Jürg Stuker - Der Glückspilz

Seinen Weg hat Jürg Stuker nie gross planen müssen: Oft führte eins zum andern, Begegnungen zu Jobs und Jobs zu weiteren Begegnungen. Heute ist er CEO des St.Galler IT- und Webdienstleisters ­Namics. Zukunftssorgen kennt er keine: «Wir können uns an alle Anforderungen der Zukunft anpassen.»

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/19

     

Als Jürg Stuker im Zürcher Seefeld-Quartier aufwuchs, war das heutige In-Quartier noch berühmt für seinen rosa Bus, in dem gewisse Damen zwischendurch eine warme Suppe bekamen. 33 Jahre blieb Stuker dem Seefeld treu. 33 Jahre, in denen sich nicht nur das einst verrufene Quartier emporarbeitete, sondern auch der kleine Jürg seinen Weg machte und zum CEO Stuker avancierte.
Das Interesse für Technik entwickelte sich bei ihm schon in der Mittelschule. Um sein Taschengeld aufzubessern, arbeitete er neben der Schule im damals bekannten Elektronikgeschäft Fotohobby am Bellevue. Seine Fähigkeiten als Verkäufer schienen bereits ziemlich gut ausgeprägt zu sein, und so wurde Stuker zum ersten, aber nicht letzten Mal in seiner Karriere abgeworben. Von da an verkaufte er die geliebten elektronischen Geräte für den Konkurrenten Eschenmoser.
Nach der Matur begann Stuker ein Studium als Wirtschaftsinformatiker. Seinen Verkäuferjob hatte er unterdessen aufgegeben und arbeitete stattdessen bei der Bank von Tobel in der Finanzanalyse. Sein Geld aber verdiente er hauptsächlich als Hochzeitsfotograf, in seinem zweiten Nebenjob. Die Uni machte ihm nicht sonderlich Spass. Da er sein Können lieber in der Praxis beweisen wollte, musste das Studium für einmal warten, und Stuker wechselte für ein Praktikum zum Rohbaumwollhändler Stahel und Hardmeier. Ohne genauere Definition der Stelle amtete er als eine Art IT-Chef in einem Unternehmen, in dem sich Mitarbeiter gegen ein Backup wehrten mit der Begründung, ihr Computer sei ein «Personal» Computer und fremde Finger hätten daran nichts verloren. Dementsprechend war auch das gesamte Handelssystem organisiert – nämlich gar nicht. Stuker war der erste, der sich in dem Unternehmen daran machte, die Zettelwirtschaft der verschiedenen Händler zu ordnen, in ein System zu pressen und ein Programm zu erstellen.

Braucht jemand Webshops?

Nach Abschluss des Studiums kam Stuker 1997 zu Polynorm Software nach Glattbrugg, wo er zum ersten Mal auch mit den Webspezialisten der St. Galler Delta Consulting in Kontakt kam, mit denen er auch sein nächstes grosses Projekt anging: die Erstellung einer Website und eines durchgängigen Webshops für den Elektrogrosshändler Otto ­Fischer. Trotz vielen Zweiflern, die fragten, ob ein Webshop überhaupt benutzt würde, wurde das Projekt «ein gigantischer Erfolg», wie Stuker erzählt. Noch heute arbeitet man bei Otto ­Fischer mit demselben Programm.
Im Jahr 1999 wurde Stuker von Delta Consulting abgeworben, die kurze Zeit später von der Lau­sanner Publigroupe übernommen und in Namics umgetauft wurde. Seither ist das Unternehmen in grossen Schritten gewachsen und hat neben den Filialen in Bern, Zug und Zürich auch Niederlassungen in Hamburg, Frankfurt und München. In der Zeit, seit Stuker in dem Unternehmen ist, ist die Mitarbeiterzahl von 40 auf über 180 gewachsen. Und dies ohne Firmenübernahmen, sondern nur durch organisches Wachstum. Namics hat dazu eine eigene Methode: Die Firma ist in einzelne Teams gegliedert, die unabhängig voneinander operieren können. Wächst ein solches Team bis zur kritischen Grösse von zirka 30 Mitarbeitern, wird es gespalten und als zwei Teams weitergeführt, die wiederum wachsen können.
Seit zwei Jahren steht Stuker nun als CEO an der Spitze des Unternehmens. Doch er würde seine Position wohl nicht so nennen. «Für manche Kunden, die hierarchische Organisationen gewohnt sind, brauchen wir eine solche Position. Intern ist sie aber nicht so wichtig», so Stuker. Als es darum ging, wer seinen Vorgänger Andreas Göldi ersetzen sollte, zog sich die ­Geschäftsleitung für drei ­Tage in ein Hotel am Bodensee zurück um zu diskutieren, wer für die Posi­tion am geeignetsten sei. Schlussendlich fiel die Entscheidung auf Stuker.
Doch für ihn gibt es Wichtigeres als den Titel auf seiner Visitenkarte: «Mir ist es wichtig, genug Zeit für meine Frau und meine beiden Töchter zu haben.» Deshalb organisiert er seine Arbeit auch so, dass er den Abend frei hat. «Sind die Kinder im Bett, setze ich mich nochmals an den Computer und arbeite in die Nacht hinein», so Stuker weiter. Das liege ihm mehr, als am Morgen früh aufzustehen, sagt er.

Zugang für alle

Ein prägender Moment im Leben von Jürg Stuker war die Begegnung mit dem vor zwei Jahren verstorbenen Informatiker Arnold Schneider. Stuker war fasziniert von der Energie und dem Willen des geburtsblinden Mannes, der sich durch seine Behinderung von nichts abhalten liess. Er war studierter Mathematiker und ­dozierte an der Universität Zürich. Zudem kämpfte er dafür, dass die ­moderne Technik Sehbehinderte und Blinde nicht ausschliesst, sondern ­ihnen im Gegenteil besseren Zugang ermöglicht. In nächtelangen Diskus­sionen bildete sich zwischen den beiden Männern eine tiefe persönliche Beziehung, die Stuker privat wie auch geschäftlich prägen sollte. Durch diese Beziehung und die Zusammen­arbeit mit Schneider wurde Namics mehr und mehr zum Spezialisten für Accessability, sprich den Zugang ­Sehbehinderter zu Online-Angeboten. Heute sieht Stuker Namics in diesem Bereich konkurrenzlos.
«Wir sind mit Herz und Blut Dienstleister und haben uns mit Herz und Blut der Internettechnologie verschrieben.» So definiert Stuker Namics in einem Satz. Und da diese Definition ziemlich offen ist, plagen ihn auch keine Zukunftssorgen, was das Geschäft betrifft. Die Technologie und die Themen würden sich zwar stetig verändern, doch weil das Unternehmen äusserst flexibel sei, könne sich Namics den Trends immer anpassen. Und solange eine Nachfrage bestehe, werde man auch weiter wachsen.

Jürg Stuker

Stuker (38) hat an der Universität Zürich Wirtschaftsinformatik studiert. Seit 1999 ist er Partner des IT- und Webdienstleisters Namics, dem er seit zwei Jahren als CEO vorsteht.
Stuker ist schweizerisch­französischer Doppelbürger. Obwohl er Zeit seines Lebens in der Schweiz wohnte, hat seine französische Seite die Frau seines Lebens - eine Französin eben - erwählt. Gemeinsam haben die beiden eine sieben- und eine neunjährige Tochter, die zweisprachig aufwachsen.
Seine Freizeit verbringt Stucker am liebsten mit seiner Familie «auf einem Hügel im Appenzell». Er fotografiert gern und geniesst gemeinmit Freunden gern ein schönes Nachtessen, einen Drink in einer Bar oder entspannt sich auf dem Sofa liegend und Jazz hörend. Stuker ist Vorstandsmitglied der Schweizerischen Bibliothek für ­Blinde und Sehbehinderte und ­Präsident der Technologiejury bei Best of Swiss Web. (slz)


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