Rolf Pfeifer - der Robotik-Pionier

Rolf Pfeifer forscht an der Spitze der globalen Robotikwissenschaft nach künstlicher Intelligenz. Mit seinem Buch «Understanding Intelligence» hat Pfeifer eine neue Lehre mitgeprägt und als Professor an der Universität Zürich ein Institut von Weltformat aufgebaut. Das AI Lab wird bald 22 Jahre alt.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/07

     

Der Raum mit Reihen von Joggingschuhen und Büchern ist erfüllt von Grünteeduft. Im Labor für Künstliche Intelligenz der Uni Zürich sitzt der Professor Rolf Pfeifer neben dem japanischen Teekrug. «University of Tokyo», sagt Pfeifer und zeigt mit dem Finger auf die glasierten grauen Tontassen mit Kanjis auf den Tisch. Er scheint innerlich ein Lied anzustimmen - seine Ode an das Land der aufgehenden Sonne: Nippon, wie die Japaner sagen; der schönste Ort der Welt, wie Pfeifer schwelgt. Die Japaner, als Weltmeister der Robotik, ehrten den Zürcher Professor im Februar als «Fellow» der School of Engineering der Universität Tokio für seine Verdienste in Lehre und Forschung.

Ein Jahr am MIT

Pfeifer verbrachte ein Jahr in Tokio als Professor. Von dort aus hielt er im Schuljahr 2003/2004 die «Tokyo Lectures»: Erstmals übertrug man Uni-Vorlesungen per Video rund um den Globus. «Ich bin mehr in Asien als in den USA», sagt Pfeifer, obwohl er mehrere Jahre an besten amerikanischen Adressen agierte: Ein Jahr als Gastprofessor am weltberühmten MIT in Cambridge und zuvor drei Jahre als «Postdoc» an der Carnegie-Mellon-Universität in Pittsburgh, an der Yale-Universität und am Neuroscience Institute in San Diego.

Wunschdestination Tokio

Pfeifer kennt die Gründe, Japan zu lieben. «In Tokio bin ich wahnsinnig gerne: es läuft alles, ist flüssig, optimiert; wie die Bahnen und der Verkehr - in Tokio sowieso; dann die heissen Quellen und natürlich das beste Essen.» Pfeifer nimmt einen Schluck Grüntee: Ertränktes Fernweh.
Er ist seit seinem Buch «Understanding Intelligence» aus dem Jahr 1999 ein weltweit gefragter Mann, ob als Redner, als Gastprofessor oder als Robotik-Experte. «Ich bezeichne mich manchmal als Wanderprediger», sagt er und schmunzelt. In den ersten vier Monaten dieses Jahres war er bereits in München, Pisa, Prag, Oslo, Singapur, New York, Hamburg, Lissabon, Brüssel («bei den Eurokraten») und Iraklion (Kreta), sowie Tokio, Osaka, Singapur und Korea.


Mit dem ersten kompletten Lehrbuch des Embodiment (Verkörperung) hat Pfeifer die neue Lehre der künstlichen Intelligenz mitgeprägt, die sich radikal abkehrt von der Vorstellung, dass intelligente Systeme rein mit Rechenkraft funktionieren müssen und somit teuer sind.
Pfeifer erforscht auch «Cheap Design», respektive er lässt erforschen. «Allein kommt mir nichts in den Sinn», gibt er ohne Umschweife zu. Ist er mal allein, geht er rennen. «So sehe ich am meisten von Land und Leuten, komme auf andere Ideen.»

Theorie der Verkörperung

Die Embodiment-Theorie erweitert Intelligenz von Computern weg zum Körper. «Dafür braucht es Roboter als autonome Systeme, ohne Menschen die dazwischengeschaltet sind.» Ein Beispiel ist der künstliche Oktopus-Arm aus Pisa, der in der Luft hängt und sich im Wasser streckt, rein aufgrund des Zusammenspiels von Materialien und Elementen. Oder eines Geh-Roboters ohne Steuerung und Motor, allein mit dem momentanen Zusammenwirken von Balance, Schwung und Schwerkraft sowie Material und -verarbeitung. Da werden keine binären Informationen verarbeitet, die Eigenschaften sind natürliche Informationen, die es herauszufiltern und zu nutzen gilt: die Informatik des 21. Jahrhunderts.


Seine Arbeiten haben den Grundstein gelegt für das AI Lab. Er ist der Mann, dank dem die Leute aus aller Welt nach Zürich pilgern, um zu studieren, Ideen zu entwickeln und zu forschen. «Man darf sich nicht überschätzen», sagt Pfeifer. «Ich habe ja das Meiste nicht selbst erfunden, sondern nur zusammengetragen, was verfügbar war. Rodney Brooks vom MIT hat das nie systematisch gemacht», so Pfeifer. Brooks habe aber die Theorie der Verkörperung mit seinen visionären Arbeiten entscheidend mitgeprägt: dass sich Intelligenz nicht auf der Ebene eines Algorithmus abhandeln lässt.

AI Lab mit Forschern aus 15 Ländern

Anhand der Projekte und der Forscher aus 15 Ländern im Labor zeigt sich die Vielseitigkeit und Reputation des Labors, das kulturenübergreifend an Robo­tern als Forschungsobjekten operiert. «Ich bevorzuge Bottom-up. Lege den Grund. Der Rest kommt von selbst.» Pfeifer lebt die Emergenz (Verhalten aus der Interaktion mit der Umwelt) als Arbeitstheorie, die er im Labor an Lebewesen erforscht und mit Robotern nachbaut.

«Routine ist langweilig und macht einen fertig. Auch bei Vorlesungen, versuche ich immer, etwas Neues einzubringen.» Davon überzeugen können sich im Herbst die Studenten der Jiao-Tong-Universität in Shanghai - und wer will per Internet, diesmal mit 3-D-Kollaboration von Sun Microsystems. «Wir starteten ohne Geld, dann kam Switch, Sun, die Hasler Stiftung sowie Swissnex dazu und die Unis wie Stanford, Oxford, KAIST, Peking, TU München, Osaka und Tokyo. Eines ergab das andere - jetzt ist fast alles beisammen.»


Ein glücklicher Zufall, nennt das Pfeifer. Das hat ihn ein Leben lang begleitet. «Ich hatte ja eigentlich keine Ahnung. Mein Vorteil war, dass ich aus einer anderen Perspektive zu dieser Forschung kam.» Vom IBM-Systemingenieur zur Kybernetik und zur Neutronenphysik - glückliche Zufälle einen Schluck Grüntee. Pfeifers Genuss. (Marco Rohner)

Rolf Pfeifer

Rolf Pfeifer ist seit 1987 Professor für Informatik an der Universität Zürich und Direktor des AI Lab. Er ist Gastprofessor in Pisa (Scuola Superiore Sant’Anna) und in verschiedenen Gremien tätig. Er besitzt einen Master-Abschluss in Physik und Mathematik. Den Ph.D. in Computerwissenschaften der ETH nahm Carl August Zehnder ab. Er verbrachte drei Jahre in den USA als promovierter Mitarbeiter an der Carnegie-Mellon-Universität und der Yale-Universität.


Pfeifer arbeitete als Gastprofessor und Research Fellow an der Freien Universität Brüssel (Belgien), dem Beijing Open Laboratory for Cognitive Science (China), dem MIT Artificial Intelligence Lab in Cambridge (USA), dem Neuro­sciences Institute in San Diego (USA) und dem Sony Computer Science Lab in Paris (Frankreich). Er wurde zum «21st. Century COE Professor, Information Science and Technology» (2003/2004) an der Universität Tokio gewählt. Von dort hielt er die erste globale, voll interaktive Videokonferenz-Vorlesungsserie. In diesem Jahr wurde er zum «Fellow of the School of Engineer­ing at The University of Tokyo» gewählt. Er ist Mitautor der Bücher «Understanding Intelligence» (mit C. Scheier) und «How the body shapes the way we think» (mit J. Bongard).


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