Nachfolgeregelung in der Praxis
Quelle: Lake Solutions

Nachfolgeregelung in der Praxis

Wann beginnen Unternehmer, sich über ihre Nachfolge Gedanken zu machen, und aus welcher Motivation heraus? Welche Herausforderungen es bei der Nachfolgeregelung in der Praxis zu meistern gibt, erzählen vier Unternehmer.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2019/09

     

In der Theorie gibt es unzählige Aspekte, die Unternehmer im Hinblick auf die Regelung ihrer Nachfolge beachten sollten. In der Praxis ist jedoch jeder Fall einzigartig, denn es stecken Menschen dahinter. Menschen, die Jahre oder Jahrzehnte daran gearbeitet haben, eine Firma aufzubauen, die vielfältige Beziehungen zu ihren Mitarbeitern, Partnern und Kunden pflegen. All dies hinter sich zu lassen, ist nicht immer einfach, und jeder Unternehmer geht anders damit um. "Swiss IT Reseller" hat vier von ihnen befragt, die ihre Nachfolge bereits geregelt haben und an verschiedenen Punkten im Prozess stehen. Sie erzählen über ihre ganz persönlichen Erlebnisse auf dem Weg der Ablösung von ihrem Unternehmen.


Vier Unternehmer und ebenso viele Wege

Allen vier ist gemeinsam, dass sie sich relativ früh mit der Regelung ihrer Nachfolge auseinandergesetzt haben, wie beispielsweise Urs Felber, Gründer und Inhaber von A&F Systems, einem Systemintegrator für Publishing- und Business-IT-Lösungen aus Schenkon im Kanton Luzern: "Ich habe das Unternehmen ursprünglich unter dem Namen A&F Computersysteme im Alter von 20 Jahren gegründet und habe mit 50 Jahren angefangen, mir Gedanken über meine weitere persönliche und berufliche Laufbahn zu machen. Nicht zuletzt, weil mich auch verschiedene Kunden darauf angesprochen haben, was mit der Firma geschehen würde, wenn ich dereinst nicht mehr da wäre. Ich habe mich daraufhin mit unserer Treuhandstelle und einem externen Spezialisten beraten, welche uns seit rund 30 Jahren begleiten, und gemeinsam haben wir ausgelotet, wie die langfristige Zukunft von A&F nach meiner Zeit aussehen könnte. Für mich war bereits damals ziemlich klar, dass meine beiden Töchter nicht in meine Fussstapfen treten würden, weil sie ganz andere Interessen haben. Deshalb haben wir andere Wege gesucht, um das Weiterbestehen der Firma zu sichern." Er habe über die Jahre in regelmässigen Abständen Angebote erhalten von Personen und Firmen, die Interesse am Unternehmen hatten, aber er habe es nie verkaufen wollen, so erklärt Felber.
Für ihn war ausserdem klar, dass er seine Firma nicht an ein grosses Unternehmen weitergeben wollte, in dem dann A&F aufgehen würde: "Für mich war es wichtig, für die Mitarbeiter und die Kunden eine nachhaltige Lösung zu finden. Ich hatte zudem das Glück, dass ich intern vier Mitarbeiter hatte, die für mich als Nachfolger in Frage kamen. Ich habe deshalb im Jahr 2016 das Gespräch mit ihnen gesucht, worauf drei davon Interesse an meinem Vorschlag gezeigt haben. Mit ihnen haben wir eine tragfähige Nachfolgelösung erarbeitet, wobei ich die Firma aber nicht einfach übergeben, sondern verkauft habe. Natürlich hätte ich auf dem freien Markt mehr dafür erhalten, dennoch war dies für mich der richtige Weg." Felbers Nachfolger haben zusammen eine Holding gegründet, die seit Anfang 2017 mit 45 Prozent an A&F beteiligt ist. Der Vorteil dieser Lösung sei, dass ein allfälliges Ausscheiden eines Teilhabers der Holding den Finanzierungsplan der Nachfolgeregelung nicht gefährden würde.


Urs Felber hat allerdings von Anfang an klargestellt, dass er nicht vorhabe, sofort aufzuhören. So wird er das Unternehmen noch bis zum Ende des Jahres 2020 als CEO führen und sich dann bis 2024 auf sein Mandat als Verwaltungsratspräsident konzentrieren und weiterhin Kunden betreuen. Danach wird er seinen Anteil von 55 Prozent der Aktien an die Holding abtreten. Um diese Transition zu vollziehen, habe man ein sehr detailliertes Organisationsreglement erarbeitet, so Felber. Darin sind jegliche Kompetenzen aller Führungspersonen in der Übergangsphase festgelegt. Somit sei klar, wer was wann machen müsse oder dürfe, denn die Übergabe der Geschäfte an das neue Management sei für ein Unternehmen besonders heikel, so Felber weiter.

Wenn Partner mit im Boot sind

Auch Ulrich Jost und seine Partner vom Spezia­listen für Medien- und Kommunikationstechnik Kilchenmann aus Kehrsatz im Kanton Bern haben sich schon früh Gedanken über ihre Nachfolge gemacht: "Wir haben im Jahr 2000 ein Management Buy-out durchgeführt und das Familienunternehmen Kilchenmann, ein renommiertes Berner Radio- und TV-Geschäft, gekauft. Damals waren wir alle etwa 40-jährig und bereits seit einigen Jahren in der Firma. Weil die Branche darbte und das Geschäft von Kilchenmann nicht mehr so gut lief, konnten wir die Firma zu einem guten Preis erwerben, ausserdem kannten wir die Kunden und Lieferanten gut." Die Partner hätten dann begonnen, die Firma umzubauen und von einem B2C- in ein B2B-Geschäft zu verwandeln sowie den Schritt von der analogen in die digitale Welt zu machen. Dabei sei die Mitarbeiterzahl von 120 auf 70 reduziert und alle Geschäfte bis auf den Hauptsitz in Kehrsatz geschlossen worden. "Schliesslich wurde der damalige Geschäftsführer 2011 pensioniert und ich übernahm den Posten des CEO. Parallel dazu haben wir schon 2010 damit begonnen, jedes Quartal im Verwaltungsrat jeweils einen Chart mit allen Führungsfunktionen zu präsentieren, auf dem zu sehen ist, wann welche Führungsperson pensioniert wird. Damals waren die Zeitpunkte der Pensionierung jedes Einzelnen noch in weiter Ferne, doch sie kamen Jahr für Jahr unweigerlich näher. Und dank dieses Cockpits, das laufend angepasst wird, erkannten wir bald, dass wir auf der Führungsebene ein massives Klumpenrisiko vor uns herschieben, weil dereinst innerhalb weniger Jahre das gesamte Management aus dem Unternehmen ausscheiden wird. Deshalb haben wir angefangen, das Führungsteam sukzessive zu verjüngen."
Etwas anders präsentiert sich die Situation im Fall von Walter Borgia, CEO des IT-Lösungsanbieters Lake Solutions aus Wallisellen im Kanton Zürich: "Wir haben Lake Solutions zu zweit aufgebaut, Alfio Lazzari und ich. Wir sind 1998 in die COS Holding eingetreten und haben 2006 ein Management Buy-out durchgeführt, um danach die Firma Lake Solutions zu gründen. Damals hatten wir noch 32 Mitarbeiter, heute sind es rund 70 und Lake Solutions ist zu einem wichtigen HPE-Partner avanciert. Wir hatten bisher aber nie ins Auge gefasst, das Unternehmen zu verkaufen, und schon gar nicht wollten wir von einem ­grösseren Mitbewerber übernommen werden, denn das hätte ziemlich sicher die Integration in das andere Unternehmen bedeutet. Gleichzeitig hätten vermutlich viele Mitarbeiter ihren Job verloren. Wir aber sind der Ansicht, dass die Mitarbeiter das höchste Gut einer Firma sind." Als dann aber im Sommer 2018 Ricoh ein Angebot unterbreitete, war die Situation anders. Denn Ricoh hatte zuvor bereits den italienischen IT-Dienstleister NPO Sistemi übernommen und behandelt diesen seit nunmehr vier Jahren als eigenständige Tochterfirma. Dieses Modell habe sich bewährt, findet Borgia: "Dies hat uns dazu bewogen, das Angebot von Ricoh eingehend zu prüfen. Wir haben dabei gemerkt, dass es genau das ist, was wir uns für die Weiterentwicklung von Lake Solutions wünschten. Denn mit einem solchen Partner im Rücken würde die Firma neue Wege gehen sowie neue Märkte erschliessen und weiterwachsen können. Auch zeitlich fiel das Angebot von Ricoh günstig, denn Alfio Lazzari, der fünf Jahre älter ist als ich, machte sich bereits Gedanken über seine unmittelbare Zukunft im Unternehmen und über die Zeit danach. Für mich war letztlich wichtig, im Unternehmen bleiben und dieses weiter aufbauen zu können. Dafür muss ich nicht zwingend auch Inhaber des Unternehmens sein."

Der Zufallstreffer

Thomas Götti, ehemaliger Inhaber des IT-Dienstleisters Comicro aus Wangen bei Dübendorf im Kanton Zürich, hatte schon früh klare Vorstellungen über die Regelung der Nachfolge in seinem Betrieb. Ihm kam jedoch der Zufall zuvor: "Mein persönliches Ziel war schon immer, im Alter von 55 Jahren und nach 25 Jahren als Geschäftsführer und Hauptaktionär von Comicro damit zu beginnen, mich aktiv mit der Regelung meiner Nachfolge auseinanderzusetzen. Gleichzeitig hatte ich mich auch schon dazu entschieden, vor 55 bewusst keinen Gedanken an dieses Thema zu verschwenden. Ich habe aber schon im Vorfeld grundsätzlich abgeklärt, ob es eine Nachfolge aus der Familie oder aus den Strukturen des Unternehmens geben könnte. Und dann bekam ich rund zwei Monate vor meinem 55. Geburtstag einen Anruf von der Firma Avectris mit einem Übernahmeangebot. Der Zeitpunkt war gerade perfekt, es war sozusagen Fügung. Wichtig war mir, dass es ein Schweizer Unternehmen ist, welches meinen Mitarbeitenden neue berufliche Perspektiven eröffnet und gleichzeitig unseren Kunden einen Mehrwert bietet. Durch den Zusammenschluss mit Avectris konnten wir beides erreichen."

Die Beweggründe

Die Dauer und der Erfolg des Nachfolgeregelungsprozesses werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Viele betreffen das Unternehmen selbst, ausschlaggebend ist aber auch die Motivation der Unternehmer und die damit verbundene Entscheidung für eine bestimmte Nachfolgelösung.

Für Urs Felber war neben der Liebe zum eigenen Unternehmen und der Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern unter anderem auch der Zeitdruck ein Kriterium: "Mein Beweggrund war, dass ich mich nach 40 Jahren im Unternehmen aus dem operativen Geschäft zurückziehen will. Ob ich danach noch in irgendeiner Funktion, beispielsweise als Berater, im Unternehmen tätig sein werde, ist noch offen, aber ich werde mich im Alter von 60 Jahren definitiv vom Tagesgeschäft verabschieden. Ich wusste aber schon früh, dass die Finanzierung der angedachten Nachfolgelösung nicht möglich sein würde, wenn ich mich nicht frühzeitig damit auseinandersetze. Ich wollte schliesslich nicht an den Meistbietenden verkaufen, sondern an meine Wunschkandidaten, denen ich vertraue und die das Unternehmen in meinem Geiste weiterführen werden, auch wenn sie einiges anders machen, als ich es getan habe." Laut Felber gebe es in der Firma einige Leute, die seit vielen Jahren dabei sind und die massgeblich daran beteiligt waren, A&F zu dem zu machen, was es heute ist, nämlich ein Unternehmen, das im Bereich der Redaktions- und Publikationssysteme auf europäischer Ebene führend und mittlerweile in 15 Ländern tätig ist. Deshalb sei es ihm wichtig gewesen, dass A&F nicht in einem grossen Konzern aufgeht, der Name binnen weniger Jahre von der Bildfläche verschwindet und die Mitarbeiter womöglich ihre Stelle verlieren. "Ich wäre ohne meine Mitarbeiter persönlich auch nicht an dem Punkt, an dem ich heute bin, deshalb fand ich es nur fair, für sie eine nachhaltige Lösung zu finden und ihnen eine Perspektive zu geben. Das hat sich bisher ausgezahlt. Wir haben die Mitarbeiter bereits kurz vor der offiziellen Bekanntgabe der Nachfolgelösung informiert und haben keine einzige Kündigung erhalten. Zudem waren auch die Kundenreaktionen durchwegs positiv", so Felber.
Laut Ulrich Jost gehört es zu den zentralen Aufgaben eines Geschäftsführers, die Nachfolge zu regeln und damit die Kontinuität des Unternehmens zu sichern: "Ich erachte es als meine Aufgabe als CEO, meine Nachfolge und die der anderen Führungspersonen anzustossen. Die Regelung meiner eigenen Nachfolge markiert dabei gleichzeitig den Beginn eines längeren Prozesses, im Rahmen dessen auch diejenige meiner Geschäftspartner geregelt wird." Jost ist überzeugt, dass man einen Nachfolger finden kann, wenn man dafür offen ist. Er selbst setzte dabei auf eine externe Person: "Dazu muss ich sagen, dass für uns klar war, dass wir keine interne Nachfolge wollten, weil wir zwar viele gute Mitarbeiter herangezogen haben, aber der Ansicht waren, dass die Kilchenmann-­DNA für den nächsten Entwicklungsschritt des Unternehmens mit neuer durchmischt werden muss."

Auch für Walter Borgia stand der langfristige Erfolg des Unternehmens, das er mit Alfio Lazzari aufgebaut hat, im Vordergrund: "Ich habe mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken darüber gemacht, wie meine Zeit nach Lake Solutions aussehen wird. Zum einen, weil ich mit 52 Jahren noch relativ jung bin, und ausserdem war unsere Motivation, das Unternehmen an Ricoh zu verkaufen, vor allem die Perspektive, damit eine neue Wachstumsphase einzuläuten. Wir waren nie ein Hire-and-Fire-Unternehmen und sind organisch gewachsen, eine gute Grundlage für den weiteren Ausbau der Geschäfte. Ich bin der Meinung, dass wir mit dieser Basis und dem Konstrukt innerhalb eines grossen Konzerns unseren Mitarbeitern eine Plattform gegeben haben, um sich weiterzuentwickeln. Die Mitarbeiter sehen darin denn auch grosse Chancen. Ich persönlich plane, auf unbestimmte Zeit bei Lake Solutions zu bleiben, denn wir haben ein hervorragendes Team und meine Tätigkeit bereitet mir nach wie vor sehr viel Freude. Dementsprechend stellt sich mir die Frage nach der Zeit danach noch nicht."


Bei Thomas Götti kreisten die Gedanken ebenfalls vornehmlich um seine Hinterlassenschaft als Unternehmer: "Ein wichtiger Grund, weshalb ich mich schon früh dafür entschieden habe, mit 55 meine Nachfolge zu regeln, war auch, um gegenüber den Mitarbeitern und Kunden meine Verantwortung als Unternehmer wahrzunehmen. Ich fand immer, dass man dies den involvierten Menschen schuldig ist. Als Unternehmer kann man nicht einfach kündigen, wenn man genug hat, man kann nicht einfach aussteigen, denn das bedeutet das Aus für die Firma. Das war für mich nie eine Option."

Mögliche Stolpersteine und Hürden

Doch auch die besten Absichten sind kein Garant dafür, dass ein Nachfolgeregelungsprozess komplett reibungslos über die Bühne geht. Gewisse Hürden, vor allem solche auf administrativer und operativer Ebene, sind voraussehbar und können mit der nötigen Vorbereitung umgangen werden, andere wiederum sind schwerer auszumachen. Gerade zwischenmenschliche Beziehungen können dabei zur Belastungsprobe werden.


Die eigene Endlichkeit im Unternehmen zu akzeptieren und auch danach zu handeln, ist für einen Unternehmer besonders wichtig, findet Urs Felber: "Bei uns gab es die Frage zu klären, wer von den drei Nachfolgern neuer Geschäftsführer wird. Das ist eine heikle Diskussion. Der Verwaltungsrat und ich waren uns aber einig, dass eine andere Führungsform, wie beispielsweise ein Dreier-Gremium, nicht funktionieren würde. Eine weitere Hürde war wohl, dass ich im Unternehmen als Inhaber ziemlich dominant war. Ich habe zwar meine Mitarbeiter in meine Entscheidungsprozesse einbezogen, aber am Ende hatte ich als Chef immer das letzte Wort. Ich musste also auf die harte Tour lernen, loszulassen. Das bedeutet auch aushalten zu können, dass die neuen Führungspersonen gewisse Dinge anders tun, als ich sie umgesetzt hätte. Diesen Aspekt darf man auf keinen Fall unterschätzen, besonders wenn man noch im Tagesgeschäft eingebunden ist. Ich habe deshalb damit begonnen, während meiner Arbeitszeit physisch nicht mehr durchgehend im Betrieb zu sein. Das heisst, dass ich zwar erreichbar bin, aber dass ich ausserhalb des Unternehmens arbeite. Damit müssen sich die Mitarbeiter nun bei Fragen zunehmend an die neuen Führungspersonen wenden."
Auch bei Kilchenmann gab es bei der Erarbeitung einer Nachfolgelösung eine kleine Hürde zu nehmen, wie Ulrich Jost erklärt: "Wir wollten das Unternehmen nie extern verkaufen und waren von Anfang an bereit, es zu einem massiv tieferen Preis an ein neues Führungsteam zu übergeben. Gleichzeitig war aber auch klar, dass es keinen Nachfolger aus den eigenen Reihen geben wird. Deshalb war es wichtig, dass keine Spekulationen aufkommen, wer in der Firma wohl zum Geschäftsführer aufsteigen wird. Solche Dinge muss man offen ansprechen und kommunizieren. Schwierig war die Frage danach, in welcher Phase des Prozesses man die Mitarbeiter informieren will. Natürlich kann dies bei den Betroffenen Enttäuschung hervorrufen, auf der anderen Seite löst sich dann aber auch eine eventuell vorhandene Wettbewerbssituation auf, denn eine solche könnte sich negativ auf die Motivation der Mitarbeiter auswirken."

Walter Borgia gibt zu bedenken, dass die Nachfolgeregelung ein Marathon ist, und kein Sprint. Vorausschauend zu planen, ist in seinen Augen deshalb essenziell: "Wichtig ist, dass man nicht erst im letzten Moment versucht, eine Nachfolgelösung auf die Beine zu stellen. Man muss sich dessen bewusst sein, dass man zu dem Zeitpunkt, in dem man beispielsweise einen Verkaufsvertrag unterschreibt, noch nicht am Ende des Prozesses angelangt ist. In der Regel soll oder muss man danach noch einige Jahre im Unternehmen bleiben, damit die Übergangsphase erfolgreich abgeschlossen werden kann. Man kann also nicht erst dann anfangen, sich mit der Thematik der Nachfolge auseinanderzusetzen, wenn man womöglich nicht mehr die Motivation für das eigene Geschäft besitzt. Unter Druck wird es sicher nicht einfacher, die richtige Entscheidung zu treffen oder die richtige Nachfolge zu finden."


Für Thomas Götti schliesslich war der Spagat zwischen Tagesgeschäft und Nachfolgeregelungsprozess die grösste Herausforderung: "Sehr anspruchsvoll war während dem Übernahmeprozess, dass parallel zu unserem Tagesgeschäft viele Informationen für den Käufer des Unternehmens aufbereitet, ausgetauscht und diskutiert werden mussten. Diese Doppelbelastung war enorm. Erschwerend kommt hinzu, dass man in dieser Phase und bis zum Abschluss der Verhandlungen nur sehr wenige Leute im Unternehmen in den Prozess involvieren kann."

Handlungsempfehlungen und Tipps

Einen Nachfolgeregelungsprozess kann man nicht nebenher vorantreiben, darin sind sich alle vier Unternehmer einig. Hilfe von aussen, entweder in Form eines Coaches, aus den Reihen des Verwaltungsrates oder durch spezialisierte Berater, ist deshalb in den meisten Fällen unverzichtbar.

Urs Felber beispielsweise hat im Laufe seiner Karriere als Unternehmer viele Erfahrungen gesammelt, trotzdem ist er sich sicher, dass er ohne Hilfe nicht ans Ziel gekommen wäre: "Diesen Prozess hätte ich allein nicht stemmen können, das ist klar. Dafür werden Leute mit Erfahrung in solchen Themen benötigt. Ich war während meiner Laufbahn in vielen Unternehmen involviert, dennoch würde ich niemandem raten, den Prozess der Nachfolgeregelung ohne externe Hilfe in Angriff zu nehmen. Es gibt zu viele Aspekte, sowohl aus Sicht des Verkäufers als auch aus derjenigen des Käufers, die es zu beachten gilt. Natürlich ist dies mit Kosten verbunden, aber es ist immer noch besser, als am Ende vor einem womöglich noch teureren Scherbenhaufen zu stehen. So bin ich überzeugt, den richtigen Weg für eine langfristig erfolgreiche Zukunft von A&F eingeschlagen zu haben."
Ulrich Jost ist der Ansicht, dass es bei der Planung einer Nachfolgeregelung mehrere Aspekte zu berücksichtigen gibt: "Für mich gibt es drei wesentliche Punkte, die stimmen müssen: Zum einen muss man sich gut überlegen, was das Beste ist für das Unternehmen. Um diese Frage zu erörtern, kann man beispielsweise auch Kunden, Geschäftspartner und Mitarbeiter befragen. Natürlich geht es dabei auch um die Frage, was das Beste für einen selbst ist, Hauptsache ist aber, dass man beide Fragen ehrlich beantwortet. Der zweite Punkt ist, dass man einen Partner hat, und zwar einen externen Partner. Bei uns war es der Verwaltungsratspräsident, der Erfahrung mit solchen Prozessen und mit KMU hat. Der dritte Punkt ist der wichtigste: Wenn Sie heute aus dem Unternehmen weggehen, dann müssen Sie wissen, wohin. Leute, welche die Regelung ihrer Nachfolge vor sich herschieben, wissen meistens nicht, wohin die persönliche Reise gehen soll. Ich muss also wissen, was ich nach meiner Zeit als CEO von Kilchenmann tun will oder eben nicht tun will." Dieser Punkt sei matchentscheidend, sagt Jost. Hier brauche es definitiv Aufklärungsarbeit. Man müsse sich nämlich auch dessen bewusst sein, dass alle Beziehungen, die man über die Jahre im Unternehmen und im Business aufgebaut habe, auf der geschäftlichen Tätigkeit basieren. Diese würden nach der Pensionierung in der Regel abbrechen, denn es handle sich dabei selten um persönliche Freundschaften. "Damit muss man umgehen können. Und es ist nicht damit getan, sich neue Hobbies zu suchen, man muss schon einen Schritt weiterdenken. Der externe Partner kann dabei helfen, diese Schritte in Angriff zu nehmen", ist sich Ulrich Jost sicher.

Die Last wenn möglich verteilen

Auch bei Lake Solutions machte sich die Erfahrung der VR-Mitglieder bezahlt, so Borgia: "Wir wurden von unserem Verwaltungsrat Christian Wunderlin, der schon einige Projekte zum Thema Nachfolgeregelung und Mergers & Acquisitions durchgeführt hat, unterstützt und begleitet. Es ist wichtig, die richtigen Leute zu haben, die in diesem Prozess helfen können, denn am Ende soll ein Vertrag aufgesetzt werden, der für beide Seiten stimmt. Auch hatten wir bei Lake Solutions den Vorteil, zu zweit in der Unternehmensführung zu sein. Damit konnten wir die operativen Aufgaben im Unternehmen und zugleich die Last des Nachfolgeprozesses untereinander aufteilen."


Abschliessend gibt Thomas Götti einmal mehr zu bedenken, wie wichtig es ist, die Auseinandersetzung mit der Nachfolge-Thematik nicht auf die lange Bank zu schieben: "In unserem Fall war es so, dass Avectris einen M&A-Berater hatte, der die Initiative für den Übernahmeprozess ergriff. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Vorkehrungen getroffen. Uns kam aber zugute, dass wir die gesamte Finanzbuchaltung, das Personal- und Versicherungswesen schon zu Beginn meiner Zeit als Geschäftsführer an zuverlässige, externe Dienstleister ausgelagert hatten." Dadurch sei Comicro sehr geordnet in den Übernahmeprozess gegangen, der schliesslich bis April 2019 dauerte. Diese Unterstützung von ausserhalb des Unternehmens sei von unschätzbarem Wert gewesen, meint Götti. "Letztlich ging der Prozess viel schneller über die Bühne, als ich es geplant hatte, denn meine ursprüngliche Idee sah ja vor, dass ich mich mit 55 Jahren nach einer Lösung umsehe, diese kam dann aber in Form des Angebotes von Avectris. Dadurch, dass ich mich frühzeitig mit meiner Nachfolge auseinandergesetzt habe, hatte ich sowohl noch die dafür nötige Energie als auch die Motivation, Comicro nicht nur in ein neues Unternehmen zu überführen, sondern auch, um im neuen Unternehmen noch eine aktive Rolle zu spielen. So bin ich bei Avectris in der Geschäftsleitung für den neu aufgebauten Bereich Professional Services zuständig. Damit kann ich dem Gebilde, das ich zusammen mit meinen Partnern und meinem Team aufgebaut habe, in einem neuen Kontext einen Sinn für die Zukunft geben und sowohl unsere Mitarbeitenden als auch unsere Kunden weiterhin
begleiten", freut sich Thomas Götti.

Business Broker

Wenn Unternehmer ihre Firma in neue Hände geben möchten, eine familieninterne Lösung aber nicht in Sicht ist und auch kein Management Buy-out in Frage kommt, dann bleibt noch die Option, das Unternehmen zu verkaufen. Ab einem angepeilten Firmenwert in zweistelliger Millionenhöhe stellt sich dabei die Frage, ob es Sinn macht, die Dienste eines auf Mergers & Acquisitions spezialisierten Beraters oder einer Bank in Anspruch zu nehmen (siehe Interview auf S. 39). Liegt der Firmenwert allerdings tiefer, was besonders bei kleinen und Kleinstunternehmen der Fall ist, dann rechnen sich die Kosten und übrigen Aufwände dafür in der Regel nicht. In einem solchen Fall können sich die Dienstleistungen sogenannter Business Broker als Alternative erweisen. Diese suchen potenzielle Käufer für das jeweilige Unternehmen. Verkaufswilligen Firmeninhabern versprechen die Unternehmensvermittler eine unkomplizierte Übergabe der Geschäfte an einen Käufer.

Dazu wird ein Portrait der Firma auf dem Online-Portal des Brokers aufgeschaltet, was den Kaufinteressenten ermöglichen soll, sich rasch ein Bild des zum Verkauf stehenden Unternehmens zu machen. Die meisten Business Broker sind im Grunde genommen reine Online-Börsen für KMU, gewisse bieten aber auch Beratungsleistungen an. Während Banken und M&A-Berater traditionell vor allem Firmenverkäufe im höherpreisigen Segment abwickeln, bedienen Unternehmensvermittler den Markt für kleinere Unternehmen und ermöglichen es so deren Inhabern, ihre Firma auf relativ unkompliziertem Weg in die Hände eines neuen Besitzers zu geben. Ihr Geld verdienen die Business Broker in der Regel über die Gebühren für die Aufschaltung des Inserates oder indem sie eine Provision verlangen, die von der Verkaufssumme abhängig ist.


Mittlerweile haben auch die Banken dieses Marktsegment für sich entdeckt. So hat beispielsweise das Raiffeisen Unternehmerzentrum (RUZ) im Jahr 2014 die Firma Business Broker übernommen. Andere Banken hingegen bieten heute ähnliche Dienstleistungen an wie die Unternehmensvermittler. (luc)


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