Der Fall Ex Libris und seine Folgen

Parallelimporte von Computerspielen sind zulässig, sagt das Bundesgericht. Das freut die Beklagte Ex Libris, ärgert aber Schweizer Spiele-Distributoren.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2007/11

     

Der Parallelimport gehört zu den heissesten rechtlichen Themen des Detailhandels. Das Bundesgericht hat nun in einem neuen Entscheid fest-gehalten, dass der Parallelimport von Computerspielen entgegen der Inte-r­essen der Hersteller sowohl nach altem wie nach neuem Recht unein-geschränkt zulässig ist.
Unter Parallelimport versteht man die Einfuhr von Waren ausserhalb des von den Herstellern aufgebauten Vertriebsnetzes. Damit wird den Herstellern die Einflussnahme auf die Vertriebskanäle und teilweise auch auf die Preise entzogen. Aus dem Parallelimport resultiert für die Konsumenten in der Regel ein günstigerer Preis.

Erschöpfung von geistigem Eigentum

Beim Parallelimport geht es um die Frage der sogenannten «Erschöp-fung» von geistigem Eigentum (Marken, Patente, Urheberrechte und De­signrechte). Also darum, ob nach dem erstmaligen Verkauf eines Produktes der Inhaber von geistigem Eigentum an diesem Produkt weiterhin auf die Veräusserung des Produktes Einfluss nehmen kann oder ob seine Rechte eben mit dem Verkauf «erschöpft» sind, d. h. nicht mehr weiter geltend gemacht werden können. Dabei spricht man von «nationaler» und «internationaler Erschöpfung», je nach dem, ob die Rechte nur für das Land erschöpft sind, in dem das Produkt erstmals verkauft wurde oder eben für alle Länder. Aus schweizerischer Sicht gilt für Marken- und Designrechte die uneingeschränkte internationale Erschöpfung. Für Patentrechte (vgl. dazu auch nachfolgend) gilt die nationale Erschöpfung, beim Urheber-recht grundsätzlich die internationa-le, mit der Einschränkung für Kino-filme.

Der Fall Ex Libris

Die Migros-Tochtergesellschaft Ex Libris bezog das Computerspiel «Enter the Matrix» nicht über den vom Hersteller autorisierten offiziellen Schweizer Import, sondern als Parallelimport direkt von einem Lieferanten aus Deutschland.
Dieser Parallelimport wurde vom Hersteller nicht goutiert und er klagte gegen Ex Libris wegen Verletzung von Urheberrechten. Dabei berief er sich auf die eingeschränkte Erschöpfung seines geistigen Eigentums gemäss dem alten Art. 12 des Schweizerischen Urheberrechtsgesetzes (URG), der, in Abweichung der grundsätzlichen internationalen Erschöpfung, «für audio­visuelle Werke» die nationale Erschöpfung vorsah.
Konkret hiess es im alten Art. 12 URG: Das Werkexemplar eines audiovisuellen Werkes darf nur weiterver­äussert oder sonst wie verbreitet werden, wenn der Urheber es im Inland veräussert oder der Veräusserung im Inland zugestimmt hat. Neu heisst es in Art. 12 URG: Exemplare von audiovisuellen Werken dürfen so lange nicht weiterveräussert oder vermietet werden, als der Urheber oder die Urheberin dadurch in der Ausübung des Aufführungsrechts beeinträchtigt wird.
Das Bundesgericht hat nun festge-stellt, dass Sinn und Zweck dieses Artikels war, die sogenannte «Auswertungskaskade» von Kinofilmen aus kulturpolitischen Gründen zu schützen. Unter Auswertungskaskade ist dabei zu verstehen, dass neu produzierte Kinofilme zuerst in den Kinos vorgeführt und erst danach auf DVDs oder durch Pay-TV und Fernseher verwertet werden. Mit dem neuen Art. 12 URG geht die Auswertungskaskade (wenn man überhaupt noch von einer solchen sprechen kann) nur noch bis zur Kinoauswertung.

Computerspiele sind keine Kinofilme

In seinem neusten Entscheid (4C.384/2006 vom 1.3.2007) hat nun das Bundesgericht festgestellt, dass Computerspiele keine «audiovisuellen Werke» im Sinne von Art. 12 URG sind, sowohl nach altem wie nach neuem Recht, da es sich nicht um Kinofilme handelt (vgl. vorne). Aus diesem Grund gilt aus schweize-rischer Sicht die uneingeschränkte internationale Erschöpfung, und der Parallelimport von Computerspielen ist heute wie damals uneingeschränkt zulässig.

Computerspiele sind «Software» auch Videos?

Das Bundesgericht äussert sich in Entscheiden nicht gerne zu Fragen, die zwar im Kontext ebenfalls inte-r­essant wären oder sich sogar gera-dezu aufdrängen, jedoch im konkre-ten Fall nicht von Belang sind. So hat es die Frage, ob Computerspiele aus-schliesslich als Software gemäss Art. 2 Abs. 3 URG geschützt sind oder ­allenfalls auch als Videos nach Art. 2 lit. g URG, offengelassen.
Ob softwarebasierte Unterhaltung Software oder auch Video ist, dürfte vom Inhalt abhängen. Je mehr Ele-mente eines Films ein Computerspiel enthält, desto eher wird es zum Video, was wohl die Tendenz ist.

Achtung Patent!

Zu beachten ist, dass Computerspiele oder Teile davon auch patentrechtlich geschützt sein können. Entgegen einer verbreiteten Meinung gibt es unter bestimmten Bedingungen (insbesondere Verbindung von Software mit Hardware) sowohl in der EU wie auch in der Schweiz das Softwarepatent (Computer Implemented Invention). Patentierte Computerspiele dürften dann wegen der nationalen Erschöpfung von Patentrechten nicht wie urheberrechtlich geschützte Computerspiele nur mit dem Einverständnis des Patentinhabers in die Schweiz importiert werden analog z. B. von patentierten Medikamenten.


Ueli Grüeter

Schweiz als Haifischbecken des Handels

«Parallelimporte sind für uns ein hochbrisantes ­Thema», sagt Stefan Meyer, Geschäftsführer von Activesoft. Die exklusive Vertriebs- und Vermarktungs-Firma wurde 2005 von ehemaligen Mitarbeitern von ABC-Software gegründet.
«Eine bestimmte Schweizer Firma (deren Namen auf Wunsch von Meyer nicht erwähnt wird) fährt mit Parallel­importen eine Vernichtungsstrategie gegen uns. Sie importieren fremdsprachige Versionen von Spielen und verkaufen sie gleich teuer, obwohl wir Schweizer Versionen billiger anbieten und der Kunde bezahlts.» Ins Gewicht fallen vor allem Game-Importe aus den Nachbarländern, da heute die Veröffentlichun­gen von Blockbustern weltweit eng zusammenliegen. In den letzten Jahren hat sich das ohnehin kleine Geschäft mit Importen aus Übersee wie USA und Japan fast aufgelöst, Import-Shops starben (und Online-Shops übernahmen) oder verkauften nur noch Euro-Versionen.
Thomas Gutknecht, Geschäftsführer von Gametime in Zürich, sieht den Umsatz mit dem vermeintilch exklusiven Vertrieb von Take2-Software ebenfalls schwinden. Grossisten setzen die Preise unter Druck. «Es ist auch unfair: Firmen wie wir, mit exklusiven Verträgen für Vertrieb,­ ­haben die ­Kosten für Marketing, POS und Personal; dann kommen Importeure wie Thali, die an uns vorbei an Ex-­Libris verkaufen und von unserem Effort für Marke und Spiele profitieren.» Absichern könne man sich nicht, sagt Gutknecht. «Bei Blockbustern wie GTA sind importierte Stückzahlen von insgesamt 20`000 bereits normal: das entspricht 20% des Gesamtverkaufts in der Schweiz.» (mro)


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wieviele Zwerge traf Schneewittchen im Wald?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER