Von der Kunst, Verkäufer zu führen

10. März 2008 - Verkäufer kann man nicht allein durch leistungsorientierte Zielvorgaben führen. Verkaufsleiter, die ihre Mitarbeiter an der langen Leine halten und lieber wegschauen, als unterstützend einzugreifen, verfehlen nicht selten dadurch ihre eigenen Ziele. Denn: nicht jeder Mensch ist geschaffen für zu viele Freiheiten.

Vertriebsmitarbeiter reagieren besonders allergisch, wenn sie zu stark kontrolliert werden. So werden saubere Einträge in die CRM-Datenbank oft als unnötige Zeitverschwendung abgetan. Das Nachführen von Terminen im Kalender wird als totale Überwachung empfunden. Und wenn der Chef wünscht, mehr in den Verkaufsprozess involviert zu werden, so stösst er damit nicht selten auf Unverständnis. Und wie reagieren Vorgesetzte auf diese Ablehnung? Viele sind dann konsterniert und verunsichert. Die Angst, das (scheinbar) harmonische Arbeitsklima zu stören, wiegt offenbar mehr als die Gefahr, den eigenen Auftrag wegen fehlenden Informationen nicht sauber erfüllen zu können. «Verkäufern muss man eben ihre Freiheiten lassen», tönt es deshalb reihum.
Doch Chefs, die glauben, durch Wegschauen führen zu können, führen in Wirklichkeit gar nicht. Denn sie degradieren sich selbst zu reinen Adminis­tratoren und nehmen die Verantwortung, die man ihnen als Führungskraft übertragen hat, nicht wahr. ()


Zielvorgaben allein genügen nicht

In der Schweiz, insbesondere in der IT-Branche, scheint sich in den letzten 15 bis 20 Jahren eine amerikanisch geprägte Unternehmens- und Führungskultur breitgemacht zu haben: Jeder ist mit jedem sofort per Du. Grenzen und Hierarchien scheinen vordergründig nicht zu existieren. Und um dem Vertriebsmitarbeiter eine grösstmögliche Freiheit in der Ausübung seiner Verkaufstätigkeit zu gewähren, führt man nach leistungsorientierten Zielvorgaben, sogenannten MBOs. (Management by Objectives). Und damit hat es sich dann in vielen Fällen auch schon mit der Führung. Weder wird nämlich nun laufend kontrolliert, noch wird korrigierend interveniert und schon gar nicht motiviert. Wenn dann plötzlich sicher geglaubte Verkaufsprojekte nach Monaten verlorengehen, bricht Panik aus: Der Druck auf den Mitarbeiter wird nun massiv erhöht. So lasch der Führungsstil bis anhin war, so autoritär wird jetzt der Mitarbeiter plötzlich an die Kandare genommen.
Studien belegen aber, dass weder ein extrem autoritärer noch ein zu lockerer Führungsstil den gewünschten Erfolg bringt. Je nach Mitarbeiterpersönlichkeit spricht die Mehrzahl der Angestellten entweder auf einen demokratischen oder direktiven Führungsstil am besten an (s. Grafik).
Zugegeben, Verkaufsleiter zu sein, ist kein einfacher Job. In einer klassischen «Sandwich-Position» steht man immer zwischen den Bedürfnissen des Verkaufsteams und der Erwartungshaltung des eigenen Vorgesetzten. Hinzu kommt, dass viele Vertriebsleiter selber Kundenprojekte akquirieren, so dass für die eigentliche Mitarbeiterführung zu wenig Zeit bleibt. Allen Schwierigkeiten zum Trotz gibt es auch Chefs, die in Verkaufsteams eine positive Atmosphäre schaffen. Gleichzeitig gelingt es ihnen, Jahr für Jahr mit ihrer Verkaufscrew besser abzuschneiden als die anderen. Was machen solche Vorgesetzten besser? ()


Situativ führen

Mag sein, dass Vertriebsmitarbeiter mehr Freiheit in der Ausübung ihrer Arbeit brauchen als andere. Doch nicht alle können mit dieser ihnen übertragenen Freiheit gleich gut umgehen. Ist es für den einen höchst motivierend, ein Ziel gesteckt zu bekommen, dass er dann irgendwie zu erreichen hat, so brauchen andere wiederum mehr Hilfe. Sie benötigen klare Leitplanken und Grenzen, sonst sind sie schnell überfordert, verlieren sich in Details oder missbrauchen gar ihre Arbeitszeit für private Aktivitäten. Es ist die Aufgabe und gleichzeitig die Kunst eines Vorgesetzten, herauszuspüren, wen man an der langen Leine laufen lassen kann und wer mehr Kontrolle benötigt. ()


Richtig kommunizieren

Laut einer von der Arbeitsvermittlungsfirma Kelly Services im Jahre 2006 durchgeführten Studie in insgesamt 28 Ländern nannte die Mehrzahl der Befragten als grösstes Chef-Problem mangelnde Kommunikation. Richtig kommunizieren heisst für den Vertriebsleiter unter anderem, den Mitarbeiter über seinen Auftrag zu informieren. Inwieweit es dem Verkaufsleiter gelingt, seinen eigenen Auftrag erfolgreich umzusetzen, hängt nämlich entscheidend von der Kooperations- und Leistungsbereitschaft von jedem Mitarbeiter seines Teams ab. Chefs, die dies verstehen, sehen sich nicht nur als reine Befehlsgeber, sondern begreifen, dass ihr eigener Erfolg nur zusammen mit ihrem Team realisierbar ist. Sie sind somit mit dem Mitarbeiter im gleichen Boot und schaffen so beim Team gleichzeitig mehr Verständnis für ihre eigenen Forderungen.
Aus dieser Optik betrachtet macht dann das Hinterfragen von Verkaufsprojekten oder der Wunsch des Vertriebsleiters, aktiv bei Kundengesprächen dabei zu sein, auch für den Verkäufer plötzlich wieder mehr Sinn.
Führung ist ein Thema, das die Menschen schon sehr lange beschäftigt. Tausende von Fachbüchern wurden darüber geschrieben und in Führungs- und Managementlehrgängen kann man sich das notwendige Rüstzeug für eine Vorgesetztenposition aneignen.
Dies alles mag dazu beitragen, seinen eigenen Führungsstil zu verfeinern. Die besten Lehrgänge und Techniken nützen aber nichts, wenn die Führungskraft keinen Bezug zu den Menschen aufbauen kann, mit denen sie täglich zu tun hat.
Wer sich gleichgültig gegenüber den Problemen seiner Angestellten gibt, sich den Mitarbeitern verschliesst oder sie gar als Störfaktor bei der Erledigung der eigenen Arbeit ansieht, wird nie ihr Vertrauen gewinnen können.
Völlig zu Recht meinte darum der ehemalige Bundesrat Kaspar Villiger in seiner Rede für den Verband «Kader des Bundes» vom 30. April 2003 in Bern: «Gute Führung bedeutet, mit durchschnittlichen Menschen Überdurchschnittliches zu leisten. Deshalb glaube ich auch, dass gute Führer die Menschen mögen. Wer Menschen hasst, wird sie nie motivieren können.» ()


Das nächste Mal

Erfahren Sie im nächsten Artikel, wie Sie dem Kunden Grenzen setzen können, ohne ihn zu verlieren. Und erfahren Sie, warum man sich selbst von seinen Kunden nicht alles gefallen lassen muss. ()


Der Autor

Markus Schefer (40) ist selbständiger ­Personalberater. ­Daneben ist der ­ausgebildete Primarlehrer Dozent für das Fach «Verkauf» an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Er verfügt über langjährige Vertriebs­erfahrung im In- und Ausland, unter anderem bei IBM und Reuters.
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markus@scheferpersonal.ch ()

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