«Das Label Swiss Made ist ein Qualitätssiegel»
Quelle: SITM

«Das Label Swiss Made ist ein Qualitätssiegel»

Für PCs mit dem Prädikat Swiss Made gibt es nach wie vor einen Markt. Gerade im Mid-range- und High-end-Umfeld brauchen sich PCs aus Schweizer Produktion vor der internationalen Konkurrenz nicht zu verstecken, auch was den Preis angeht. Am runden Tisch von «Swiss IT Reseller» diskutieren Lorenz Weber von Steg Electronics, Remo Pascale von Digitec und Alessandro Micera von Littlebit IT Services über das Schweizer Assemblierer-Geschäft, über ihre Margen und über die Rolle des Channels beim Verkauf von PCs aus hiesiger Produktion.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2016/04

     

Swiss IT Reseller»: Können Sie zum Start kurz Ihr Assemblierer-Geschäft vorstellen?
Lorenz Weber:
Wir bauen Desktop-PCs unter den zwei Marken Steg PC sowie Beck PC. Mit beiden Marken fokussieren wir aktuell vorwiegend auf Privatkunden. Steg blickt dabei auf 20 Jahre Erfahrung zurück – der Steg PC ist das Vorzeigeprodukt der Firma Steg Electronics. Steg wird weitgehend noch als DER Computerladen wahrgenommen, in dem die Mitarbeiter über weitreichende Kompetenz in diesem Bereich verfügen. Es ist erstaunlich, wie viele Kunden mit einem Rechner unter dem Arm in einen Steg-Laden kommen, weil wir nicht nur unsere eigenen, sondern auch bei Mitbewerbern gekaufte Rechner reparieren und Probleme lösen. Wir sind nicht nur Computer-Verkäufer, sondern vor allem auch Servicestelle und Reparaturwerkstatt.

Im B2B-Umfeld ist Steg überhaupt nicht tätig?
Lorenz Weber:
Historisch gesehen war Steg einst sehr stark im Geschäftskundenbereich. In den letzten rund fünf Jahren wurde dieses Geschäft etwas vernachlässigt. Hier haben wir einiges an Nachholpotential, und darum wollen wir uns kümmern, sobald die Kapazitäten es zulassen. Aktuell aber konzentrieren wir uns auf Privatkunden, denn das B2B-Geschäft ist heute auch nicht mehr so einfach, wie es einst war. Heute reicht es nicht mehr, eine Palette PCs zu liefern, sondern das Geschäft umfasst heute vor allem auch Services. Wann und in welcher Form wir in dem Bereich wieder aktiver werden, steht aktuell aber noch in den Sternen.



Und welche Rolle spielt die Marke Beck PC?
Lorenz Weber:
Ich werde oft gefragt, warum wir zwei verschiedene Linien haben. Unsere Strategie lautet, dass wir mit verschiedenen Marken verschiedene Kundenbedürfnisse abdecken wollen. Steg PCs gibt es in vorgegebenen Konfigurationen, die im Vorfeld produziert werden und dann auch an Lager sind. Beck PCs werden zu 100 Prozent individuell auf Auftrag produziert, was ein bis zwei Wochen dauert, bevor wir den PC ausliefern. Die Positionierung von Beck PC ist entsprechend im High-end-Bereich; vor allem für Gamer mit hohen Ansprüchen.


Wie sieht das Geschäft bei Digitec aus?
Remo Pascale:
Bei Digitec ist das Assemblierer-Geschäft auch bereits 15 Jahre alt, und in der Zeit historisch gewachsen. Insgesamt zählen wir heute fünf Modell-Linien, die wir selbst herstellen. Die Zielgruppe ist entsprechend breit, angefangen beim Allrounder, dem typischen Massenmarkt, über den Geschäftskunden, den Multimedia-Anwender, der auch aufs Design achtet, bis hin zum Gamer, wobei wir hier zwischen dem Mainstream-Gamer und dem Enthusiasten, der Wert auf höchste Qualität, schnellste Komponenten sowie ausgefallenes Design legt, unterscheiden. Bei allen Geräten, die wir unter dem eigenen Namen verkaufen, legen wir Wert darauf, dass die Komponenten optimal aufeinander abgestimmt sind und dass wir einen hohen Service-Level bereitstellen können. Alle unsere Flaggschiffe werden zum Beispiel standardmässig mit On-site-Garantie ausgeliefert.

Digitec baut nur Desktops, richtig?
Remo Pascale:
Aktuell bauen wir nur Desktops, das ist richtig. Das könnte sich unter Umständen in Zukunft aber ändern. Der Markt verändert sich, entwickelt sich einerseits immer mehr in Richtung Mobilität, andererseits verlagert sich der Arbeitsplatz im Geschäftsumfeld vermehrt in die Cloud. Wir evaluieren derzeit, inwieweit wir dieser Entwicklung mit unseren Geräten folgen möchten.

Welche Rolle spielen Geschäftskunden für Digitec?
Remo Pascale:
Im Geschäftskundenumfeld ist es für uns mit unserer Eigenmarke schwieriger, uns gegenüber den weltbekannten A-Brands durchzusetzen. Aber wir haben Produkte im Angebot, von denen wir überzeugt sind, dass sie sich für den Businessbereich sehr gut eignen, und es gibt durchaus Geschäftskunden, die massgeschneiderte PCs wollen. Was oft vergessen wird: Digitec hat einen Geschäftskundenbereich, über den wir auch gewisse weiterführende Dienstleistungen für B2B-Kunden anbieten.


Und wie ist die Situation bei Littlebit IT Services?
Alessandro Micera:
Auch wir haben vor rund 15 Jahren mit dem Bau von Notebooks begonnen, und seit damals ist unser Assemblierer-Geschäft stetig gewachsen. Heute sind wir soweit, dass wir ganze Lösungen bestehend aus Hard- und Software anbieten – abgestimmt auf das Einsatzgebiet, in dem der Client zum Einsatz kommt. Dabei versuchen wir mehr und mehr, eine Added-Value-Komponente zu integrieren, die in Richtung Managed Service geht.

Können Sie das etwas ausführen?
Alessandro Micera:
Die Lösungen, die wir anbieten, sind auf das Büroumfeld ausgerichtet. Wir überlegen uns dabei, wohin die Entwicklung geht, wie der PC-Arbeitsplatz im Büro in Zukunft aussehen wird und welche Rolle der Fachhändler dabei einnehmen soll. Die Bedeutung von Managed Services aus der Cloud nimmt zu, und der Client im Büro wird künftig nebst dem Switch, dem Router, dem Drucker oder dem Bildschirm nur ein weiterer Puzzlestein sein, um diese Services zum Nutzer zu bringen. Damit wird sich auch die Rolle des Fachhändlers verändern. Vom Fachhändler wird künftig verlangt, dass er solche Umgebungen proaktiv managen kann. Ich spreche hier von Remote-Management-Tools, von Endpoint- und Patch-Management. Ich behaupte sogar, dass sich der klassische IT-Fachhändler, der eher reaktiv arbeitet, zum IT-Dienstleister entwickeln muss, der proaktiv agiert. Denn der Kunde erwartet heute und in Zukunft, dass seine Infrastruktur läuft und er sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren kann. Wenn ein Kunde seinen Händler wegen eines Systemausfalls anrufen muss, dann hat man als Händler eigentlich schon verloren.


Wo werden die Geräte eigentlich zusammengebaut? In der Schweiz?
Lorenz Weber:
Wir bauen unsere Steg-Geräte seit jeher und bis heute in Luzern, also mitten in der Schweiz. Unsere Beck PCs haben wir bis vor zwei Jahren ebenfalls in der Schweiz gebaut, heute assemblieren wir die Geräte an unserem Standort in Deutschland.
Alessandro Micera: Auch wir bauen unsere Geräte im Kanton Luzern, genaugenommen in Root. Dabei muss man verstehen, dass Littlebit Technology ja ein Komponenten-Distributor ist, und Littlebit IT Services als Teil des Unternehmens Dienstleistungen anbietet, beispielsweise der Bau von PCs unter der Marke Axxiv, die dann über den Fachhandel vertrieben werden. Dank der Tatsache, dass wir den Komponenten-Disti quasi im Haus haben, und dank dem vorhandenen Know-how im Bereich Automatisierung und den passenden Tools können wir unseren Kunden einen Build-to-Order-Konfigurator anbieten und dabei jedes Gerät innerhalb von 48 Stunden bauen und liefern.

Digitec baut die Geräte ebenfalls selbst?
Remo Pascale:
Geht man zurück in der Geschichte von Digitec, wurden die Geräte ebenfalls durch uns selbst gebaut – in der Anfangszeit noch in einer herkömmlichen Wohnung. Heute lassen wir unsere Rechner durch unseren Partner Littlebit IT Services und damit auch in der Schweiz assemblieren. Die Produktion in der Schweiz ist wichtig, denn nur so kann man schnell auf die individuellen Ansprüche des Schweizer Kunden reagieren.

Wenn ich also einen Digitec-PC bestelle, kaufe ich in Tat und Wahrheit ein Axxiv-Gerät?
Remo Pascale:
Nein, wir bestimmen bei unseren Digitec-Rechnern selbständig, welche Komponenten verwendet werden und welches Gehäusedesign angewendet wird. Littlebit IT Services baut die Geräte also für uns gemäss unseren Vorgaben.


Da Sie alle Ihre Rechner in der Schweiz bauen, werben Sie dann auch mit dem Label Swiss Made? Und schätzt der Kunde dieses Swiss-Made-Label?
Remo Pascale:
Das Label Swiss Made ist in meinen Augen wie ein Qualitätssiegel. Und ja, ich bin überzeugt, dass der Kunde es schätzt zu weiss, dass sein Produkt in der Schweiz entworfen, gebaut und getestet wurde und dass auch der Service aus der Schweiz erbracht wird. Das ist ein klarer USP.

Aber ein PC ist eines der globalsten Produkte, die es gibt. Die Ansprüche eines Schweizer Kunden kann doch ein US- oder ein asiatischer Hersteller genauso befriedigen.
Lorenz Weber: Das mag stimmen. Nichtsdestotrotz ist es ein zusätzliches Verkaufsargument, wenn man sagen kann, der PC stammt von einem Unternehmen aus der Schweiz. Letztlich geht es nicht mal so sehr um das Stück Hardware, das der Kunde kauft, sondern um den ganzen Service rundherum. Ja, der Kunde schätzt es, einen PC zu kaufen, der in der Schweiz gebaut wurde. Noch viel mehr schätzt er es aber, wenn er bei einem Problem zurück zum Verkäufer gehen kann. Der Verkäufer, dessen Firma den PC ja selbst gebaut hat, kann ihm helfen, hat einen Laden in der Schweiz und damit ein Gesicht. Das ist schon etwas anderes, als wenn man einen defekten Computer nach Taiwan einschicken muss.

Alessandro Micera: Es stimmt schon, bei der Technologie kann man sich kaum unterscheiden. Unterscheiden kann man sich aber durch Flexibilität, dadurch, auf kundenspezifische Anforderungen eingehen zu können, und durch den After-Sales-Service. Die Reaktionszeit und damit einhergehend die Produktivitätsausfälle werden immer entscheidender, und hier kann ein Schweizer Hersteller sicher einen Mehrwert bieten.


Stellt sich die Frage, ob der Kunde bereit ist, für diesen Mehrwert auch mehr zu bezahlen.
Remo Pascale:
Man muss hier etwas unterscheiden zwischen dem Haifischbecken, in dem die Vergleichbarkeit hoch ist und die Kunden rein aufgrund des Preises entscheiden, und dem höherpreisigen Segment, wo neueste Komponenten zum Einsatz kommen. In diesem zweiten Segment ist der Preis nicht das ausschlaggebende Kriterium. Hier schätzt der Kunde dafür die Flexibilität, die Möglichkeit sagen zu können, dass er anstatt dieser jene Grafikkarte will, und statt dem 256- den 512-GB-SSD-Speicher.

Alessandro Micera: Das sehe ich ähnlich: Beim Standard-PC ist es für einen Schweizer Hersteller schwer, sich über den Preis zu positionieren. Wir müssen uns über Serviceleistungen differenzieren können. Das beste Beispiel ist der On-site-Service. Unser Ersatzteillager ist in Root, sprich die Verfügbarkeit ist gewährleistet. Geht einer unserer Service-Techniker zum Kunden vor Ort, hat er die ganze Bestückungsliste dabei, und sie können sicher sein, dieser Techniker geht nicht nach Hause, bevor der PC wieder läuft. Dafür ist der Kunde durchaus bereit zu bezahlen.

Trotzdem die Frage, ob Schweizer Hersteller bei Standardprodukten preislich mit den internationalen Herstellern mithalten können?
Alessandro Micera:
Im Low-Cost-Bereich ist es schwierig. Bei etwas teureren Geräten können wir sicher mithalten, aber wir können uns nicht über den Preis definieren.


Lorenz Weber: Wir bauen ja auch nicht eigene Geräte, damit wir ein vergleichbares Gerät, das von HP oder Lenovo 499 Franken kostet, für 479 Franken verkaufen können. Das ist nicht der Grund, warum wir assemblieren.

«Swiss IT Magazine» hat im letzten Dezember Geräte von Digitec, Littlebit und Steg mit einem HP-PC verglichen und dabei herausgefunden, dass die Schweizer Produkte sowohl preislich wie auch bei der Qualität und der Performance mehr als mithalten können. Also stelle ich mir die Frage, warum nicht mehr Schweizer Unternehmen auf Schweizer PCs setzen.
Remo Pascale:
Das kommt wohl daher, dass bei vielen Unternehmen der Anschaffungspreis das ausschlaggebende Kriterium ist. Wir aber holen den längerfristig orientierten Kunden ab, der auf Qualität, Leistung und Service Wert legt.
Alessandro Micera: Hinzu kommt, dass wir – sobald eine Firma international tätig ist – ohnehin kaum eine Chance haben, allein schon deshalb, weil es für uns dann bezüglich Service schwierig wird. Ein weiterer Faktor ist zudem die Brand-Awareness. Ein Entscheidungsträger aus der IT hat eine gewisse Verantwortung gegenüber der Geschäftsleitung, und oft ist es – sollte ein Problem auftauchen – einfacher, wenn man sich im Falle eines Falles hinter einem grossen Namen verstecken kann.

Lorenz Weber: Man muss letztlich auch sehen, dass wir mit unseren assemblierten Rechnern in einem Nischenbereich tätig sind. Neun von zehn Käufern interessiert es nicht, woher ihr Rechner stammt. Die wollen eine 499-Franken-
Kiste, auf der Office läuft, und dann sind sie zufrieden. Das ist mit anderen Konsumgütern nicht anders. Für uns sind die Kunden spannend, die Wert darauf legen, woher das Gerät und die Firma stammen und die wissen wollen, was passiert, wenn es ein Problem gibt.


Ich kann mir vorstellen, dass Sie Komponenten in kleinerer Stückzahl einkaufen als HP oder Lenovo. Entsprechend dürften Sie höhere Einkaufspreise haben. Ist das so und wenn ja, wie gross ist der Unterschied?
Lorenz Weber:
Die Unterschiede sind – wenn es sie überhaupt gibt – marginal. Wir bewegen uns in einem so stark globalisierten und transparenten Markt, da gibt es für die Komponentenhersteller wenig Spielraum.
Remo Pascale: Ich denke auch nicht, dass die Einkaufspreise match entscheidend sind. Preisunterschiede resultieren vielmehr durch die Qualität der Komponenten, die man verbaut. Viele Kunden unterschätzen die Auswahl von hochwertigen Komponenten, die sorgfältig evaluiert wurden und die aufeinander abgestimmt sind.

Alessandro Micera: Ich kann mich hier nur anschliessen. Wir als Littlebit Technology kennen das Komponentengeschäft sehr gut, und es ist tatsächlich so, dass es für den Gesamtpreis eines Systems nicht entscheidend ist, ob man ein Mainboard ein, zwei Prozent günstiger einkaufen kann.

Wie setzt sich denn ein Systempreis zusammen – sprich wie viele Prozent des Endkundenpreises gehen für die Komponenten drauf, wie viele fürs Assemblieren und Testen und wie hoch ist die Marge?
Alessandro Micera:
Das ist nicht so einfach zu beziffern und vor allem auch vom Endpreis der Maschine abhängig.


Gehen wir von einer durchschnittlichen 1000-Franken-Büromaschine aus.
Alessandro Micera:
Die Marge ist bei uns klein, wir sind ja Distributor und verkaufen die Geräte über den Handel. Ich würde sagen, unsere Marge ist einstellig, die des Händlers zweistellig. Die Service-Komponente – sprich das Assemblieren, der On-site-Service und die Ersatzteillagerhaltung – dürfte rund 10 Prozent des Preises ausmachen. Der Rest entfällt dann auf die Komponenten.

Wie sieht es bei Digitec und Steg aus? Haben Sie auch zweistellige Margen?
Remo Pascale:
Ich kann keine Margen nennen. Generell orientieren wir uns aber an den Bedürfnissen der Kunden – und nicht an der Marge.

Lorenz Weber: Ich kann die Aussage von Herrn Micera unterschreiben. Bei einem 1000-Franken-PC rechne ich ziemlich genau 100 Franken fürs Assemblieren ein, und die reine Marge – nicht die Vollkostenrechnung, aber die Marge auf dem Verkaufspreis – ist bei uns immer zweistellig.

Inwieweit ist der Standort Schweiz ein Vor- oder Nachteil für Sie, und wieweit sind Sie vom starken Franken betroffen?
Lorenz Weber:
Der Frankenschock vor gut einem Jahr war für die ganze Branche ein Problem. Natürlich wurden die Komponenten günstiger, aber unser Geschäft ist so kompetitiv, dass die Preise unmittelbar nachzogen und wir so bei gleichen Stückzahlen 20 Prozent weniger Umsatz machten. Inzwischen hat sich die Situation aber wieder etwas erholt.

Alessandro Micera: Problematisch war oder ist dabei, dass wir Komponenten ja oft in Dollar einkaufen, und der Dollar sich verteuert hat.


Remo Pascale: Genau. Ende 2014 hat sich der Dollar gegenüber dem Euro verteuert, und eigentlich hätten im Euro-Raum die Preise damals steigen müssen. Doch die Preise wurden nicht angehoben, weil der Kunde das nicht verstanden hätte. Nach dem Frankenschock hatten die Schweizer Kunden dann aber die Erwartung, Produkte für 10, 15 oder gar 20 Prozent günstiger kaufen zu können. Eine schwierige Situation.

Alessandro Micera: Aber als Assemblierer hatten wir nach dem Frankenschock auch Vorteile. So konnten wir schon wenige Tage nach der Abwertung des Frankens Systeme bauen mit Komponenten, die wir günstiger gekauft haben. Die grossen Hersteller hatten hier sicher noch Lagerbestände, die sie abschreiben mussten. Viel schlimmer als der Umsatzeinbruch, den der tiefere Franken mit sich brachte, war aber die Verunsicherung des Marktes. Unternehmen haben Investitionen zurückgestellt, und die ersten sechs Monate 2015 waren alles andere als einfach.

Lorenz Weber: Und diese Kaufzurückhaltung war nicht nur im B2B-Bereich spürbar. Auch private Käufer warteten plötzlich ab, es wusste ja niemand, wie tief der Euro noch sinkt. Also kaufte man lieber mal gar nichts. Und dann folgte der Einkaufstourismus, den auch wir spüren.


Sie haben es angesprochen Herr Micera: Schweizer Assemblierer produzieren keine grossen Lager, sondern verbauen in der Regel aktuellste Komponenten. Ist das ein Wettbewerbsvorteil, den Kunden schätzen?
Alessandro Micera:
Absolut, gerade im B2B-Bereich, wo man bei Investitionsgütern darauf erpicht ist, neueste Technologien einzusetzen, um den Lebenszyklus voll ausnutzen zu können.

Remo Pascale: Für uns ist es ein absolutes Must-Kriterium, auf neueste Technologie zu setzen. Unsere Kundschaft reagiert sehr schnell auf neueste Trends, entsprechend fühlen wir uns verpflichtet, immer auch das Neuste anzubieten – insbesondere bei unseren Eigenmarken. Was man auch sagen kann: Je höher der Leistungsanspruch, desto höher der Anspruch, neueste Technologie zu erhalten.

Lorenz Weber: Das kann ich so bestätigen. Anfügen möchte ich noch, dass die Zusammenarbeit mit den Komponentenherstellern diesbezüglich sehr gut funktioniert. Wir werden frühzeitig informiert und bekommen neue Produkte zeitnah und zu attraktiven Konditionen geliefert. Wir sind hier also sehr zufrieden.

Alessandro Micera: Gerade im Mid-range- und High-end-Bereich sind wir als Schweizer PC-Bauer für die Hersteller natürlich auch attraktiv, da in der Schweiz die Kaufkraft und das Interesse für solche Geräte da ist. Das ist in anderen Ländern Europas sicher anders.


Littlebit IT Services ist der einzige Assemblierer am Tisch, der indirekt verkauft. Gibt es bei Digitec oder bei Steg Bestrebungen in dieser Richtung?
Lorenz Weber:
Grundsätzlich sind wir ein Händler, der Endkunden beliefert. Sicher kommt es vor, dass ab und an ein anderer Händler bei uns Geräte einkauft, um diese dann an Endkunden weiterzuverkaufen. Hier kann es auch sein, dass wir gewisse Händler-Rabatte gewähren. Doch das ist überhaupt nicht in unserem Fokus.

Aber eigentlich könnte man ja argumentieren, dass jeder zusätzliche Absatzkanal willkommen sein müsste.
Lorenz Weber:
Ich denke, es ist wichtig, sich auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren. Und unser Kerngeschäft ist der Direktverkauf.

Und bei Digitec?
Remo Pascale:
Wir sind der Überzeugung, dass wir Marketing-seitig genug Power haben, ohne einen zusätzlichen Verkaufskanal zu brauchen. Ich denke auch nicht, dass es sinnvoll wäre, bei einer Eigenmarke noch einen Zwischenhändler einzuschalten. Denn unter Umständen kann das dann dazu führen, dass ein Konkurrenz- und Preiskampf entsteht, was sicher keinen Sinn macht.

Das heisst, Digitec verkauft überhaupt nicht an Händler?
Remo Pascale:
Unterbinden, dass Händler bei uns einkaufen, können wir natürlich nicht. Aber unser Fokus liegt ganz klar auf dem Endverbraucher – sei das dem Privat- wie auch dem Firmenkunden.


Lorenz Weber: Hinzu kommt, dass viele kleine Händler dadurch Mehrwert für ihre Kunden generieren, indem sie ihre PCs auch selber bauen. Deshalb haben sie wenig Interesse daran, durch uns assemblierte PCs zu vertreiben.

Alessandro Micera: Allerding glaube ich nicht, dass es sich für einen kleinen Händler noch lohnt, selbst PCs zu bauen, zumindest nicht, wenn er die Vollkostenrechnung macht. Für einen solchen Händler ist es sicher sinnvoller, den PC durch uns assemblieren zu lassen und dabei auch von unseren Ressourcen profitieren zu können. Und in dem Zusammenhang komme ich nochmals auf den Punkt zurück, den ich eingangs erwähnt habe: Ich bin der festen Überzeugung, dass kleinere Systemintegratoren heute nur dann überleben können, wenn sie den Schritt Richtung Managed Services machen und die Hardware nur noch als Mittel zum Zweck sehen, um dem KMU-Kunden dann Dienstleistungen wie proaktive Überwachung, Patch Management und so weiter anbieten zu können. Damit wird der Händler in Zukunft seinen Deckungsbeitrag generieren.

Digitec und Steg verkaufen neben der Eigenmarke auch die PCs von Drittherstellern. Stehen Sie da nicht immer auch etwas im Konflikt, die Eigenmarke eigentlich bevorzugen zu wollen?
Remo Pascale:
Sicher ist es so, dass wir mit all den Marken, die wir im Sortiment haben, unserer Eigenmarke Konkurrenz machen. Doch wir sehen die Situation als Chance, durch die Drittmarken sowie unsere Eigenmarke eine möglichst breite Kundschaft abdecken zu können. Es ist auch so, dass wir mit den etablierten Herstellern Spezialkonfigurationen machen, um unseren Kunden so Exklusivität anzubieten. Doch natürlich sind wir da nie so flexibel wie bei der eigenen Marke.

Lorenz Weber: Ich sehe das ähnlich. Es liegt nicht an uns, die eigenen Geräte bevorzugen zu wollen. Sondern wir bieten ein möglichst breites Spektrum an, und der Kunde wählt aus. Wir versuchen nicht, den Kunden zu steuern, sondern wir versuchen, dem Kunden ein Gesamterlebnis zu bieten. Dazu gehören beispielsweise auch Workshops zu verschiedenen Themen rund um den PC, die wir vor kurzem eingeführt haben und die wir nun regelmässig zusammen mit unseren Kunden in den Filialen durchführen.


Wenn Sie auf 2015 zurückblicken: Wie liefen die Geschäfte mit den selbstgebauten PCs beziehungsweise wie viele Rechner haben Sie verkauft?
Lorenz Weber:
Wir haben im letzten Jahr mit den beiden Marken Steg PC und Beck PC weit über 10'000 Rechner verkauft.

Remo Pascale: Ich kann leider keine Zahlen nennen. Nur so viel: Gemäss GfK ist der Schweizer PC-Markt im letzten Jahr bezüglich Stückzahlen um rund 10 Prozent geschrumpft. Wir konnten unsere Stückzahlen halten, sprich den Marktanteil ausbauen. Und das Jahr 2016 hat für uns sehr vielversprechend angefangen.

Alessandro Micera: Auch ich kann keine Zahlen nennen, aber auch bei uns ist das PC-Geschäft entgegen dem Markt im vergangenen Jahr nicht zurückgegangen. Das erste Halbjahr war, ich hatte es bereits angetönt, vom Frankenschock geprägt. Im Gegensatz dazu steht das zweite Halbjahr, wo es – sagen wir so – fast etwas zu viel des Guten war. Der Markt wurde zum einen vom Windows-10-Launch sowie später vom Launch der neuen Skylake-Architektur getrieben. Die Monate November und Dezember waren sehr intensiv, und wir spüren den Nachholbedarf auch im ersten Quartal 2016 noch. Deshalb glaube ich auch nicht, dass der Markt 2015 so dramatisch rückläufig war wie überall zu lesen ist – die Investitionen haben sich vielmehr verschoben.


Ein Ausblick aufs laufende Jahr: Welche Ziele hegen Sie mir Ihren Geräten, welche Pläne haben Sie und wo sehen Sie noch Wachs-
tumspotential?
Alessandro Micera:
Wir planen für dieses Jahr, unseren Build-to-Order-Bereich weiter auszubauen und noch mehr Flexibilität zu gewinnen. Ausserdem wollen wir den Fachhandel weiter im Transformationsprozess Richtung Dienstleister unterstützen, indem wir versuchen, mehr und mehr Managed Services in unsere Lösungen miteinzubauen und so dem Fachhandel die Möglichkeit zu bieten, dem Schweizer KMU einen Full Managed Workplace zu verkaufen.

Remo Pascale: Wir werden rund um unser Assembling-Geschäft in diesem Jahr noch stärker auf Premium-Produkte für Privatkunden setzen und auf unsere Gaming- und Multimedia-Produkte für anspruchsvolle Anwender fokussieren.

Lorenz Weber: Ich glaube, wir sind mit unseren PC-Produkten eigentlich bereits sehr gut aufgestellt. Ausbaupotential sehen wir wie angesprochen im B2B-Bereich – zum einen bei den Produkten und Services für Firmenkunden, zum anderen auch bei deren Betreuung. Zudem planen wir, künftig auch für den Steg PC einen Konfigurator anzubieten, wie wir das bereits für unsere Beck PCs machen. Hier können wir sicher von unseren Erfahrungen mit den Beck PCs profitieren, und das Ziel lautet, dass ein Kunde einen selbst konfigurierten Steg PC nach 48 Stunden fertig abholen kann.

Aktuell beherrschen Themen wie Virtual Reality oder auch 4K-Video die Branche – Themen, die sehr leistungsfähige Geräte voraussetzen. Erhoffen Sie sich dadurch einen Schub?
Remo Pascale:
Auf jeden Fall. Wir sind uns sicher, dass diese Themen die Anforderungen an die Hardware in die Höhe treiben und den Markt somit stimulieren werden – gerade für uns, da wir mit eigenen PCs genau in diesem Segment unterwegs sind.


Lorenz Weber: Kunden, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen, sind genau die Kunden, die ihren PC selbst konfigurieren wollen.

Wenn Sie das Client-Geschäft ganz allgemein betrachten, welche Entwicklungen sehen Sie dann für die kommenden zwei, drei Jahre?
Remo Pascale:
Wir gehen ganz klar davon aus, dass die Mobilität zunehmen wird. Bereits jetzt ist eine zunehmende Nachfrage nach 2-in-1-Geräten zu spüren. Ich kann mir auch vorstellen, dass sich Microsofts Continuum-Konzept durchsetzen könnte, bei dem das Smartphone die Aufgaben des Rechners übernimmt. Aber ungeachtet dieser Entwicklung wird der klassische Desktop auch in Zukunft seine Berechtigung haben. Am Schreibtisch wird auch in Zukunft Leistung gefragt sein.

Alessandro Micera: Ich glaube, dass sich der Büroarbeitsplatz noch stark verändern wird, dass die Leistung in Zukunft im Datacenter bereitgestellt wird und am Arbeitsplatz nur noch dargestellt werden muss. Aber auch ich bin der Meinung, dass es auch in Zukunft Kunden geben wird, die einen leistungsfähigen Rechner direkt am Arbeitsplatz wünschen. Ich denke, die Vielfalt an Geräten wird weiter zunehmen. Das heisst aber nicht, dass gewisse Gerätekategorien, wie etwa der Desktop-PC, deshalb verschwinden werden.

Lorenz Weber: Auch ich bin der Überzeugung, dass der Desktop-PC weiter seine Berechtigung haben wird. Sicher waren die Stückzahlen in den letzten Jahren rückläufig. Aber seit knapp einem Jahr sind die Stückzahlen bei uns stabil beziehungsweise wir können sogar zulegen. Das macht uns Mut. Zudem wächst der Bereich Dienstleistungen rund um den PC stark, was für uns natürlich auch spannend ist.


Also liegt die Zukunft des PC-Handels in der Dienstleistung?
Alessandro Micera: Sicher ist, die Margensituation im PC-Geschäft wird auch in Zukunft nicht besser sein. Ich habe es verschiedentlich bereits angetönt: Wir sehen die Zukunft ganz klar im Bereich Dienstleistungen – seien es Managed Services oder auch Dienstleistungen beim Kunden vor Ort. Hier kann sich ein Händler positionieren und seinen Deckungsbeitrag erwirtschaften.

Lorenz Weber: Diese Argumentation habe ich allerdings bereits vor 15 Jahren gehört. Schon damals hiess es, dass man doch nicht auf den Verkauf von PCs setzen kann, sondern Dienstleistungen bieten muss. Doch sehen Sie sich den Markt an: In den letzten 15 Jahren ist eine Firma wie Digitec von 0 auf Hunderte Millionen Franken Umsatz gewachsen. Wir sind gewachsen und viele andere auch – und alle nicht zuletzt dank dem Verkauf von Hardware. Also scheint etwas komplett entgegen der Prognosen gelaufen zu sein. Die Situation für uns ist sogar viel besser geworden. Vor 15 Jahren verkauften wir primär Desktops mit schweren Röhrenmonitoren darauf. Heute können wir eine Vielzahl unterschiedlicher Geräte anbieten, jeder Benutzer besitzt mehrere Geräte und deren Versand ist erst noch einfacher geworden. Sicher, man braucht heute eine gewisse Grösse, muss die Prozesse im Griff haben. Aber wir haben ein erfolgreiches Geschäft mit dem Handel von Produkten aufbauen können. Dienstleistungen allein sind nicht zwingend der Heilsbringer für alle Teilnehmer am Markt.

Alessandro Micera: Das kann ich so unterschreiben, auf jeden Fall. Aber: Vor 20, 30 Jahren hatte man 70 Prozent Marge auf den Geräten, und die Dienstleistung gab's gratis obendrauf. Heute ist das etwas anders. Die Wertschöpfung hat sich verändert. Die Marge ist gesunken, also kann ich die Dienstleistungen nicht mehr verschenken.


Ist das beim Kunden denn so angekommen? Ist er bereit, für Service zu bezahlen?
Lorenz Weber:
Ich bringe an dieser Stelle immer gerne das Beispiel von Easyjet. Easyjet hat hier einen neuen Zeitgeist eingeläutet – der Kunde zahlt nur noch, was er braucht. Und dieser Trend setzt sich auch in anderen Bereichen fort.

Remo Pascale: Genau, dieses Denken setzt sich mehr und mehr durch. Bezahlt der Kunde einen gewissen Preis, erwartet er einen gewissen Grad an Dienstleitung. Ist der Preis aber sehr tief, ist er sich auch bewusst, dass er dazu nicht noch unbegrenzten Service kriegt.

Lorenz Weber: Man sieht die Entwicklung ja beispielsweise in der Reisebranche, wo es nicht mehr unüblich ist, dass der Kunde zuerst 50 Franken auf den Tisch legen muss, bevor er beraten wird.


Wird das dereinst auch im IT-Handel so sein?
Lorenz Weber:
Völlig abwegig ist das sicher nicht. Die Entwicklung wird auf jeden Fall vermehrt dahingehen, dass der Kunde künftig das bezahlt, was er auch bezieht.

Alessandro Micera: Obwohl ich glaube, dass Kunden in Zukunft beispielsweise nicht mehr bereit sein werden, für Serviceverträge zu bezahlen. Warum sollen sie vorab zahlen, dass sie bei einem Ausfall Hilfe bekommen, denn allein schon der Ausfall ist mit Kosten verbunden. Also erwartet der Kunde, dass es in Zukunft keine Ausfälle mehr gibt, womit wir wieder bei der proaktiven Überwachung des Arbeitsplatzes sind. Dafür ist er bereit, zu bezahlen, und entsprechend verändert sich das Daily Business des Fachhändlers, des Integrators. Diese Transformation muss er mitgehen.

Lorenz Weber, CEO, Steg Electronics

Lorenz Weber ist Geschäftsführer sowie Verwaltungsratspräsident von Steg Electronics, das seit Herbst 2014 Teil der PCP.com-Gruppe ist. Steg betreibt nebst dem Online-Geschäft schweizweit 16 Filialen und ist der grösste Computer-Assemblierer der Schweiz. Nebst Rechnern verkauft Steg auch Komponenten und Unterhaltungselektronik.


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