«Wir sind nicht der einzige Marktplatz auf der Welt»
Quelle: zVg

«Wir sind nicht der einzige Marktplatz auf der Welt»

Manor öffnet seine Plattform Manor.ch für Externe, auch im Bereich Multimedia. Gelingen soll das ­Vorhaben dank attraktiver Angebote, Zusatzservices und Beratung.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2021/07

     

Künftig dürfen auch externe Partner – Handelsunternehmen und Marken – ihr Angebot auf Manor.ch zur Schau stellen, womit Manor.ch zum Online-­Marktplatz für Externe wird. Die Aufnahme von neuen Angeboten erfolgt schrittweise, wobei der Fokus zu Beginn auf die stärksten Produktkategorien gelegt wird. Die sogenannten Best-­in-Class-Kategorien Fashion sowie Home & Living machen den Anfang, gefolgt von Beauty, Multimedia, Spielzeug und Sport in einem zweiten Schritt. Gestartet hat der Ausbau mit zwölf Partnern und mehr als 20’000 Produkten, mit weiteren 60 Partnern führt Manor aktuell Verhandlungs­gespräche. Bis Ende 2021 sollen 100 Partner die Produktevielfalt auf Manor.ch verdoppeln. «Swiss IT Reseller» hat mit Stefan Wetzler, Chief Digital Officer bei Manor, über die Hintergründe und die Herausforderung der Öffnung gesprochen.


«Swiss IT Reseller»: Manor öffnet Manor.ch für externe Partner, sprich Handelsunternehmen und Marken. Wieso machen Sie diesen Schritt? Was erhofft man sich bei Manor ­davon?
Stefan Wetzler:
Wir befinden uns in der digitalen Transformation, im klassischen Omnichannel sind wir bereits ­unterwegs und haben auch einen ­Online-Shop. Der Marktplatz-Ansatz ist ein neues digitales Geschäftsmodell, das uns Flexibilität bringt und mit welchem wir für unsere Kunden ein noch besseres Angebot gestalten können – und dies in zwei Richtungen. Zum einen in der Sortimentsbreite, weil wir dadurch zusätzliche Angebote auf die Plattform bekommen, und zum anderen in der Sortimentstiefe. Als Retailer mit vielen Standorten haben wir ein gewisses Out-of-Stock-Risiko, weil wir unseren Bestand in verschiedenen Warenhäusern verteilt und nicht in einem zentralen Lager haben. Das führt ab und zu dazu, dass man die Ware am falschen Ort hat. Der Marktplatz hilft uns, dieses Risiko zu minimieren, weil unsere Partner liefern können, was wir vielleicht gerade nicht im Angebot haben.

Wie wird entschieden, welche neuen Angebote aufgenommen werden? Nach welchen Kriterien werden die Händler und Hersteller selektiert?
Wir sind kein Marktplatz mit offenen Türen, wo jeder seine Ware anbieten darf. Wir sind eher eine kuratierte Partnerplattform mit einem kuratierten Angebot. Die Sortimentsgestaltung erfolgt in enger Abstimmung mit unserem Einkauf. Dieser entscheidet also nach wie vor über die grundsätzliche Passfähigkeit von Brands, die Sinn machen im Sortiment von Manor. Und sobald diese Entscheidung getroffen ist, steht der Rahmen, in welchem sich unser Marketplace-Team bewegen kann. Dieses Marketplace-Team geht dann ans Onboarding, zum einen mit Brands, aber auch mit externen Händlern.

Und wie wird festgelegt, welche Kategorien und Marken besonders gefördert werden und welche eher weniger in Frage kommen?

Da orientieren wir uns stark an dem, wofür Manor steht. Wir sind kein One-Stop-Shopping-Modell und wollen die Marke Manor nicht ins Unermessliche dehnen und zum Beispiel mit E-Bikes starten. Wir kommen aus unserem Kerngeschäft, das wir Best-in-Class-Sortiment nennen und wo wir stark sind. Das sind zum einen Home and Living aber auch Fashion und Beauty. Mit den Kategorien, für die Manor steht, starten wir und schauen uns dann möglichst Partner an, die schon Marketplace-ready sind und sich möglichst rasch andocken können. Wir wollten nicht mit Partnern beginnen, die noch keine Ahnung von Marktplätzen haben. Nach dem Start mit unseren Pilotpartnern kommen nun sukzessive weitere Partner in den Hauptkategorien hinzu und dann vergrössern wir den Kreis kontinuierlich.

Potenzielle Partner müssen Marketplace-ready sein, wie Sie sagen. Was bedeutet das konkret?
Wir setzen beim Marketplace auf die Plattform des französischen Software-­Unternehmens Mirakl. Die Händler und Partner müssen also in der Lage sein, sich an ein solches Mirakl-System anzudocken, sowie die entsprechenden Daten liefern und den entsprechenden Content zur Verfügung haben. Zudem müssen die Partner ein gewisses ­Service Level hinbekommen. Das sind alles Grundvoraussetzungen, damit wir den Partner nicht erst noch Marktplatz-­fähig machen müssen. Denn wir haben auf unserer Seite schon genug zu tun, um Marketplace-ready zu werden. Dafür müssen wir selbst viel Know-how aufbauen und daher wäre es schon ganz gut, wenn wir Partner bekommen, für die wir nicht noch alles aufgleisen müssen.

Wieso sollten Handelsunternehmen und Hersteller auf Manor.ch präsent sein? Inwiefern profitieren sie von dieser Präsenz?
Wir sind weder der erste noch der einzige Marktplatz auf der Welt. Und da muss man sich als Partner schon die Frage stellen, was man bei Manor soll. Was klar für uns spricht ist, dass Manor eine etablierte Handelsmarke im sehr attraktiven Schweizer Markt ist. Mit uns finden Brands, die bislang noch nicht in der Schweiz sind, einen Einstieg. Zudem verfügen wir bereits über eine stark frequentierte Plattform mit über 50 Millionen Visits pro Jahr. Folglich ist Manor ein sehr relevanter Player im hiesigen Markt und man erhält dadurch relativ schnell Zugang zu treuen Kundensegmenten, die Manor aktuell schon hat.


Wenn wir jetzt aber die Kategorie Multimedia anschauen, die als eine der nächsten auf dem Marktplatz folgen soll: Gerade in diesem Bereich gibt es hierzulande bereits mehrere etablierte Plattformen wie etwa Digitec oder Brack.ch.
Da gebe ich ihnen vollkommen recht. Das ist dann auch eine der Kategorien, wo es sehr anspruchsvoll wird. Es ist zudem wohl die Preisvergleich-intensivste Kategorie, da geht es nur über den Preis und die Nutzerfreundlichkeit. Nichtsdestotrotz ist Multimedia bei Manor eine Best-in-Class-Kategorie, für die wir grundsätzlich im stationären Handel stehen. Und deshalb ist es logisch, dass wir diese Multimedia-Kategorie auch im Marktplatz anbieten werden. Es ist unser Anspruch, in den wichtigsten Kategorien ein kompetitives Zusatzangebot zu schaffen.

Darauf verzichten möchten Sie also trotzdem nicht?
Nein, weil der Multimedia-Bereich zur DNA von Manor dazugehört. Im bestehenden Multimedia-Business, also im Wholesale-Geschäft, sind wir sehr attraktiv und werden gut frequentiert. Und wir haben auch tolle Angebote, wie etwa die Playstation 5, die dann innert Minuten jeweils ausverkauft ist. Und dies nicht, weil wir nur zwei Stück im Angebot hatten. Aber wir bewegen uns hier sicherlich in einem kompetitiven Umfeld.


Wie sieht denn Ihre Strategie für ­dieses Multimedia-Segment aus im Bewusstsein, dass Sie es hier nicht ganz leicht haben werden. Wie möchten Sie sich von anderen ­Playern abheben?
Wir können es nur schaffen, wenn wir ein adäquates Angebot zu einem ­attraktiven Preis haben. Das ist das Wichtigste. Und wir müssen es dann schaffen, die Kunden in unser Ökosystem reinzubekommen. Das heisst, sie nicht nur im Multimedia-Bereich zu halten, sondern sie durch einen Multi­media-Einstiegskauf in unser gesamtes Ökosystem zu bringen, sprich für die weiteren Kategorien zu begeistern. Dass ich jetzt den Digitec-Kunden, der nur online einkauft, zu einem Food-Kunden stationär mache, wäre dann schon die Königsdisziplin und entsteht eher auf dem Power­point-Slide als in der Realität. Aber nichtsdestotrotz haben wir ein sehr ­erfolgreiches Customer-­Relationship-Management-Programm, etwa mit einer Manor-­Mastercard. Das sind schon sehr attraktive Dinge, mit denen wir es schaffen können, jemanden in die Manor-Welt zu bekommen, damit er künftig auch in anderen Kategorien wie etwa bei den Spielwaren einkauft. Ich weiss, da ­haben die Mitbewerber vieles auch im Angebot. Es geht also darum, mit ­Services zu punkten. Durch attraktive ­Angebote, Zusatzservices und Beratung. Hier müssen wir punkten, sonst wird es uns nicht gelingen.

Ab wann wird Multimedia auch auf dem Marktplatz vertreten sein?
Einen konkreten Termin kann ich nicht nennen. Wir bauen alle relevanten ­Kategorien, also auch Multimedia, ­aktuell im Hintergrund bereits auf. Ich halte aber dieses Jahr für wahrscheinlich, gerade auch weil das Weihnachtsgeschäft in diesem Bereich sehr attraktiv ist.

Zu welchen Konditionen können Händler und Marken ihre Produkte auf dem Manor-Marktplatz an­bieten?

Wir haben beim Marktplatz ein klassisches Sales-Kommissions-Modell. Je nach Kategorie gibt es unterschiedliche Kommissionshöhen und diese entsprechen aktuellen Benchmarks im Markt. Im Schmuck- und Fashionbereich sind die Kommissionen beispielsweise deutlich höher als im Multimedia-Segment. Zudem gibt es eine Umsatzbeteiligung und eine monatliche Marktplatz-Gebühr, die die Partner bezahlen müssen. Diese ist allerdings eher symbolisch und bewegt sich im zweistelligen Frankenbereich. Sie wird also keinen Partner daran hindern, am Manor-­Marktplatz teilzunehmen.

Schauen wir den ganzen Kaufprozess an: Welche Dienstleistungen im gesamten Bestell-, Retouren- und Verrechnungsprozess übernimmt Manor.ch und welche müssen die Partner selbst erbringen?
Manor bietet die Plattform und die Präsenz. Das ist unsere Hauptleistung. Was wir zusätzlich anbieten sind die Payment-Prozesse für Kunden und Partner, inklusive Commission Fees. Das wird von uns abgerechnet, inklusive Rückerstattungen. Und auf Partnerseite erfolgt die Logistikleistung, sprich die Auslieferung der Ware, das Retourenmanagement und auch der Kundenservice. Bei Fragen und Reklamationen oder Defekten muss der Kunde also direkt den Lieferanten, sprich den Partner, kontaktieren.

Geplant sind zudem weitere Omni­channel-Funktionen. So wird die Warenrückgabe von Marktplatz-­Produkten in der Filiale ab Ende des Jahres möglich sein. Sind weitere Funktionen in Arbeit?
Allein die Warenrückgabe von Marktplatz-Produkten in den Filialen ist in der Umsetzung kein Spaziergang. Möglich sein soll es bis Ende Jahr. Weitere Funktionen werden sich dann entlang der generellen Omnichannel-Angebote entwickeln. Wir arbeiten an unterschiedlichen Themen, wie zuletzt das Click&Collect-Express-Feature, das wir Ende 2020 lanciert haben. Man kann damit ein Produkt online bestellen und innerhalb einer Stunde im Warenhaus abholen. Wichtig ist hier anzufügen, dass wir für Click&Collect Express die Ware von der Verkaufsfläche nehmen, dieses Feature funktioniert also nicht für den Marktplatz. Was hingegen funktioniert, ist der klassische Click&Collect-Prozess, bei dem sich Kunden die Ware zur Abholung in die Filiale schicken lassen – das ist dann einfach nicht Express.


Wo liegt die Herausforderung bei der Warenrückgabe von Marktplatzprodukten in den Filialen?
Die Systeme müssen so umgerüstet werden, dass jedes auf dem Marktplatz verfügbare Produkt hier als Retoure verbucht werden kann, sodass die Retoure dann den Weg zum Partner zurückfindet. Die Prozesse aus unseren 59 Warenhäusern in der Schweiz müssen entsprechend organisiert werden. Das ist eine Herausforderung auf der System- und der Logistikseite.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass solche offenen Online-Marktplätze nicht unbedingt erfolgsversprechend sind, wenn man etwa Siroop von Swisscom und Coop oder Kaloka.ch von der Schweizer­ischen Post anschaut. Wieso wird Manor.ch mit diesem Konzept im Gegensatz zu anderen Anbietern ­Erfolg haben?

Ich kannte Siroop und Kaloka nicht, als sie an den Start gegangen sind. Manor aber kennt man. Manor ist ein etablierter Brand in der Schweiz mit einem sehr hohen Bekanntheitsgrad, der auch ein gewisses Vertrauen geniesst. Wir haben ein bestehendes Business und machen einen Umsatz von mehreren Milliarden Franken im Jahr – mit einem signifikanten Online-Anteil – und ergänzen unser Geschäft nun um eine weitere Leistung. Am Marktplatz hängt nicht unser Hauptgeschäft, auch wenn er natürlich ein wichtiges Standbein werden soll. Und Swisscom und Co. sind nicht die Hauptanlaufstelle als Händler, Manor hingegen steht schon ewig für Handel. (abr)


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