für die Umsetzung von Business-Plänen braucht man eine zukunftsorientierte Planung. Schwächelt wider Erwarten der Markt und die Ergebnisse bleiben hinter der Planung oder dem Vorjahr zurück, so ist dass für viele kein Grund, die Planung zu hinterfragen. Ein gesundes Unternehmen kann in temporär anspruchsvollen Zeiten auch auf Reserven zurückgreifen. Diese kosmetischen Anpassungen können kurzfristig die Situation entschärfen. Sollte jedoch auch in den nächsten Jahren das geplante Wachstum ausbleiben, müssen einschneidende Korrekturen vorgenommen werden.
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Umdenken erst unter Druck


Unternehmensleitungen fällt es schwer, die Segel neu zu setzen. Erst wenn der Druck durch Aktionäre oder Kreditgeber gross wird und sich ein Sturm ankündigt, findet ein Umdenken statt. Wenn es dem Management bereits schwer fällt, sich von alten Plänen zu verabschieden, wie schwer fällt die Kurskorrekur erst den Mitarbeitern? Nur zu gerne hält man an den vergangenen Zeiten fest. Veränderungen werden aus Sicht von Mitarbeitern oft als negativ empfunden und Besitzstände werden verteidigt – oft mit viel Substanzverlusten. Hier gilt es, die neue Situation transparent zu erklären und Betroffene zu Beteiligten zu machen.
Fehlende finanzielle Ressourcen können schnell die Existenz des Unternehmens gefährden. Einen kleinen finanziellen Verlust kann man durch Auflösung von Reserven abfedern. Aufgebaute Ressourcen können aber nicht über Nacht abgebaut werden. Oft entstehen im zweiten nicht erfolgreichen Jahr grössere Verluste und die Abwärtsspi-
rale beginnt. Boni und Lohnerhöhungen fallen aus. Die Folge kann sein, dass das Unternehmen die Talente und Erfolgsgaranten verliert. Zudem werden Kunden und Lieferanten nervös. Wenn dann noch die Kreditgeber neue Bedingungen stellen, ist der Sturm perfekt. Das Schiff gerät in Schieflage.
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Die grösste Gefahr für ein erfolgreiches Unternehmen ist, dass ein mehrjähriger Erfolg zur Gewohnheit wird. Man wird träge und hinterfragt zu wenig die Faktoren des Erfolges und wie sie weiter entwickelt werden könnten. Man ist erfolgreich und wird es auch bleiben. Es ist jedoch wie im Sport: Einen Meistertitel zu verteidigen ist oft noch schwieriger als ihn ein erstes Mal zu erreichen.
Wie kann jedoch verhindert werden, dass man Opfer des eigenen Erfolges wird? Eine Firma muss jährlich ihre Strategie überprüfen und punktuelle Anpassungen vornehmen, ohne komplett den Kurs zu wechseln. Technische Entwicklungen können Anpassungen erfordern und ein Generationenwechsel bei Kunden kann zum Verlust derjenigen führen. Man sollte in Szenarien denken. Einfache Szenarien sind effektiv, kann man etwa mit plus 10 Prozent und minus 10 Prozent der budgetierten Umsätze und Margen «modellieren». Dies führt zu überraschenden Ergebnissen. Man erkennt, ob man über ein solides finanzielles Fundament verfügt. Denn Illiquidität ist der Hauptgrund für KMU-Konkurse. Folgender Grundsatz ist der Kompass für eine sichere Fahrt in den nächsten Erfolgshafen: Riskiere nie den langfristigen Erfolg für den kurzfristigen Gewinn. ()

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