Smartphones kannibalisieren Navis

Mittelfristig werden Smartphones Navigationsgeräte verdrängen. Allerdings nicht vollständig, wie Hersteller und Retailer voraussagen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2010/11

     

Während im ersten Halbjahr 2010 der Umsatz mit Smartphones um 73 Prozent gestiegen ist, hat derjenige, der durch den Verkauf von Navigationsgeräten erzielt wurde, um 14 Prozent abgenommen, wie der GfK Markt Monitor Schweiz zeigt. Retailer sehen vor allem mittelfristig eine Tendenz der Verdrängung von Navigationsgeräten durch Smartphones. «Es ist noch etwas verfrüht, um von einer Verdrängung zu sprechen. Der Trend dazu ist aber sicher da», erklärt Reto Stöckli, Einkaufsleiter Unterhaltungselektronik von Steg. Auch Christine Weder, Category Manager bei ARP Datacon, sieht bereits eine Veränderung: «Eine Verschiebung in Richtung Smartphone mit Navigationssoftware zeichnet sich teilweise heute schon ab. Durch den Preiszerfall ist umsatzmässig ein deutlicher Abwärtstrend spürbar. Die Stückzahlen stagnieren.»
Auch bei Digitec sieht man einen Rückgang des Umsatzes mit Navigationsgeräten aufgrund des Preiszerfalls. «Der Umsatz der Navis nimmt durch den generellen Preiszerfall mehr ab als durch die Verdrängung. Stückzahlenmässig sind wir dieses Jahr mit Navigationsgeräten auf einem guten Weg», erklärt Fabian Malik, Product Manager Navigationssysteme/Tablets bei Digitec. Stöckli von Steg sieht derweil eine «uneingebrochene Nachfrage an vollwertigen Navigationsgeräten». Und auch Philipp Müller, Product Manager Mobile Communications von Phonet Suisse, erkennt noch keine Verdrängung im Umsatz. «Beide Produktgruppen wachsen bei den Competec-Firmen sehr stark, wobei die Produktgruppe Mobiltelefone schon aufgrund des höheren Marktvolumens deutlich stärker wächst als die der Navigationsgeräte», so Müller.

Keine Sortimentsänderung

Auf die Sortimentsgestaltung bei den Retailern hat die aktuelle Entwicklung allerdings nur einen geringen Einfluss. Während Steg und Digitec mittlerweile auch Autozubehör für Smartphones anbieten und Steg dieses Sortiment weiter ausbaut, ändert sich bei Phonet Suisse nur die Shop-Präsentation: «Wir bringen Handys und Navis einander näher», so Müller.
Die Hersteller von Navigationsgeräten sehen der aktuellen Entwicklung entspannt entgegen. Romain Walt, Produkt-Manager bei Garmin Schweiz, spürt noch keinen Einfluss auf den Umsatz. Die Leute würden die Smartphones noch immer vor allem zum Telefonieren und Surfen benutzen und nur selten als richtiges Navi.
Auch Rudolf Mayrhofer-Grünbühel, Country Manager Austria & Switzerland von Tomtom, ist mit der momentanen Situation zufrieden: «Tomtom verkauft derzeit mehr portable Geräte denn je. Der Gesamtmarkt steigt – und das sowohl in Bezug auf Stückzahl sowie Umsatz. Innerhalb dieses steigenden Gesamtmarktes wächst der Marktanteil von Tomtom. In der Schweiz sind wir mit durchschnittlich über 50 Prozent Marktanteil Marktführer im Bereich Personal Navigation Device (PND).»

Gute Gründe für Navis

Für Walt von Garmin gibt es fünf Gründe, warum immer noch sehr viele Navigationsgeräte verkauft werden: bessere Signalqualität, einfache Bedienung, günstiger als eine Smartphone-Applikation, präziseres Kartenmaterial und neueste Funktionen wie Verkehrsinformationen oder Fahrspurassistent mit realistischer Darstellung der Strassenschilder. Diese Argumente liefert auch Mayrhofer-Grünbühel, und fügt an: «Weiter bedeutet ein Tomtom-Navi eine ‹Out of the Box User Experience› – das bedeutet, dass alles was man braucht, um rasch und einfach den besten Weg zu finden, im Lieferumfang enthalten ist.»
Die Navigationsgeräte-Hersteller glauben, dass sich der Gelegenheitsnutzer auch zukünftig mit dem Smartphone navigieren lässt. Und dass Fahrer, die viel unterwegs sind, nach wie vor ein PND bevorzugen, «da es am einfachsten zu bedienen ist und derzeit zahlreiche zusätzliche Funktionen und Services bietet, die zu einer angenehmeren Fahrt beitragen», so Mayrhofer-Grünbühel.

Navis verschwinden nicht

Dass das Navigationsgerät nicht ganz vom Markt verschwinden wird, darin sind sich sowohl Hersteller wie auch Retailer einig. «Das Navigationsgerät gibt es auch in Zukunft», prophezeit Müller von Phonet. Auch Stöckli von Steg erwartet keine totale Verdrängung: «Wenn es den Smartphone-Herstellern gelingt, die Vorteile der Navis in ihrer Hard- und Software zu implementieren, rechne ich diesen hohe Erfolgschancen aus. Ob sie es jedoch vermögen, die Navis vom Markt zu verdrängen, mag ich zum jetzigen Zeitpunkt noch zu bezweifeln.» Trotzdem wird es für die Navigationsgeräte-Hersteller nicht einfacher werden. «Durch die Weiterentwicklung der Navigationssoftware für Smartphones werden die Navi-Hersteller mehr und mehr unter Druck geraten», so Weder von ARP. Der gleichen Ansicht ist Malik von Digitec: «Die Mobiltelefone sind weiterhin auf dem Vormarsch und werden den Navi-Herstellern das Leben noch schwerer machen. Wie Tomtom/Navigon beweisen, wissen sie sich aber zu helfen und bringen zum Beispiel iPhone-Navi-Software und spezifische Autohalterungen auf den Markt.» Mayr­hofer-Grünbühel bestätigt dies: «Wir sehen einen Trend hin zu höherwertigen Modellen, die über eine integrierte SIM-Karte für die Fahr relevante Echtzeitinformationen empfangen. Heute geht es uns nicht mehr nur darum, ein Navi anzubieten, das den Fahrer von A zu einem ihm unbekannten Ort B lotst. Das Ziel zu erreichen, sollte für Fahrer so sicher, effizient und komfortabel wie möglich sein – auch wenn einem der Zielort bekannt ist.» (tsi)


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Was für Schuhe trug der gestiefelte Kater?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER