'Wir müssen es schaffen, innovativ zu bleiben'
Quelle: Competec

"Wir müssen es schaffen, innovativ zu bleiben"

Im März wurde bekannt, dass die Führungsspitze der Competec-Gruppe umgebaut wird und Martin Lorenz Firmengründer Roland Brack ablöst. Im Interview spricht Lorenz nun über seinen neuen Job und seine Philosophie.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2018/06

     

Anm.d.R.: Das Interview mit Martin Lorenz, in dessen Rahmen wir auch über die Neubesetzung des Alltron-CEO-Postens gesprochen haben, wurde Mitte Mai geführt. In der Zwischenzeit konnte die Position mit Markus Messerer besetzt werden ("Swiss IT Reseller" berichtete online)

"Swiss IT Reseller": Seit Anfang April haben Sie die Position des CEO der Competec-Gruppe inne. Wie fühlen Sie sich in Ihrer neuen Rolle?
Martin Lorenz: Ich fühle mich sehr wohl, und ich habe mich schon bei der Entscheidung, die Position zu übernehmen, wohl gefühlt. Dies darum, weil ich das Unternehmen und die vielen sehr guten Leute, die für Competec tätig sind, seit nunmehr zehn Jahren kenne. Natürlich habe ich meine neue Rolle auch mit grossem Respekt angenommen, denn ich werde mit neuen Themen konfrontiert, die in meiner vorherigen Rolle als Operations-Leiter und CFO noch nicht in meiner Verantwortung lagen – der Einkauf, der Vertrieb oder das Marketing beispielsweise. Doch dank guten Mitarbeitenden an meiner Seite ist auch das zu be­wältigen.


Es hat diesen Frühling regelrecht gerumpelt in der Chefetage der Competec-Gruppe, es gab einige Wechsel an der Spitze. Warum kam es zu diesen Veränderungen auf gleich mehreren Positionen?
Ich kann nachvollziehen, dass es von aussen den Anschein gemacht hat, es hätte gerumpelt. Intern aber gestaltet sich die Situation etwas anders. Roland Brack, der bis zu meinem Amtsantritt als CEO der Competec-Gruppe amtete, war im operativen Geschäft schon länger kaum mehr tätig, sondern hat sich primär um die Optimierung der Logistik sowie um die strategische Ausrichtung gekümmert. Seine Rolle hat sich also nur auf dem Papier, nicht aber in der täglichen Arbeit verändert, die operative Verantwortung lag bereits länger schon bei Markus Mahler und bei mir. Das Markus Mahler als Brack.ch- und Alltron-CEO den Wunsch hegte, sich in den Verwaltungsrat zurückzuziehen, wussten wir zudem bereits seit einem Jahr. Und dass die Doppelrolle als CEO von Brack.ch und von Alltron aufgrund der Grösse, die die Bereiche inzwischen angenommen haben, nicht mehr zu bewältigen ist, war auch schon länger klar, genauso wie klar war, dass wir für die B2C-Leitung jemand Internes nachziehen wollen, während die B2B-Leitung extern besetzt werden soll.
Trotzdem: Wenn man an mehreren Schrauben gleichzeitig dreht, ist damit auch ein gewisses Risiko verbunden.
Die Competec-Gruppe ist hierarchisch sehr flach organisiert, das Unternehmen wird nicht von einigen wenigen Leuten an der Spitze getragen. In der Breite haben wir eine grosse Konstanz bei unseren Mitarbeitenden, konnten zuletzt auch vielen Mitarbeitenden mehr Verantwortung übertragen. Insofern sehe ich kein Risiko für das Geschäft, die Konstanz ist da. Und auch Markus Mahler wird als Verwaltungsrat dem Unternehmen und mir als CEO weiter zur Seite stehen. In der strategischen Weiterentwicklung werden sein Know-how und sein Input auch künftig enorm wichtig bleiben.


Die Veränderungen stehen ja im Zusammenhang mit einer grösseren Reorganisation, die Competec im letzten November verkündet hat. Können Sie diesen Schritt etwas ausführen?
Wir haben uns im letzten Jahr entschlossen, das Unternehmen aufgeteilt auf B2B und B2C in die Zukunft zu führen. Das bedeutet unter anderem, dass die Bereiche Einkauf, Verkauf und Marketing, die bis anhin als eigene Abteilungen unternehmensweit tätig waren, neu geordnet werden. Die Organisationsveränderung geht nun dahin, dass diese Aufgaben innerhalb von Geschäftseinheiten ausgeführt werden. So gibt es als Beispiel die Geschäftseinheit Baumarkt, und innerhalb dieser Einheit wird es einen dedizierten Category Manager, einen Produkt­manager sowie einen Content Manager und einen Einkäufer geben. So wollen wir nach aussen hin konsistenter zum Kunden auftreten und die Zahl der Schnittstellen reduzieren. Diese teil­autonomen Geschäftseinheiten sollen aber nicht in einem Kanal denken, die Aufteilung auf die drei Kanäle B2B, B2C und Wiederverkauf wird beibehalten.
Ist das nicht deutlich aufwändiger als bislang, allein schon was das Personal angeht?
Unser Personalbestand wächst ohnehin. Dass wir personell wachsen dürfen, ist ein Luxus, den wir uns erarbeitet haben. Die Herausforderung ist, unsere Organisation diesem Wachstum anzupassen, und diese jüngste Anpassung ist basierend auf dem Know-how und den Inputs der Mitarbeitenden entstanden, um effizienter Themen gegenüber dem Kunden gestalten zu können. Die Kultur unserer Unternehmen zeigt auch, dass die Mitarbeitenden mitgestalten sollen – und können.

Wo stehen Sie in der Bildung der Geschäftseinheiten?
Wie sind aktuell (Anm. d. R.: das Interview wurde Mitte Mai geführt) mitten in diesem Prozess, und ich rechne, dass in den nächsten zwei, drei Wochen die neuen Geschäftseinheiten organisatorisch soweit sind, dass sie in den neuen Konstellationen arbeiten können.


Nachdem Walter Briccos, der als Leiter B2B geholt wurde, das Unternehmen nach kurzer Zeit wieder verlassen hat, ist diese Stelle nach wie vor vakant. Wer führt Alltron aktuell, und wo stehen Sie im Suchprozess?
Auf dem Papier bin ich ad interim CEO von Alltron. Geführt wird der B2B-Bereich aber in corpore von mir zusammen mit einer ganzen Reihe von Personen, die das Geschäft sehr gut kennen – Mauro Soldati, Stephan Frey, Marc Leuenberger oder Andy Huber, um nur einige Namen zu nennen. Doch natürlich ist es uns ein Anliegen, die Alltron-CEO-Position beziehungsweise des B2B-Leiters so schnell wie möglich zu besetzen, Gespräche dazu laufen.
Die Stelle soll mit jemand Externem besetzt werden?
Ja.

Ich komme nochmals auf Ihre Rolle zurück. Die Fussstapfen, in die Sie treten, sind nicht klein – immerhin folgen Sie auf den Firmengründer und heutigen VR-Präsidenten. Wie stark spüren Sie den Atem von Roland Brack im Nacken?
(Lacht…) Ich spüre keinen Atem im Nacken. Aber ich stehe mit Roland Brack im täglichen Austausch, was ich als sehr positiv und wertvoll empfinde. Das Schöne an Competec ist, dass das Unternehmen inhabergeführt und nicht einem Rentabilitätsdenken auf Quartalsbasis ausgesetzt ist. Im Mittelpunkt stehen die Weiterentwicklung des Gesamtunternehmens und die Freiheit, Entwicklungen voranzutreiben.


Mit welcher Philosophie wollen Sie als CEO das Unternehmen in die Zukunft führen?
Mit derselben Philosophie, die das Unternehmen bereits die letzten Jahre gelebt hat. Wir streben flache Hierarchien und eine agile Führungsmethodik an und sind der Überzeugung, dass man den Mitarbeitenden Vertrauen und Entwicklungsmöglichkeiten mit auf den Weg geben muss. Denn sie sind in ihren Themen die kompetentesten Personen. Unsere Aufgabe als Führung ist es, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich die Mitarbeitenden am besten entfalten können. Meine Philosophie ist also, ihnen möglichst viel Freiraum zu gewähren, denn ich bin überzeugt, durch Kreativität und lösungsorientiertes Denken entsteht die beste Leistung.
Wenn Sie sich die verschiedenen Unternehmensbereiche der Competec-Gruppe anschauen: Auf welchen Bereich sehen Sie die grössten Veränderungen zukommen?
Wenn ich unsere drei Bereiche anschaue, verlangt der Markt bei allen eine hohe Agilität. Weder das klassische Distributionsgeschäft noch das E-Commerce-Business erlauben Stillstand. Unsere in meinen Augen grosse Herausforderung habe ich schon angesprochen: Wir müssen es angesichts des Wachstums schaffen, innovativ zu bleiben, den Kunden weiterhin im Mittelpunkt unseres Tuns zu halten und unsere Prozesse so weiterzuentwickeln, dass wir die Effizienz halten oder gar steigern können.


Siroop hat jüngst angekündigt, den Betrieb per Ende Jahr einzustellen. Auch Brack.ch nutzt Siroop als Vertriebskanal. Wie überrascht waren Sie ob dem Entscheid, Siroop zu be­graben?
Wir waren überrascht, vor allem wegen des relativ schnellen Rückzugs. Wir haben das Projekt als mutig und als attraktiv für die Schweiz empfunden und waren überzeugt, dass dank der beiden starken Player Coop und Swisscom genügend Kraft vorhanden ist, um die Plattform zu stemmen und zum Erfolg zu führen. Ich kenne die Hintergründe nicht, warum Swisscom ausgestiegen und Coop alleine nicht fortfahren will. Siroop zeigt jedoch, wie schwierig es in einem schon recht gut entwickelten Markt ist, Fuss zu fassen, und welche enorme Anstrengungen und Investitionen es braucht, um etwas zu bewegen. Dass ein langer Atem nötig sein würde, war uns von Anfang an klar. Ob dies von Swisscom und Coop unterschätzt wurde, kann ich nicht beantworten.
Im Zusammenhang mit Siroop wurde immer wieder auch analysiert, dass Amazon wohl zu übermächtig war. Wie beurteilen Sie die Bedrohung, die im Falle eines Schweizer Markteintritts von Amazon auf Sie zukäme?
Faktisch ist Amazon ja schon da. Schaut man sich die Liste der grössten Schweizer Online-Shops an, lag Amazon zuletzt mit knapp 500 Millionen Umsatz auf Platz drei. Den offiziellen Markteintritt von Amazon sehen wir allerdings als Chance. Wir hätten auch Siroop als Bedrohung wahrnehmen können, doch Angst lähmt nur, also wollten wir mitgestalten und an der Entwicklung des Schweizer E-Commerce teilhaben. Genau gleich halten wir es mit Amazon. Es ist möglich, dass wir Amazon als Marktplatz für uns nutzen. Diese Diskussion müssen wir intern noch führen. Ausschliessen kann ich, dass wir selbst zum Marktplatz werden.

Brack.ch hat das Angebot in Vergangenheit laufend ausgebaut, zuletzt kam sogar der Food-Bereich hinzu. Wohin soll der Weg von Brack.ch noch gehen?
Wir werden das Sortiment von Brack.ch weiter ausbauen, soviel ist sicher. Gleichzeitig werden wir noch stärker darauf fokussieren, ein für Kunden kuratiertes Angebot bereitzustellen. Das Angebot soll nicht nur in die Breite und Tiefe gehen, sondern die Bedürfnisse des Kunden besser abdecken. Dazu gehört auch der Auftritt des Shops. Wir sind aktuell daran, dieses Fenster zu unseren Kundinnen und Kunden dahingehend zu verändern, dass es ihren Bedürfnissen noch besser entspricht.


Ein neuer Shop also? Bis wann soll dieser live gehen und wie wird er aufgebaut sein?
Wir arbeiten aktuell an diesem Projekt, und geplant ist, noch in diesem Jahr mit dem Facelift an den Markt zu gehen. Der Shop wird stärker auf die einzelnen Sortimentsbereiche setzen und den Kunden spezifische Fachhandelswelten zu den einzelnen Bereichen beziehungsweise Themen bieten.
Seit geraumer Zeit ist die Erweiterung des Competec-Logistikzentrums in Willisau durch eine Einsprache blockiert. Wie stark sind Sie für den Sortimentsausbau auf diese Erweiterung angewiesen?
Natürlich hätten wir mit dem Erweiterungsbau gerne schon lange begonnen. Was wir angesichts der Situation nun aber vorantreiben, ist der Bau unseres dritten Autostore-Kleinteilelagers. Kleinteile sind für alle Geschäftsbereiche ein grosses Thema, und für ein drittes Autostore-System haben wir in den bestehenden Räumlichkeiten Platz. Der Erweiterungsbau ist ja vor allem für mittelgrosse und grosse Teile gedacht. Hier müssen wir schauen, wie die verwaltungsrechtliche Abteilung des Kantonsgerichts Luzern entscheidet. Aber das Wachstum der Gruppe wird dadurch nicht gebremst, wir müssen im Fall der Fälle einfach neu prüfen, was eine sinnvolle Alternative wäre.


Zum Abschluss noch zum Thema Distribution: Wie soll sich Alltron entwickeln und wo wird Alltron für die Zukunft Schwerpunkte setzen?
Zentral für Alltron ist, dass wir den Fokus verstärkt auf die Service- und Cloud-Themen legen. Zusammen mit dem neuen B2B-Leiter wollen wir vermehrt Akzente setzen im Lösungsbereich. Hier muss man ganz offen sagen, dass wir in dem Umfeld in der Vergangenheit vielleicht nicht unser volles Potenzial genutzt haben. Umso mehr werden wir nun die Service- und Lösungs-Geschäftsfelder suchen, die zu uns passen, und die Entwicklung vorantreiben. Daneben arbeiten wir nicht nur bei Brack.ch an einem Shop-Facelifting, sondern sind auch mit einem neuen B2B-Shop beschäftigt. Heute sind sich die beiden Shops relativ ähnlich, die Bedürfnisse unserer Endkunden und unserer Händler aber unterscheiden sich immer stärker. Darum wird der Alltron-Shop nun unabhängig vom B2C-Shop neu entwickelt.
Worauf dürfen sich die Alltron-Händler denn freuen?
Auf einen Shop, der viel stärker auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Wir wollen dem Händler ein Werkzeug zur Verfügung stellen, der ihn in seinen internen Prozessen unterstützt und den Bestellprozess mit allen notwendigen Informationen erleichtert. Wir werden mit dem neuen Shop die aktuellen Anforderungen unserer Händler deutlich besser erfüllen, als dies heute der Fall ist. Wir haben in der Konzeptionsphase auch viele Gespräche mit unseren Kunden über die Anforderungen geführt.


Wann soll der neue Shop live gehen?
Ich gehe davon aus, dass eine Beta-Version noch in diesem Jahr live geht. Geplant ist, dass wir bei der Firma Jamei, die als Distributor für Home- und Living-Produkte tätig ist und ebenfalls zur Gruppe gehört, mit dem Shop starten. Dies einfach deshalb, weil die Zahl der Händler und Produkte bei Jamei im Vergleich zu Alltron überschaubarer ist. (mw)


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