Mit Geduld zurück an die Spitze
Quelle: Motorola

Mit Geduld zurück an die Spitze

Der frühere Branchenprimus Motorola will auch in der Schweiz bald wieder bei den grossen Mobiltelefonherstellern mitspielen. Die entsprechenden Fäden zieht Alessandro Pasquon, den Lenovo dafür vor zwei Jahren zurück zu Motorola holte.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2022/11

     

Über zehn Jahre ist es inzwischen her, seitdem der einstige Marktführer und Technologiepionier Motorola das rückläufige Geschäft mit Mobiltelefonen und Unterhaltungselektronik für Privatanwender vom Rest des Unternehmens trennte und ein paar Monate später an Google veräusserte. Der Suchmaschinenriese wiederum gab Motorola Mobility Anfang 2014 an Lenovo weiter, womit der chinesische Hersteller auch im Mobile-Bereich in Europa Fuss fassen wollte. In der Schweiz gelang dies bislang jedoch nicht, obwohl man hierzulande bereits seit Mitte 2016 wieder Geräte unter der Marke Motorola (bzw. Moto) verkauft.


Einer, der die «guten alten Motorola-Zeiten» noch miterlebt hat, ist Alessandro Pasquon. Seit mittlerweile 25 Jahren ist er im Schweizer Mobile Business tätig, wobei er seine Karriere 1998 eben bei Motorola begann und dort als Key Account Manager über zehn Jahre das ganze Operator-Geschäft verantwortete. Im Zuge der Umstrukturierungen zog es ihn 2010 dann von Motorola zu Samsung, wo er massgeblich zum erfolgreichen Aufbau des Mobiletelefongeschäfts in der Schweiz beitrug. Seit Herbst 2020 ist er nun zurück bei Motorola beziehungsweise Lenovo und damit beauftragt, der Marke in der Schweiz wieder zu altem Glanz zu verhelfen.

Vertrieb steht und wird weiter ausgebaut

Noch hat Pasquon dieses Ziel nicht erreicht, wobei ihm und auch Lenovo von Anfang an klar war, dass dies nicht einfach ist und man Zeit brauchen wird. «Das Mobile Business ist sehr umkämpft, insbesondere in einem Premium-Markt wie der Schweiz», so der 52-Jährige. «Wichtig war in einem ersten Schritt deshalb, möglichst rasch wieder an den wichtigsten Verkaufspunkten präsent zu sein und Kunden damit die Möglichkeit zu geben, wieder mit unserer Marke und unseren Geräten in Kontakt zu kommen.» Das habe man in den vergangenen Monaten erreicht und darauf gelte es nun aufzubauen, meint der Business Development und Sales Manager.

Tatsächlich stehen die Geräte von Motorola heute wieder in den Schaufenstern von Interdiscount und Co., werden von Swisscom, Sunrise oder Mobilezone verkauft und sind auch Teil des Sortiments von E-Commerce-Grössen wie Digitec. Mit anderen (Online)händlern und Mobilfunkanbietern wie Salt oder Quickline sei man im Gespräch, so Pasquon, zudem werde auch das Sortiment in den bestehenden Kanälen laufend erweitert. Die Distribution erfolgt derweil über die beiden auf Mobilgeräte spezialisierten Firmen Technocell sowie Autronic.


Lenovo verkauft die Motorola-Smartphones hierzulande auch direkt. Der eigene Onlineshop diene aber mehr der Präsentation der Produkte als dem Vertrieb, erklärt Pasquon, sei quasi ein Schaufenster mit Bestellmöglichkeit und in keiner Weise eine Konkurrenz zum indirekten Vertrieb. «Unser Ziel ist hier definitiv nicht der Absatz, sondern in erster Linie die Information – auch für unsere Händler.»

Innovative, neue Produkte sollen Kunden zurückgewinnen

Der Vertrieb steht also und soll weiter ausgebaut werden. Was fehlt nun noch, um an alte, glorreiche Zeiten anzuknüpfen? «Wir müssen bei den Kunden das Vertrauen in und die Sympathie für die Marke Motorola wieder wecken», meint Pasquon. Gerade seine Generation verbinde viele tolle Erinnerungen mit dem Brand, aber auch die jüngere Altersgruppe kenne Motorola. Wecken will man diese «alten» Emotionen durch neue, innovative und qualitativ hochwertige Produkte. Hier habe sich in den vergangenen zwei Jahren viel getan, so der Mobile-Fachmann, was ein Blick auf die aktuelle Edge-30-Serie bestätige. Teilweise verbaue man in diesen Smartphones heute wieder marktführende Technologie und nutze die grossen Entwicklungsmöglichkeiten der Lenovo-Gruppe, um die Geräte weiter voranzubringen.


Apropos Innovationen: Erst kürzlich stellte Lenovo im Rahmen des Events Tech World einen Proof-­of-Concept für Smartphones mit rollbarem Bildschirm vor. Damit sollen grössere Bildschirmflächen bei kleineren Geräten möglich werden. In diese Richtung geht Motorola aktuell bereits mit seiner Razr-Serie, die ein faltbares Full-Touch-Display bieten. Der Trend geht also wieder zurück zu kompakteren Devices, Clamshells und neu Foldables – und diese stossen laut Pasquon in der Schweiz durchaus bereits auf grosses Interesse. Gleichzeitig seien die Käufer aber noch etwas zögerlich. Offenbar brauchen Herr und Frau Schweizer nicht nur noch etwas mehr Vertrauen in die Marke Motorola, sondern auch in die neuen, faltbaren Smartphones, bevor sie zuschlagen. Vielleicht sind aber auch die Preise noch zu hoch. Oder man hat auf das neueste Razr-Modell gewartet, das seit Ende Oktober nun auch in den Schweizer Verkaufsregalen steht.

(Noch) kein spezieller Fokus auf Firmen

Motorola bedient mit seinen Geräten aktuell in erster Linie Privatkunden – was nicht heisst, dass die Smartphones nicht auch in Unternehmen zum Einsatz kommen. «Lenovo hat eine klare B2B-Identität und unsere Geräte bieten durchaus interessante Möglichkeiten für die geschäftliche Nutzung», so Pasquon. Entsprechend hat Motorola hierzulande auch verschiedene Firmenkunden und offeriert gerne mit, wenn ein Unternehmen zentral nach entsprechenden Devices sucht. «In der Schweiz hat sich allerdings das BYOD-Modell, also die Nutzung privater Geräte im geschäftlichen Umfeld, durchgesetzt», weiss Pasquon.


Ein Smartphone, das den B2B-Absatz bestimmt ankurbeln würde, ist das Lenovo Think Phone, über das unlängst verschiedene Gerüchte kursierten. Bereits der kolportierte Name verspricht einiges. Pasquon selbst hat bis jetzt auch nur in den Medien über das neue Gerät gelesen, schliesst jedoch nicht aus, dass dereinst tatsächlich ein Smartphone unter der Marke Lenovo erscheinen könnte. Es gebe bereits heute Geräte wie die Legion Phones, die klar Mobilgeräte seien, aber bewusst unter einer anderen Marke verkauft werden. Das zeichne Lenovo gegenüber anderen Herstellern aus, dass man Geräte spezifisch auf Kunden und ihre Bedürfnisse entwickle und entsprechend vermarkte.

Mittel- bis langfristige Planung

In Nord- und Südamerika gehört Motorola inzwischen bereits wieder zu den drei grössten Mobil­telefonherstellern. Wie viel Zeit gibt Lenovo Pasquon in der Schweiz dafür noch? «Wir planen hierzulande mittel- bis langfristig. Marktanteile haben für uns dementsprechend aktuell noch wenig Bedeutung», so Pasquon. Diese werde man sich auch nicht kaufen und versuchen, die Marke mit dem Brecheisen schnell wieder nach oben zu bringen. «Wir wollen, wie bereits erwähnt, gesund und stetig wachsen», so der Business Development und Sales Manager, «wobei wir in unserem Wachstum wie in allen anderen Regionen bereits profitabel sind.»


Weiter vorangetrieben wird das Wachstum von Motorola in der Schweiz vorläufig in den bestehenden Strukturen. Diese sollen verfeinert und Prozesse optimiert werden. Derzeit wird das Unternehmen hierzulande von Alessandro Pasquon betreut und repräsentiert. Er ist mit Motorola und Lenovo strukturell stark vernetzt und kann gut auf entsprechende Ressourcen zurückgreifen. Irgendwann sei dann aber sicher auch eine Vergrösserung des Teams ein Thema. Und wer weiss, vielleicht wird Motorola in der Schweiz dereinst wieder 30 Angestellte zählen, wie zu den «guten alten Zeiten» Anfang der 2000er-Jahre. (mv)


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