Microsoft: 'Alle Schweizer Cloud-Partner werden gleich behandelt'
Quelle: Microsoft

Microsoft: "Alle Schweizer Cloud-Partner werden gleich behandelt"

Ende August ist die Schweizer Microsoft-Cloud live gegangen. Primo Amrein, Cloud Lead bei Microsoft Schweiz, verrät im Interview, was die Dienste aus den hiesigen Rechenzentren kosten, was sie bringen und wie der Ausbau weitergehen soll.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2019/10

     

"Swiss IT Reseller": Im März 2018 wurde bekannt, dass Microsoft Datacenter in der Schweiz plant, Ende August 2019 nun wurden sie eröffnet. Wie intensiv war diese Zeit?
Primo Amrein: Die Zeit war sehr intensiv, aber auch spannend und bereichernd. Im Vorfeld der Ankündigung durften wir anhand eines Business Case die Bedürfnisse im Markt aufzeigen. Als wir grünes Licht für den Business Case erhalten und die Rechenzentren angekündigt haben, hat das für viel Aufruhr im Markt gesorgt und von Beginn weg eine grosse Nachfrage hervorgerufen, denn der Aspekt Datenhaltung Schweiz ist insbesondere in den regulierten Branchen ein riesiges Thema. Wir haben schon früh im Projekt intensiv auf die Partner fokussiert, sie informiert und Awareness geschaffen, und ich bin überzeugt, dass sich das nun auszahlt. Wir sind stolz, dass wir Ende August mit sehr vielen und spannenden Early Adoptern und Partnern live gehen durften.

Aber Sie mussten sich mit dem Projekt in Redmond quasi be­werben?
Das ist korrekt. Wir reden hier von einem dreistelligen Millionenbetrag, der bis anhin investiert wurde, und weitere Investitionen werden folgen. Es ist klar, dass es bei einem solchen Investment einen Business Case braucht.
Sie haben es angetönt – die Datenhaltung in der Schweiz ist eines der wesentlichen Argumente für die Schweizer Microsoft-Cloud. Gibt es weitere wesentliche Vorteile?
Nebst der Datenhaltung in der Schweiz, die wir übrigens vertraglich garantieren, gibt es vor allem einen weiteren wesentlichen Vorteil: die geringere Latenz. Offiziell gibt Microsoft keine Latenzzeiten bekannt, da die Latenz von vielen Faktoren in der Netzwerktopologie abhängig ist. Partner von uns haben allerdings Vergleichsmessungen durchgeführt, und uns von Verbesserungen um den Faktor fünf bis zehn im Vergleich mit Amsterdam und Dublin ­berichtet.

Microsoft startet mit Azure in der Schweizer Cloud, danach folgt Office 365. Können Sie etwas detaillierter ausführen, welche Dienste ab wann angeboten werden, wie also der Fahrplan ausschaut?
Der Roll-out, wie wir ihn heute sehen, ist sehr typisch für eine neue Microsoft-­Cloud-Region. Das hat mitunter auch technische Gründe, da gewisse Angebote gewisse Basisdienste voraussetzen. Den Start machen Azure-Infrastrukturservices. Gewisse PaaS-­Services wie Cosmos DB und Azure SQL sind ebenfalls vom Start weg verfügbar. In einer ersten Phase werden diese Azure-Services weiter ausgebaut, es folgen etwa Azure Kubernetes Services, Azure DB für MySQL und PostgreSQL, später kommen dann Azure Functions, Azure Red Hat Openshift und weitere Dienste. Die Roadmap für die einzelnen Dienste kann online übrigens detailliert eingesehen werden (siehe Kasten, Anm. d. R.). Etwas später folgen SaaS-Dienste wie Power BI und Office 365, wobei wir die ersten Office-365-Dienste – namentlich Exchange Online, Sharepoint Online und Onedrive for Business – in drei bis sechs Monaten mit Datenhaltung Schweiz anbieten werden. 2020 dann folgen als nächster Ausbauschritt Dynamics und Power Plattform.
Haben Sie Einfluss darauf, wann welche Dienste in die Schweiz kommen?
Wir können gewisse Dienste priorisieren. Ein Stichwort ist hierbei SAP on Azure, also SAP-Hana-zertifizierte VMs. Dieser Dienst wird üblicherweise erst später aufgeschaltet, wir haben in der Schweiz aber eine grosse Nachfrage und auch schon einen umfangreichen Case mit einer grossen Versicherung, der im Rahmen des Early-Adopter-­Programms bereits live ist. Darum konnten wir SAP on Azure priorisieren und früh lancieren. Ein weiteres Beispiel ist Azure Databricks, ein Dienst, der normalerweise ebenfalls später lanciert wird, in der Schweiz aber in den kommenden Monaten verfügbar ist.

Gibt es auch Services, die Sie respektive die Ihre Partner gerne anbieten würden, die aber nicht in die Schweizer Cloud kommen?
Es gibt Services, die vom Design her global ausgelegt sind. Beispiele sind hier Azure Active Directory (AD), Intune oder Multifactor Authentication. Bei diesen Diensten ist es nicht möglich, Daten ausschliesslich in der Schweiz zu speichern. Aber: Auch hier ist einiges im Tun. So kann man seit dem Frühling bei Azure AD definieren, dass die Daten bis auf wenige Ausnahmen in europäischen Datenzentren gespeichert werden.


Steht die Schweizer Cloud allen Mic­rosoft-Cloud-Partnern weltweit offen?
In einer ersten Phase liegt die Priorität auf Schweizer Endkunden und auf Schweizer Partnern. Die Nachfrage für die Schweizer Cloud ist sehr gross, auch aus dem Ausland. Das freut uns natürlich, gleichzeitig wollen wir aber sicherstellen, dass in der Anfangsphase die Schweizer Kunden und Partner ihre Projekte umsetzen können, denn sie sind der Grund, warum wir die Schweizer Cloud aufgebaut haben. In den kommenden Monaten werden wir die Cloud dann öffnen, so dass auch ausländische Partner ihren ausländischen Kunden dediziert die Schweizer Cloud verkaufen können.
Werden gewisse Partner bevorzugt behandelt, beispielsweise abhängig von ihrem Partnerstatus?
Nein, alle Schweizer Cloud-Partner werden gleich behandelt. Es gibt bereits über 30 Early-Adopter-Kunden, die wir beim Launch vorgestellt haben, einen breiten Mix an Partnern. Es finden sich global tätige Partner, die einen Schweizer Kunden betreuen, grosse, lokale Systemintegratoren, und auch sehr kleine Partner, die aber sehr innovativ sind und ihren Kunden einen spannenden Case präsentieren konnten. Nicht vergessen möchte ich zudem die ISVs und Start-ups, die ihre Software und ihre Dienste über unsere Cloud zu den Endkunden bringen.

Sie haben das grosse Interesse angesprochen. Wie steht es um die Kapazitäten in den Schweizer Microsoft-Rechenzentren, und wer hat Priorität, wenn die Kapazitäten knapp werden?
Es gibt einen klar definierten Fahrplan, was den Ausbau der Kapazitäten angeht. Was wir heute anbieten, ist nur der Anfang, und wir wissen, dass wir spätestens dann, wenn wir mit Office 365 starten, weitere Kapazitäten brauchen. Denn wir werden nicht nur die neuen Office-365-Kunden in der Schweizer Cloud aufsetzen, sondern auch bestehende Schweizer Kunden mit einem Office 365 Tenant im Ausland über kurz oder lang in die Schweiz migrieren. Die Daten und Applikationen sollen möglichst nahe bei den Anwendern sein, was grosse Kapazitäten braucht. Es gibt darum bereits zwei weitere, geplante Ausbauschritte für unsere Rechenzentren, und wir werden dabei einen noch höheren Betrag investieren, als bislang investiert wurde. Diese Gelder sind bereits bewilligt.
Wie sehen diese Ausbauschritte aus?
Wir werden zum einen zusätzliche Kapazitäten an den beiden bestehenden Standorten schaffen. Und dann werden im Grossraum Zürich – Switzerland North – weitere Rechenzentren hinzukommen. Die Kapazitäten werden also nicht knapp ­werden.

Können Sie noch ausführen, wie die bestehenden Office-­365-Kunden in die Schweiz gezügelt werden sollen?
Diesbezüglich gibt es ein definiertes Migrationsprogramm. In einer ersten Phase werden die bestehenden Kunden via Message Center angeschrieben. Sie haben dann für einige Monate die Möglichkeit, sich mittels Opt-in für eine priorisierte Migration anzumelden. Diese Migration findet in einem Zeitraum von maximal 24 Monaten statt, wobei sich Microsoft hier bewusst einen grosszügigen Buffer gewährt, eben um sicherzustellen, dass die Kapazitäten auch bereitstehen. Diejenigen Kunden, die sich nicht mittels Opt-in für die Migration melden, werden über kurz oder lang nichtsdestotrotz irgendwann in die Schweiz verschoben. Denn wie gesagt, Daten und Kunden sollen so nah wie möglich sein.


Das müsste aber bedeuten, dass Office 365 aus der Schweiz nicht teurer ist als in anderen Regionen.
Gemäss den Informationen, die wir zum jetzigen Zeitpunkt (das Interview fand Mitte September statt, Anm. d. R.) besitzen, wird der Preis von Office 365 aus der Schweizer Cloud identisch sein mit den Preisen, die aus Amsterdam verrechnet werden. Anders würde es auch schwierig werden, denn wir können die Kunden ja schlecht in die Schweiz migrieren und dann einen Preisaufschlag geltend machen.

Und wie sieht es bei den Azure-­Diensten bezüglich Pricing aus?
Bei Azure sieht das Preismodell sogenannte regionale Uplifts vor. Diese kommen überall abseits der Hauptregionen zum Tragen – auch in der Schweiz. Switzerland North wird im Vergleich mit Amsterdam 20 Prozent teurer. Das ist in dem Bereich, wie wir es erwartet und im Vorfeld unter NDA auch unseren Partnern kommuniziert haben. Entsprechend konnten die Partner ihre Offerten für Early Adopter auch mit realistischen Zahlen rechnen.
Wie ist dieser Aufschlag von 20 Prozent begründet?
Der Aufschlag ist vor allem durch die lokalen Operations-Kosten zu erklären. Der Betrieb eines vergleichsweise kleinen, regionalen Rechenzentrums ist nun mal teurer als der Betrieb des riesigen RZ in Amsterdam, das die Grösse mehrerer Fussballfelder hat – das Stichwort lautet Economies of Scale.

Ich möchte nochmals auf Office 365 zu sprechen kommen. Welchen Mehrwert kann ein Partner rund um Office 365 denn bieten, so dass der Endkunde nicht direkt bei Microsoft einkauft?
Ich möchte hierzu gerne zwei Beispiele machen. Ein Beispiel betrifft ein Projekt bei Digicomp. Ein Microsoft-Partner hat auf Basis der Schweizer Cloud die gesamte Lernplattform von Digicomp auf Basis von Office 365 und insbesondere Teams digitalisiert. Wir sprechen hier von einer Plattform für rund 90’000 Auszubildende und rund 1000 Kurse, die unser Partner selbst entwickelt hat. Mit der Plattform wird für die Lernenden für jeden Kurs vollautomatisiert eine Teams-Umgebung erstellt, über die die Lerninhalte bereitgestellt und die Lernfortschritte dokumentiert werden. Microsoft hat also mit Office 365 und Teams die Enabling-­Plattform geliefert, die der Partner mit seinem selbst entwickelten Mehrwert veredelt hat. Beim anderen Beispiel ist der Kunde ein grosses Audit-­Unternehmen. Für dieses Unternehmen sind die Schweizer Datenzentren der Startschuss, um die Mitarbeiter über Office 365 verstärkt kollaborieren zu lassen, und zwar weit über E-Mail hinaus. Dazu hat das Unternehmen die Unterstützung eines Partners nachgefragt, der es auf diesem Weg begleitet, die Möglichkeiten und das richtige Vorgehen aufzeigt, bei der Implementation, der Provisionierung und beim Betrieb hilft und der vor allem auch beim ­Change Management unterstützt. Dieser letzte Punkt ist der wichtigste im ganzen Projekt, denn ein solcher Wandel steht und fällt mit der User Adoption, also damit, wie die Mitarbeiter die neuen Möglichkeiten, die Werkzeuge wie Teams oder Onedrive for Business bieten, Abteilungs- und vor allem auch Firmenübergreifend nutzen.
Dazu braucht er aber den richtigen Partner. Denn ein Partner, der bislang vor allem im technischen Bereich tätig war, wird kaum in der Lage sein, plötzlich solche Change-Management-Projekte zu begleiten.
Das ist so. Ein Partner, der ein solches Projekt umsetzt, braucht völlig andere Skills im Unternehmen. Hier die entsprechenden Kompetenzen aufzubauen, ist eine grosse Herausforderung. Doch immer mehr Partner spüren diesbezüglich eine Nachfrage beim Kunden – Change Management und User Adoption sind zunehmend grosse Themen in vielen Firmen – und investieren entsprechend in diesen Bereich respektive in die Fähigkeiten der Mitarbeiter.

Welche Unterstützung bietet Microsoft hierbei?
Microsoft unterstützt die Partner unter anderem mit kostenlosen Lehrangeboten über Plattformen wie Microsoft ­Learn und Linkedin. Für Managed Partner haben wir zudem spezielle Schulungsangebote. Und nicht zuletzt gibt es verschiedene lokale Initiativen wie die Skilling-Initiative, in deren Rahmen wir versuchen, den Partnern Best Practices darin zu vermitteln, wie sie selbst die nötige Transformation bewerkstelligen können.

Wie steht es um die Lernbereitschaft der Partner?
Die ist wie immer durchmischt. Es gibt Partner, die den Weg deutlich sehen und entsprechend als Early Adopter auftreten. Das Gros der Partner sieht zwar den Bedarf, allerdings fehlen aktuell die Ressourcen und auch die Prioritäten. Und dann gibt es natürlich auch die Partner, die die Entwicklung zwar verfolgen, ohne aber selbst aktiv zu werden, weil die aktuellen Geschäfte ja sehr gut laufen. Auch das ist legitim, das muss jeder Partner selbst ent­scheiden.


Aber es ist schon so, dass Microsoft in Zukunft vor allem den Partnern Anreize bieten will, die den Weg in die Cloud gehen, während die Partner, die ihre Zukunft eher On Premise sehen, an Relevanz verlieren werden.
So weit würde ich nicht gehen. Wir haben in der Schweiz sehr viele loyale und langjährige Partner, die bis jetzt kaum Richtung Cloud gegangen sind. Diesen nun einfach weniger Relevanz einzuräumen finde ich persönlich falsch. Vielmehr müssen wir diesen Partner aufzeigen, dass der Weg unweigerlich in Richtung Cloud gehen wird, und wir müssen ihnen die Stossrichtung aufzeigen und ihnen dabei helfen, diesen Weg zu beschreiten. Denn die Cloud kann nicht mehr wegdiskutiert werden. Die Frage lautet für jeden Partner somit nicht nicht ob, sondern wie und wann sein Kunde in die Cloud geht. ?

Die Schweizer Microsoft-Cloud

Mitte März 2018 hatte Microsoft offiziell angekündigt, zwei Datenzentren in den Regionen Zürich und Genf eröffnen zu wollen. Ende August dieses Jahres war es nun soweit, die beiden Datenzentren Switzerland North (Region Zürich) und Switzerland West (Region Genf) gingen online, zum Launch konnte Microsoft bereits mehr als 30 Kunden und Partner vorweisen. Den Start in der Schweizer Cloud machen Azure sowie später Office 365. Welche Azure-­Dienste wann genau aufgeschaltet werden, kann online unter azure.microsoft.com/de-de/global-infrastructure/services eingesehen werden. Rund um Office 365 gibt es zudem ein Migrationsprogramm für bestehende Schweizer Kunden, so dass diese ihre Office-365-Tenants in die Schweizer Rechenzentren migrieren können. Informationen hierzu finden sich unter aka.ms/move. (mw)

Kommentare
Die Bemühungen amerikanischer Cloudanbieter sind mit Vorsicht zu geniessen, vor allem mit dem untransparenten Cloud Act. Wir riskieren viel herzugeben, nur um auf die Cloud zu springen. Wir sollten eher echten Schweizer Cloudanbietern die Chance geben. Es gibt zahlreiche Alternativen in der Schweiz von Schweizer Unternehmen, sei es n'cloud.swiss, aber auch Procloud und Swisscom sowieso.
Montag, 11. November 2019, Juergen Egli



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