«Die Lieferengpässe erschweren die Planbarkeit»
Quelle: zVg

«Die Lieferengpässe erschweren die Planbarkeit»

Wie funktioniert das Geschäft mit Servern bei einem grossen IT-Dienstleister, und wo liegen die Bedürfnisse der Kunden? Darüber haben wir uns mit Adrian von Känel, Leiter der knapp 120 Personen grossen ­Business Unit Professional Services bei Bechtle Schweiz, unterhalten.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2022/05

     

«Swiss IT Reseller»: Bei welchen Endkunden in der Schweiz verkauft und implementiert Bechtle typischerweise noch Server?
Adrian von Känel:
Server allein sind heute nicht mehr im Fokus. Wenn sich Kunden für eine On-Premises-Lösung entscheiden, dann geht es um Komplettlösungen, welche bereits einen ersten Schritt in die Cloud darstellen. Unsere Aufgabe liegt darin, diese so zu designen, dass später alles oder auch einzelne Teile davon in die Cloud verschoben werden können.


Gibt es gewisse Ten­denzen, was die Branchen angeht, die noch eigene Hardware besitzen möchten?
Nicht unbedingt. Natürlich gibt es in den regulierten Branchen – etwa der Finanz- oder Versicherungsbranche oder im Gesundheitswesen – aufgrund von Compliance-Regeln Auflagen bezüglich dessen, was in die Cloud verschoben werden darf. Diese Branchen müssen zumindest in Teilen Hardware zwingend On-Premises betreiben. Unternehmen dieser Branchen können wir auch immer wieder mit unseren Gesamtlösungen unterstützen.

Gehören Cloud-Anbieter auch zu ­Ihren ­Kunden?
Einige kleinere IT-Dienstleister, die für ihre Kunden Private-Cloud-Angebote bereitstellen, gehören zu unseren Kunden. Dank unserem Know-how und unserer Erfahrung können wir hohe Partnerstatus bei renommierten Herstellern vorweisen. Die Vorteile, die wir daraus erzielen, geben wir gerne auch unseren Kunden weiter.
Wie hat sich die Nachfrage nach Server-­Hardware in der jüngeren Vergangenheit ­verändert?
Im Moment spüren wir eine gestiegene Nachfrage nach Hardware seitens der Endkunden. Wir sind jedoch, wie andere IT-Dienstleister auch, betroffen von den Lieferengpässen bei IT-Hardware. Aber: Auch wenn die Lieferengpässe noch umfangreich sind, können wir dank unserem strategischen Partnernetzwerk und unseren hohen Partnerstatus den Grossteil unseres umfassenden Angebotes in nützlicher Frist ­liefern.

Womit erklären Sie sich die zuletzt gestiegene Nachfrage?
Ich denke, dass es bei den Kunden bedingt durch die Pandemiesituation zu einem gewissen Projektstau gekommen ist, dass Investitionen zurückgestellt wurden. Diese Investitionen werden nun nachgeholt, was die erhöhte Nachfrage erklärt.


Und wie gehen Sie mit den angesprochenen Herausforderungen rund um die aktuelle ­Liefersituation um?
Die nun schon länger andauernden Lieferengpässe erschweren die Planbarkeit, weil es immer wieder zu Verschiebungen von Lieferungen kommt. Wir können uns als Dienstleister in dieser Situation besonders dadurch profilieren, dass wir es schaffen, Hardware anzubieten, die tatsächlich verfügbar ist. Das erreichen wir, indem wir maximal intelligent mit den Kundenanforderungen umgehen und unser gesamtes Partnernetzwerk involvieren.
Können Sie das ein wenig ­ausführen?
Eine Lösung besteht in der Regel aus unzähligen Komponenten, und nicht selten ist es so, dass ein System nicht lieferbar ist, weil ein einzelner Chip einer einzelnen Komponente nicht verfügbar ist. Also ist es an uns, dieses Wissen zu haben und zu prüfen, ob es möglich ist, die fragliche Komponente durch eine alternative Lösung zu ersetzen, die das Bedürfnis des Kunden adäquat abdeckt. Aus diesem Grund prüfen wir wöchentlich den Lieferbestand, um frühzeitig bei Verschiebungen der Liefersituation das Gespräch mit den Herstellern zu suchen. So finden wir heraus, wo genau das Problem liegt und welche Alternativen wir haben. Kommt hinzu, dass wir mit allen grossen Herstellern arbeiten und so die Möglichkeit haben, bei fehlender Verfügbarkeit eines Systems bei einem Hersteller auf einen anderen Hersteller auszuweichen.

Kann man eine grundsätzliche ­Aussage dazu machen, bei welchen­ ­Herstellern die Verfügbarkeit besser ist?
Eine solche Aussage kann nicht gemacht werden, da sich die Situation auf dem Markt laufend ändert.


Über den reinen Verkauf hinaus: Was macht das Geschäft mit Servern für Bechtle ­spannend?
Auch wenn Cloud-Services schon seit einigen Jahren im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, stellen wir in Projekten mit unseren Kunden fest, dass Server noch gefragt sind. Wir bei Bechtle ­sehen uns als IT-Dienstleister, der seine Kunden kennt und dessen Bedürfnisse erfüllt, weil wir wissen, dass Kunden eben nicht nur einen Produkte­kauf wünschen, sondern eine umfangreiche Beratung in Infrastrukturfragen erwarten. Gerade bei Firmen mit eigener IT-Infrastruktur oder bei Unternehmen, die grosse Datenbanken ausdrücklich über einen physikalischen Server betreiben, ist noch eine hohe Nachfrage nach Servern zu spüren. Aber auch Cloud-Provider benötigen äusserst gut ausgestattete und besonders leistungsstarke Server. Wir bespielen die Hardware mit Software und Anwendungen analog den Wünschen des Kunden und nehmen sie in Betrieb. Sehr häufig schliessen unsere Kunden nach der ersten erfolgreichen Zusammenarbeit auch eine Betriebsvereinbarung ab – sprich der Kunde beauftragt uns, seine Hardware-Umgebung über die kommenden Jahre zu betreuen und zu betreiben.

Mit welchen Argumenten punkten Sie bezüglich Betrieb bei Ihren Kunden? Wie überzeugen Sie den Endkunden, seinen IT-Betrieb Bechtle zu übergeben?
In der Regel ist die Frage, ob ein Kunde seine IT selbst betreiben oder den Betrieb in die Hände eines IT-Dienstleisters geben möchte, stark davon abhängig, welche Möglichkeiten ein Kunde selbst hat. Der Betrieb einer Serverlandschaft ­bedingt Know-how, das im Unternehmen vorhanden sein muss. Kommt hinzu, dass sich ein ­Unternehmen, das nicht im IT-Umfeld tätig ist, sicherlich die Frage nach dem Mehrwert einer ­eigenen, kompetenten IT-Mannschaft stellen muss, um den Inhouse-Betrieb selbst bereit­zustellen.
Wie entscheidend sind monetäre Argumente? Müssen Sie Endkunden aufzeigen, dass das Auslagern des Betriebs günstiger ist?
Das Faktor Geld spielt immer eine Rolle. Dabei darf man allerdings nicht den Fehler machen, nur die kurzfristige Achse zu betrachten. Ein Unternehmen, das die eigenen Personalkosten über ein Jahr mit den Kosten vergleicht, die bei einem IT-Provider entstehen, wird vermutlich zum Schluss kommen, dass der eigene Inhouse-Informatiker günstiger kommt. Wenn man den Kostenvergleich aber über fünf Jahre hinweg macht und auch Themen wie Stellvertretung, Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden oder auch Mitarbeiterfluktuation berücksichtigt, ändert sich das Bild. Hier spielt auch die Verfügbarkeit von Fachkräften eine Rolle. IT-Spezialisten sind rar und wollen von ihrem Wesen her gefordert werden und sich weiterentwickeln. Wenn ich als Firma dann nicht jeden Innovationszyklus mitmachen kann, werde ich schnell unattraktiv als IT-Arbeitgeber.

Welches Know-how ist rund um die Implementation und den Betrieb von Servern bei Endkunden denn auf Seiten Dienstleister gefragt
?
Gefragt ist vor allem Know-how auf Stufe Software-­Layer. Dabei muss man auch in der Lage sein, die Bedürfnisse des Kunden bezüglich dessen, war er mit dem Server tun möchte, zu erfassen und ihn entsprechend hinsichtlich Architektur und Software zu ­beraten. Und dann sind zunehmend die angesprochenen Betriebsleistungen gefragt. Selbst grosse Firmen aus dem Enterprise-Umfeld wollen den Betrieb immer häufiger auslagern, weil sie das Know-how für den Betrieb von hochspezialisierten Lösungen selbst gar nicht mehr sicherstellen können. In diesem Bereich können wir uns auch von den Mitbewerbern differenzieren und ich bin der Überzeugung, dass die Dienstleister, die es schaffen, Hardware als Teil einer Gesamtlösung zu liefern, in Zukunft die grössten Chancen auf dem Markt haben.

Ich möchte nochmals zurück auf das Thema Server-Beschaffung kommen. Ist die Marge bei der Wahl des Herstellers relevant?
Grundsätzlich ist die Margensituation bei unseren Fokusherstellen vergleichbar. Deshalb ist es wichtig, zu evaluieren, mit welchem Fokuspartner wir die Kundenbedürfnisse am besten abdecken können – vorausgesetzt, die Lieferbereitschaft ist gegeben


Hand aufs Herz: Wie viel Marge liegt beim Server-­Verkauf denn drin?
Dazu möchten wir uns nicht äussern. Was ich ­jedoch sagen kann ist, dass die Margen in den letzten Jahren stärker unter Druck gekommen sind.

Was ist Ihnen denn grundsätzlich bei der Wahl der Hersteller, mit denen Sie zusammenarbeiten, wichtig?
Als kundenorientiertes Unternehmen achten wir bei der Wahl der Hersteller zunächst darauf, mit welcher Technologie wir die Bedürfnisse unserer Kunden am besten decken können. Hinzu kommt, dass wir auch besonders auf Hersteller setzen, auf welche wir uns auch in herausfordernden Situationen zu 100 Prozent verlassen können. Mit diesem Ansatz haben wir bisher sehr gute Erfahrungen gemacht.

Sind die Hersteller, mit denen Sie ­zusammenarbeiten, gesetzt, oder werden ab und an auch neue ­Hersteller evaluiert?
Die Auswahl der Hersteller ist hoch dynamisch. Innerhalb meiner Business Unit findet monatlich ein Portfolio-Briefing statt, an dem die Bedürfnisse seitens Endkunden und seitens unserer Engineers diskutiert werden, um ebendieses Portfolio gegebenenfalls anzupassen. So haben wir erst kürzlich Microsystems ins Portfolio mit aufgenommen, weil wir gesehen haben, dass die sehr kleinen Geräte dieses Herstellers eine Chance auf dem Markt darstellen. Allerdings haben wir bei möglichst jedem Hersteller in unserem Portfolio den Anspruch, nicht nur Systeme zu verkaufen, sondern auch deren Betrieb sicherstellen zu können und den ganzen Lifecycle abzudecken – nach dem Prinzip Plan, Build and Run.


Der Bezug der Hardware geschieht immer über die Distribution, oder zum Teil auch direkt vom Her­steller?
Nein, in der Regel geschieht die Beschaffung über die Distribution.

Abschliessend noch: Welche Trends sehen Sie im Server-Geschäft?
Einen Trend habe ich bereits ange­sprochen – der Fokus weg von der ausschliesslichen Hardware hin zur ­Gesamtlösung. Man kann die Hardware als Basis einer Software-basierten Lösung nicht komplett ignorieren, aber man kann versuchen, sie so unsichtbar wie möglich zu machen. Ein weiterer Trend betrifft die Einhaltung von sozialen Standards und Umweltstandards, die an Bedeutung gewinnt. Das ist nicht nur uns als Bechtle wichtig und Teil der
Unternehmensgrundsätze, auch Endkunden verlangen von uns zunehmend, dass wir mit Herstellern zusammenarbeiten, die entsprechende Standards einhalten. Oft müssen wir heute zusammen mit einer ­Ausschreibung den Nachweis erbringen, wie es um die CO2-Bilanz eines Produkts steht. Ebenfalls ein Trend im Server Business geht in Richtung High Performance respektive spezifische Performance – sprich man versucht, die optimale ­Antwort auf ein spezifisches Bedürfnis zu liefern, etwa durch den Einsatz von dedizierten GPUs anstelle von CPUs für grafikin­tensive Anwendungen. In dem Zusammenhang möchte ich auch das Thema Wasserkühlung ansprechen. Durch die zunehmende Performance und Leistungsdichte entsteht vermehrt ein Bedarf nach Flüssigkühlung, wodurch sich neue Heraus­forderungen ergeben und neues, spezifisches Know-how ­gefragt ist.

Zum Unternehmen

Bechtle gehört zu den ­grössten IT-­Unternehmen in Europa und ist mit rund 80 Systemhäusern in der DACH-­Region aktiv. In der Schweiz zählt das Unternehmen rund ein Dutzend Systemhaus-Standorte. Daneben ist Bechtle mit E-Commerce-­Gesellschaften in 14 Ländern ­präsent. Das Unternehmen zählt europaweit über 12’000 Mitarbeitende und machte 2021 ­einen ­Umsatz von gut 5,3 Milliarden Euro. In der Schweiz beträgt die Zahl der Mitarbeitenden zirka 800. (mw)


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