Ernst Wilken - Der Heimwehschweizer
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Ernst Wilken - Der Heimwehschweizer

Ernst Wilken schlägt sich in Sizilien mit der Mafia herum, offeriert seinen Mitarbeitern Vier-Gang-Menüs und reist in diesen Tagen nach Stockholm zur Verleihung des Alternativen Nobelpreises.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/49

     

«Europa ist in der Schweiz abgebildet», sagt Ernst Wilken, Gründer des Softwarehauses Wilken mit Sitz in Ulm, um anzufügen: «Und ich wäre gerne Schweizer geworden.» Geboren ist Wilken im deutschen Herbrecht­ingen bei Heidenheim, und aufgewachsen im deutschen Freiburg. Seine Affinität zur Schweiz erklärt sich der heute 69-Jährige dadurch, dass bereits seine Eltern viele Freunde in der Schweiz hatten und er deshalb bereits in frühen Jahren immer wieder in Basel und auch
Zürich war. Die Schweizer Mentalität komme ihm entgegen, schwärmt er und findet, dass der Ausdruck «grosser Kanton» für Deutschland schon stimme, aber der grosse Kanton irgendwo an der Main-Linie aufhören sollte. Denn er schätze die Leute, die Qualität und die Seriosität hierzulande. «Wenn man einen Schweizer Partner hat, bleibt der einem treu, durch dick und dünn», so Wilken und fügt lachend an: «Zumindest wenn man ihn nicht bescheisst ...»

Sizilien und Ägypten

Doch sein Bezug zur Schweiz rührt auch noch aus einem anderen Aspekt: «Sie müssen wissen, dass ich ein
Anthroposoph bin, und das Zentrum dieser Weltanschauungsrichtung ist bei Basel.» Aus der Anthroposophie erklärt sich auch vieles dessen, was Ernst Wilken bewegt. Unter anderem befasst sich die Anthroposophie nämlich mit biologisch-dynamischer Landwirtschaft, einem grossen Anliegen des Unternehmers. So essen etwa alle Mitarbeiter der Firma Wilken biologisch-dynamische Nahrungsmittel. «Unsere Kantine ist so beliebt, dass zwar Leute bei uns kündigen, um woanders arbeiten gehen zu können, uns gleichzeitig aber bitten, weiterhin bei uns essen zu dürfen.» Schliesslich biete man täglich zwei Vier-Gang-Menüs zum Preis von 5 Euro und sei ausgezeichnet worden als fünftbeste Kantine in Deutschland. «Für die Kantine sind wir auch über Ulm hinaus bekannt. Selbst wenn jemand unsere Software nicht kennt, unsere Küche kennt man.»
Doch bei den eigenen Mitarbeitern hört Wilkens Engagement nicht auf. Er hat über Banken Bürgschaften für Bauern übernommen, damit diese die Möglichkeit hatten, ihren Hof auf den biologischen oder biologisch-dynamischen Betrieb umzustellen. Geholfen hat er sowohl Bauern in der Schweiz, aber auch einem Betrieb in Ägypten oder einem Zusammenschluss von 200 Bauern in Sizilien. «In Ägypten können wir einiges bewirken auf einer Farm, auf der Baumwolle angepflanzt wird und wo 2600 Landarbeiter tätig sind», erzählt Wilken. Gar abenteuerlich werden jedoch die Geschichten des Software-Pioniers, in denen es um die Bauern in Sizilien geht, die er als Förderer unterstützt: «Diese Bauern dort unterhalten ein grosses Magazin. Eines Tages fanden wir darin einen Benzinkanister mit einem Streichholz drauf. Was das bedeutet, war uns schnell klar. Doch dadurch, dass sich diese Bauern zusammengeschlossen haben, waren sie geschützt. Weil die Benzinkanis­ter-Fraktion keine Lust hatte, sich mit 200 Bauern herumzuschlagen.» Das zeige, dass die Landwirtschaft zusammenhalten müsse, um gegen die grossen Konzerne anzukämpfen. Hier sei auch wieder die Schweiz ein Vorbild, denn die Schweizer Bauern würden sich schliesslich auch nicht alles gefallen lassen.

Nachwuchsförderung

Nebst der Landwirtschaft ist Wilken aber auch im Energiebereich umtriebig. Zum einen durch seine Produkte – Wilken beliefert mit seiner Softwarelösung für die Verbrauchsabrechnung in der Energiewirtschaft 390 Stadtwerke in Deutschland. Zum anderen beschäftigt er sich intensiv mit alternativen Energien – insbesondere für Systeme im Bereich Kraft-Wärmekopplungen.
Und nicht zuletzt fördert Ernst Wilken durch die Wilken-Stiftung, der das Unternehmen mehrheitlich gehört, soziale Projekte und den Nachwuchs. Beispielsweise fördert die Stiftung IT-Studenten und vergibt Stipendien. Damit habe er gute Erfahrungen gemacht. «Wir kriegen dadurch Nachwuchs, in Zeiten, in denen alle über Fachkräftemangel jammern.»

Reise nach Stockholm

Zu jammern ist ohnehin nicht Ernst Wilkens Ding. Vielmehr freut er sich im Moment auf eine Reise in den Norden. Wilken gehört zu 200 ausgewählten Gästen, welche Anfang Dezember nach Stockholm zur Vergabe des «Right Livelihood Award» – besser bekannt als Alternativer Nobelpreis – geladen wurden. Wie er zu der Einladung gekommen sei, wisse er selber nicht. «Ich werde aber schon noch herausfinden, wer hinter der Einladung steckt», so Wilken lachend, um dann ernster anzufügen: «Es ist ein kleiner Kreis, der sich heute um ökologische Themen kümmert und etwas zu ändern versucht. Aber dieser Kreis ist unglaublich effektiv.» Und gerade wer in der IT tätig sei, müsse sich ja mit Themen wie Stromverbrauch auseinandersetzen und versuchen, hier etwas zu machen.
In der IT tätig bleiben wird Wilken auch in Zukunft, selbst wenn er behauptet, «viel Freizeit zu haben». Doch vier Tage in der Woche ist er nach wie vor im Unternehmen anzutreffen und hat auch vor, dies so beizubehalten. «Denn die Branche interessiert mich, und mich interessiert, was die Firma macht.» Das Wort Patron will er jedoch nicht auf sich anwenden, denn dieses habe einen etwas negativen Anstrich. «Ich versuche ja, die Leute zu motivieren und gebe mir Mühe, dass sie mich mögen. Ich glaube, das gelingt mir weitgehend.»
Ein Projekt steht noch offen. Denn eben, wie Wilken sagt, wäre er eigentlich gerne Schweizer geworden. «Gut möglich, dass ich das irgendwann noch anstrebe.»

Ernst Wilken

Ernst Wilken wurde 1940 geboren und lebt heute als Vater dreier Kinder und Grossvater von sieben Enkelkindern in Freiburg. In die IT sei er gerutscht, so Wilken, und zwar, «weil ich immer in Geldnot war». Als er noch bei Zeiss gearbeitet habe, war die IT-Abteilung die einzige, in der man immer Überstunden machen konnte. 1970 wurde er von IBM abgeworben, 1977 gründete er seine Firma Wilken. Die Firma zählt heute 300 Mitarbeiter und ist seit 1998 in Freidorf (TG) auch in der Schweiz präsent. Heute zählt er in der Schweiz, wo er teilweise auch selbst Geschäftsführer war, 15 Mitarbeiter. Wilken ist begeistert von der KMU-Landschaft in der Schweiz. «In einem grossen Unternehmen kann man nichts werden, da ist man bloss Masse.» Bei IBM damals sei das noch etwas anderes gewesen. Mit seiner eigenen Firma habe er alleine angefangen. Jedoch sei sie schnell auf 20 Personen gewachsen, weil er eine Marktlücke gefunden habe. Er habe eine IBM-Datenbank neu geschrieben und modernisiert. Big Blue habe damals noch geholfen, diese zu verkaufen. Zu dieser Zeit habe er morgens Rechnungen geschrieben, mittags begonnen zu arbeiten, abends um 22 Uhr sei er zu Bett gegangen und morgens um 5 habe er dann den Service für die Kunden in den USA gemacht. «Zehn Jahre habe ich so gearbeitet. Selbst heute, wenn in der Nacht irgendwo ein Telefon klingelt, wache ich auf und denke, ‹nicht schon wieder diese Amerikaner›.» In seiner Freizeit spielt Wilken leidenschaftlich Golf – mit einem Handicap 18. «Das schönste Handicap, das es gibt, denn ich schaffe so immer noch eins mehr als vorgesehen.»


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