Comparex Schweiz über den Massenexodus und die Zukunft

15. Juni 2010 - Ein Teil des neuen Management von Comparex Schweiz sowie Verwaltungsratspräsident Karl Elsbacher haben sich heute Dienstag der Presse gestellt und zu den Geschehnissen der vergangenen Wochen Stellung genommen sowie Kooperationspartner und die Pläne für die Zukunft vorgestellt.

Er ist wütend. Sehr sogar. Comparex-Schweiz-Verwaltungsratspräsident Klaus Elsbacher (Bild) bezeichnete das Abwerben von 180 Mitarbeitern durch das ehemalige Comparex-Schweiz-Management anlässlich einer Pressekonferenz am Dienstag als "grobes Schweizer Foul" sowie "feigen und hinterhältigen Angriff". Die Schweizer Geschäftsleitung habe ihre Funktion missbraucht, um geheime Firmendaten und 180 Mitarbeiter abzuwerben, so Elsbacher. Und Interims-CEO Peter Jung ist überzeugt, dass man die Mitarbeiter durch eine "herbeigeführte Angstmache-Situation" zur Kündigung und zum Wechsel zu Bison gebracht habe. Es handle sich um einen "einmaligen Anschlag auf das Firmenvermögen durch die Firmenleitung", so Jung.
Dadurch sei Comparex Schweiz ein Schaden im hohen zweistelligen Millionenbereich entstanden. Deshalb hat Jung Strafanzeige gegen die verantwortlichen Manager der Bison Group eingereicht. Und VR-Präsident Elsbacher betont: "Wir werden den Rechtsweg bis zur letzen Konsequenz, einschliesslich Zivilklagen, beschreiten." Man lasse sich die Entwendung der Schweizer Tochtergesellschaft nicht bieten.


Derweil ermitteln das Obergericht und die Staatsanwaltschaft Luzern wegen eines Offizialdeliktes, konkret den Verstoss gegen Treu und Glauben. Wann hierbei ein Urteil zu erwarten ist, weiss man bei Comparex nicht. Das Unternehmen hat zudem einen Antrag für vorsorgliche Massnahmen gestellt. Der ehemalige Comparex-Schweiz-Chef Oliver Schalch sowie Bison-Chef Fehlmann und Bison selber müssen nun bis zum 24. Juni eine Stellungnahme einreichen. Danach erwartet man bei Comparex innerhalb von rund zwei Wochen einen Entscheid.


Weiter begünstigt werde der "Kampf gegen den Innerschweizer Filz" – wie es in einer Pressemitteilung heisst – durch die Tatsache, dass die Bison Gruppe zwar über die Mitarbeiter, nicht aber über die Kunden und die Rechte an den Software-Programmen verfüge. Allerdings betont Elsbacher, dass Bison bereits aktiv versucht habe, Kunden abzuwerben, wie er von einem Kunden direkt erfahren habe.


Abschrecken lässt man sich auch von Amokdrohungen gegen Jung nicht, auch wenn solche Situationen schon beängstigend seien. Der Interims-CEO soll von einem ehemaligen Mitarbeiter eine E-Mail erhalten haben, in der alle in den vergangenen 20 Jahren in der Schweiz verübte Amokläufe aufgelistet waren.

Standhaft bleiben
Man werde sich nicht, wie vom Gegenspieler wahrscheinlich erhofft, aus dem attraktiven Schweizer Markt zurückziehen. "Wir werden unsere Geschäftstätigkeit in einem ersten Schritt verteidigen und in einem zweiten Schritt ausbauen", so Elsbacher. Als erste Massnahme hat Comparex Schweiz das Management ausgetauscht, erklärt Interims-CEO Jung die Strategie des Unternehmens. Neu amten Peter Nikisch als COO, Stephan Koch als Technical Director, Andreas Moser als Sales Director und Roland Kamitz als CFO (Swiss IT Reseller berichtete). Danach habe man als weitere Massnahme Kontakt mit den Kunden aufgenommen. Diese haben laut Jung "durchwegs Unterstützung signalisiert". Keiner der Grosskunden habe bislang eine Kündigung eingereicht, auch die Bison-Mutter Fenaco – eine der grösseren Comparex-Kunden – nicht. Des weiteren hat sich Comparex Partner gesucht, um den Betrieb in der Schweiz sicherzustellen. Jene wurden nun anlässlich der Pressekonferenz vorgestellt. Unterstützung erhalten Comparex Schweiz sowie deren Kunden künftig durch den ISP Everyware, den IT-Dienstleister Uniqservice, den Systemintegrator Umb.networker, den IT-Lösungsanbieter Nexgen und das Systemhaus 3fpro.


Gründe für die Kündigungswelle
Danach gefragt, wieso denn fast alle Mitarbeiter auf einen Schlag gekündigt haben, nennt Nikisch Gründe, die er selber im Gespräch mit den Angestellten erfahren habe. So wurde zum einen die neu eingeführte Zeitrapport-Software als zu aufwendig bezeichnet und zum anderen hätten Entlassungen beim Mutterkonzern PC-Ware in Deutschland zu Verunsicherungen geführt. Das neue Comparex-Schweiz-Management ist aber überzeugt, dass auf die Mitarbeiter ein enormer Druck ausgeübt worden sei. Deshalb gebe man den Angestellten nun bis Ende Juni die Möglichkeit, ihre Kündigungen zurückzuziehen. Bislang hätten zehn Mitarbeiter von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Und: "Wir erwarten noch etliche mehr", so Elsbacher. Zudem betont der Verwaltungsratspräsident, dass es keinerlei Auseinandersetzungen oder Hinweise auf Unzufriedenheit gegeben habe. Er geht denn auch davon aus, dass Bison – das noch immer 30 Prozent an Comparex hält – seine aus langer Hand geplant Hidden-Agenda umgesetzt habe. Und Jung erklärt: "Wir hatten nicht die Möglichkeit, zu erkennen, dass etwas nicht stimmt. Und wir haben einem unfähigen Management zu lange zugeschaut."


Lokale Führung und Mitarbeitersuche
Trotz der Enttäuschung über die ehemalige Geschäftsführung von Comparex Schweiz soll die Länderniederlassung weiterhin durch lokale Leute geführt werden. Allerdings werde man mehr mit den Mitarbeitern direkt sprechen, so Jung. Aktuell ist Comparex Schweiz auf der Suche nach neuen Mitarbeitern. Momentan liegen rund 50 Bewerbungen vor, bis End e Juni will das Unternehmen 25 bis 30 Neueinstellungen tätigen. In sechs bis acht Monaten will Comparex wieder rund 100 Mitarbeiter beschäftigen. Zudem sucht man einen neuen Chef, der die Nachfolge von Interims-CEO Jung antreten soll. Allerdings scheint man bei der Suche noch eine gewisse Zurückhaltung walten zu lassen. Die Verunsicherung sei bereits zu gross, erklärt Jung.


Nicht von den Vorgängen in Sursee betroffen ist übrigens die in Dietikon ansässige PC-Ware Schweiz. habe im vergangenen Quartal ein Wachstum und eine Steigerung der Erträge erzielt und wolle das Software-Geschäft ausbauen.

(abr)

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