Die fetten Jahre sind vorbei

Der Goldgräberrausch in der Distribution ist teilweise in Katerstimmung umgeschlagen und ein Ende der Konsolidierung scheint nicht in Sicht. Trotz Preis- und Margenzerfall und steigender Rohstoff- und Transportpreise schauen die übriggebliebenen Player zuversichtlich in die Zukunft der Disti-Branche.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/16

     

Kürzere Innovationszyklen, das Internet und die fortschreitende Internationalisierung veränderten den Distributionsmarkt sowohl international als auch in der Schweiz in den letzten Jahren nachhaltig. Wer auf veränderte Bedingungen nicht schnell oder flexibel genug reagierte, wurde kurzerhand von der Konkurrenz geschluckt. «Die Distribution hat in den letzten zehn Jahren einen dramatischen Wandel durchlebt», sagt Also-Geschäftsführer Marc Schnyder im Gespräch mit IT Reseller.


Die vergangenen zwei Jahrzehnte der Schweizer IT-Distribution waren vor allem von Konsolidierung geprägt. Nachfolgend ein kleiner Rückblick auf wichtige Ereignisse der letzten zehn Jahre, besonders im Umfeld der grossen Distributoren, sowie der Versuch einer Zukunftsprognose.

Schicksalsjahr 2003

Pickt man als Beispiel nur einmal das Jahr 2003 heraus, zeigt sich, wie wild und gnadenlos es in der Schweizer IT-Distribution zu und hergeht. In kaum einem Jahr und in kaum einer anderen Branche wurde so viel ver- und gekauft, einverleibt, zusammengeführt oder wieder auseinandergerissen: Im Januar 2003 verkündet beispielsweise die Also Holding einen Strategiewechsel und beschliesst, sich künftig nur noch auf Distribution und Logistik-Dienste zu fokussieren. Die Gruppe will aus der Systemintegration aussteigen und versucht Also Comsyt - teuer und erfolgreich saniert - zu verkaufen. Im Januar 2004 geht das Systemhausgeschäft schliesslich an den Systemintegrator Bechtle.


Fast zeitglich zettelt Also die «Portorevolution» an, ein Thema, das bis heute in der Distribution Kontroversen auslöst. Im November 2003 steigt Also mit dem Kauf der ACS Trading ins Supply-Business ein, der neueste Schachzug lautet «Transaktionsorientiertes Pricing». Ende des Jahres feiert die paneuropäische Distributoren-Allianz «European Wholsale Group» (EWG), der neben Also als Gründungsmitglied auch Copagco (Holland), Esprinet (Italien) und Westcoast (UK) angehören, ihr einjähriges Bestehen.

Tech Data kauft, COS verkauft

Auch beim Broadliner Tech Data hat sich 2003 einiges getan: Im Februar macht Tech-Data-Chef Steve Raymund den Aktionären des Value Added Distributors (VAD) Azlan ein Übernahmeangebot, das diese nicht ablehnen können. Mit dem Netzwerk-Disti gewinnt Tech Data auf einen Streich einen VAD mit 450 Millionen Dollar Umsatz und einem operativen Gewinn von rund 10 Millionen Dollar. Wegen der neuen US-Buchhaltungsregeln muss Tech Data allerdings weltweit rund 330 Millionen Dollar abschreiben. Die Folge sind Entlassungen in den USA und die Schliessung von acht Trainings-Centern.


Während Tech Data mit der Integration von Azlan beschäftigt ist, versucht Roland Apelt, der neue Distributionschef von COS, aus dem eher zusammengewürfelten Gebilde einer Firmen-Gruppe einen einheitlichen Konzern zu schmieden. Es werden Land und Liegenschaften und später auch das Beratungs- und Vermittlungsgeschäft für das Leasing und die Finanzierung von IT-Infrastrukturen losgeschlagen. Die Schweizer Distribution bleibt durch die Nachwehen der missglückten Alltron-Übernahme im Jahr 2001 nach wie vor das Sorgenkind der Holding. Der Schweizer ­Distributionsarm geht 2007 - wie auch Wyscha Computer - bekannterweise an Brack und wird unter dem Namen Alltron weitergeführt, was zumindest bei COS-Händlern vorübergehend für einige Aufregung sorgt. Der Mägenwiler Komponenten-Disti Brack Consulting ändert übrigens im Jahr 2003 seine Rechtsform und den ­Namen in Brack Electronics und wird zur AG.

Wirren um Actebis

Schliesslich gibt es 2003 auch jede Menge Wirren um Actebis. Joe Hemani vom britischen EWG-Mitglied Westcoast versucht Actebis zu übernehmen. Womit er den zehnmal grösseren Disti kaufen will - der Cash-Bedarf wird auf 300 Millionen Euro geschätzt - bleibt unklar. Es sollte beim Versuch bleiben. Actebis wurde bekanntlich erst vor einem Jahr an einen Finanzinvestor verkauft. Die spanischen und italienischen Actebis-Reste übernahm das italienische EWG-Mitglied Esprinet. Westcoast hingegen musste nach dem missglückten Übernahme-Abenteuer aus der EWG aussteigen.


Ende des Jahres meldet zudem der Dübendorfer VAD Asendis unter ­Federführung von Fredy Bader Konkurs an. Bader gibt sich nicht geschlagen und führt das Geschäft mit der neuen Firma Comdis weiter. Der Ebikoner Software-Distributor Trade Up expandiert. 2005 wird der Schweizer Ableger der deutschen Mutterfirma Softline an hiesige Grossinvestoren verkauft.

Vom Goldgräberrausch zur Katerstimmung

«Die Branche hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre vom Goldgräberrausch zu einer ganz normalen Industrie entwickelt», sagt Roland Brack, Chef von Brack Electronics und Alltron gegenüber IT Reseller. «Damals waren praktisch alle Quereinsteiger. Jeder Automechaniker und etwa jeder zweite sonstige Handwerker wollte in die IT-Branche», erinnert sich Brack. Ausgebildete Leute hingegen habe es kaum gegeben oder sie waren unbezahlbar. «Weil der Markt jedes Jahr 50, 100 oder mehr Prozent wuchs, konnten selbst schlecht organisierte Firmen wachsen, obwohl sie eigentlich gar keine Daseinsberechtigung hatten», sagt Brack.


Im Jahr 2000 war es dann mit der Euphorie vorbei. «Plötzlich waren zu viele Leute da und die gewohnten Wachstumsraten blieben aus», sagt der Alltron-Chef. Die Konsolidierung und das grosse Ausmisten setzten ein. «Teilweise herrschte auch Katerstimmung», gibt Brack zu. «Wer dabeibleiben wollte, musste und muss heute jeden Tag beweisen, dass er etwas kann.»

Schwierige Zeiten

In der Tat scheint es mit den Jahren bis heute immer schwieriger geworden zu sein. «Die Jahre 2008/2009 sind wahrscheinlich für die Distribution die grösste Herausforderung in der Geschichte dieser Industrie», sagt Marc Schnyder von Also. In der Schweiz und auch in ganz Europa schreitet die Konsolidierung voran und es wird noch weitergehen, sowohl auf Distributions- als auch auf Herstellerseite. «Früher waren wir in einem wachsenden Markt, das ist vorbei», resümiert Schnyder. «In den letzten fünf Jahren hat eine enorme Preiserosion stattgefunden. Die Produkte sind in dieser Zeit im Schnitt um
50 Prozent günstiger geworden. Den Preis- und Margenzerfall heute mit mehr Volumen kompensieren zu wollen, ist praktisch nicht mehr möglich», so Schnyder. Jetzt heisse es vermehrt durch Dienstleistungen zu wachsen. «Mit dem Handel allein kann man praktisch kein Geld mehr verdienen», sagt der Also-Chef.


Auch die Konsolidierung der Hersteller wirkt sich auf die Distribution aus: Vor Jahren gab es beispielsweise Hewlett-Packard, Compaq und IBM, die alle PCs angeboten haben. HP hat Compaq übernommen und IBM hat sich vom PC-Geschäft getrennt. «Heute haben Sie nur noch zwei bis drei Hersteller, die das gesamte Sortiment abdecken», erklärt Schnyder. Das dritte Problem sind die gestiegenen Transport- und Zinskosten. «Sie haben heute also weniger Umsatz, tiefere Margen und höhere Transportkosten.»

Rapider Preiszerfall

Dem stimmt auch Joe Feierabend von Ingram zu. «Insgesamt ist 2008 ein schwieriges Jahr für die Distribution», pflichtet Feierabend Schnyder bei. Als einen Grund nennt er den Dollarzerfall. «Weltweit wird in Dollar gehandelt, das gibt natürlich günstigere Produkte für den Kunden. Unsereiner hat daran allerdings weniger Freude.» In Europa ging es schon bergab, sagt Feierabend, die Schweiz sei wohl noch eine Ausnahme gewesen. «Dass es Actebis nicht mehr gibt, hat sich im positiven Sinne bemerkbar gemacht. Wir sind 2008 monatlich um 30 Prozent gewachsen, das war ganz sicher eine Auswirkung davon», sagt Feierabend.


Trotzdem gibt er zu, dass auch Ingram mit dem rapiden Preiszerfall massiv zu kämpfen hat. Die Stückpreise sind in den letzten Monaten extrem nach unten gerutscht, während die Rohstoffpreise drastisch gestiegen sind. «Im ersten Halbjahr hatten wir einen Preiszerfall von etwa 25 Prozent. Die Frachtkosten können wir nicht mehr finanzieren», so ­Feierabend. «Wir zeigen unsere Leistungen jetzt transparenter, da sind die Händler gefragt, die Kosten auch auf ihre Kunden abzuwälzen.» Bei den rasierklingendünnen Margen redet die Distribution schon lange nicht mehr von Prozent, sondern von Basis-Preisen. «Heute versuchen wir, mindestens die Marge zu halten. Dafür müssen wir 40 Prozent mehr verschicken», sagt Feierabend. Doch nur mit mehr Volumen lässt sich der Margenzerfall, wie erwähnt, nicht mehr kompensieren. Auch Ingram setzt deshalb mittlerweile vermehrt auf Logistik. «Vor zehn, zwölf Jahren hat man angefangen für die Hersteller oder auch Endkunden zu assemblieren, davon ist man wieder abgekommen», sagt Feierabend. «Wir fokussieren uns mehr und mehr auf die Logistik. In anderen Ländern haben wir ähnliche Dienstleistungs-Modelle wie Also. Der Grossteil unseres Geschäfts ist aber trotzdem der Grosshandel. Wir sind der verlängerte Arm der Hersteller, das ist unsere Dienstleistung», so Feierabend.

National - global - national

In den letzten Jahren sind die grossen, internationalen Distributoren immer grösser geworden, dies vor allem durch die Übernahme von mittleren Distis, die damit ihre Unabhängigkeit verloren haben oder ganz vom Markt verschwunden sind.
Auch die Hersteller setzten vermehrt auf Globalplayer im Distributorenmarkt. Wie die Gründung der Distributoren-Allianz EWG vor sechs Jahren zeigte, glaubten grosse Hersteller wie Cisco oder Hewlett-Packard damals noch an paneuropäische Verträge mit grossen Distributoren, die aus zentralen Lagern die gesamte europäische ­Reseller-Schar beliefern würden. Heute werden eher wieder Distributionsverträge mit lokalen Anbietern ­geschlossen. Die EWG ist ein Beispiel dafür, wie die einstige Idee der Hersteller von einer Lieferung aus zentralisierten Hubs mehr oder weniger im Sande verlief. Während der gesamten aktiven Zeit der Distributoren-Allianz konnten nur HP, Fujitsu Siemens Computers und Canon als sogenannte «strategische Partner» der EWG gewonnen werden. «Wir sind nicht davon überzeugt, dass es Sinn macht, in jedes Land zu gehen», sagt heute Also-Chef Marc Schnyder. «Früher mussten Sie, um die Hersteller zu befriedigen, ein paneuropäischer Vertreter sein», so Schnyder. Mit der Übernahme des finnisch-baltischen Distis GNT (GNT seinerseits hatte in Schweden und Norwegen einen Disti aus der CHS-Konkursmasse übernommen) hatte sich Also jede Menge Probleme eingehandelt, die sich lange in den Bilanzen der Also-Holding negativ niederschlugen. «Heute müssen Sie in einem Land eine starke Position und Bedeutung haben», sagt Schnyder. «Natürlich muss man auch international eine bestimmte Grösse haben, sonst werden Sie von den Herstellern nicht wahrgenommen.» Mit der EWG, die sich Ende August dieses Jahres aufgelöst hat, haben die Allianz-Mitglieder ihre Präsenz aber immerhin von einst 5 Ländern im Gründungsjahr auf heute 16 erweitert. Der Umsatz der Gesamtgruppe ist in dieser Zeit von 2,5 auf 6,1 Milliarden Euro gestiegen.

Wie geht’s weiter?
Weniger ist mehr, Spezialisierung liegt im Trend. Darin sind sich viele Player in der heutigen Distributionsszene einig. So hat denn auch die ­Anzahl der Distributoren in der Kategorie «Spezialisten und Herstellervertretungen» im Rahmen des von IT Reseller seit neun Jahren durchgeführten Disti Awards tendenziell zugenommen, während die Anzahl in den Kategorien Komponenten- und Peripherie-Distis, Broadliner und Value Added Distributoren (VADs) eher abgenommen hat. Vor allem die Zahl der VADs ist massiv von 51 im Jahr 2004 auf 20 in diesem Jahr geschrumpft. Ein weiteres Zeichen für die Konsolidierung in der Disti-Szene.
«Entweder sind Sie ein Spezialist für ein bestimmtes Produkt-Sortiment, wie beispielsweise Engelberger für Fotoprodukte, oder auf ein Kundensegment, zum Beispiel für ganz kleine Reseller, fokussiert», sagt dazu Marc Schnyder. Oder die dritte Variante: «Es ist Ihnen gelungen, den Kunden ein breites Feld von Dienstleistungen anzubieten», sagt Schny­der. Also bezeichnet sich selbst übrigens nicht als Broadliner, obwohl der Emmener Distributor allgemein in dieser Kategorie geführt wird. «Wir sind sehr fokussiert, denn wir glauben nicht, dass ein Distributor 150 Hersteller in der Schweiz vertreten kann. Wir haben wenige Hersteller, etwa 50 Verträge derzeit. Es ist entscheidend, dass man einen entsprechenden Marktanteil bei den Produkten hat», so Schnyder.
«150 Hersteller als lokaler Disti zu vertreten, ist ein Ding der Unmöglichkeit», sagt auch Feierabend von Ingram. «Anders sieht es aus, wenn man international aufgestellt ist. Unsere XXL-Strategie mit den zwei Regional-Hubs in Deutschland läuft super. Da haben wir einen strategischen Vorteil gegenüber Mitbewerbern.» Ingram liefert Ware im Wert von 120 Millionen aus dem deutschen Lager in die Schweiz. Bei der heutigen Marge brauche man vor allem qualifizierte Leute, die kommunizieren und darauf achten, dass das Sortiment ausgewogen und immer erhältlich ist, meint Feierabend. «Für die Händler ist es wichtig, dass alles reibungslos funktioniert und rasch geliefert wird», so der Ingram-Chef.


Wachstum mit Dienstleistungen
Künftig will oder muss Also, wie Schnyder betont, wachsen. Zugelegt hat Also beispielsweise im Supply-Business, aber auch im CE/UE-Umfeld, das seit geraumer Zeit immer mehr klassische IT-Distributoren als neue Spielwiese für sich entdeckt haben. «2007 hat das Consumer-Geschäft das Distributionsgeschäft stark getrieben», sagt Schnyder. Aber ­bereits für das kommende Jahr geht er von einem Rückgang dieses Wachstums aus. Auch der Bereich High-end-Server, bis dato Garant für gute ­Geschäfte, könnte aufgrund der Finanzkrise bald nachlassen. «Die Banken investieren im Moment deutlich weniger», stellt Schnyder fest und fügt an, dass profitables Wachstum nur noch in neuen Segmenten oder im Dienstleistungsbereich möglich sei.

Konsolidierung geht weiter
COS, Alltron, Wyscha, Actebis - die Konsolidierung in der Distribution ist dramatisch schnell gegangen. «Es stellt sich natürlich die Frage, wieso diese Player vom Markt verschwunden sind», wirft Feierabend ein. «Man muss laufend investieren. Allein schon für die ganze Internet-Anbindung. 70 Prozent der Bestellungen laufen heute via E-Commerce.» Für den Kunden hingegen sei es einfacher geworden. «Er kann zwischen den drei grossen Distis auswählen, er muss kein eigenes Lager mehr haben, was früher noch oft der Fall war, er kann auf unser aller Logistik vertrauen», sagt Feierabend stellvertretend. Zudem sei die Art der Zusammenarbeit heute viel partnerschaftlicher als früher. Auch seitens der Kunden, sprich Händler, habe eine Entwicklung stattgefunden. «Sie sind heute offener und arbeiten mit mehreren Distributoren zusammen, während sie früher oft fest bei einem einzigen waren. Zudem vernetzen die IT-Sys­teme hinter der Bühne heute alles, was die Zusammenarbeit sehr erleichtert.»
Das Online-Vergleichstool «Concerto» der Zuger Firma Proseller, das Resellern hilft, Preise und Lagerbeständer bei den Distis abzufragen und zu vergleichen, habe sicher auch viel verändert, meint Feierabend. Bei den Distributoren erweckte Concerto von Beginn an unterschiedliche Gefühle – zwischen Begeisterung und Total-­ablehnung. Feierabend jedenfalls schaut zuversichtlich in die Distributoren-Zukunft. Er ist sicher, dass sich die Netzwerke und die Zusammenarbeit der verschiedenen Parteien wie Hersteller, Logistiker, Fachhandel und Endkunde weiter intensivieren werden.
Einen möglichen Trend sieht er auch darin, dass wieder mehr lokal produziert werden wird. Nachdem vor ein paar Jahren das grosse Auslagern nach Asien sein Hoch hatte, wird aufgrund hoher Transportkosten heute beispielsweise wieder viel in nähergelegenen Ländern wie Polen oder Ungarn produziert. Feierabend glaubt an eine Zunahme der Professionalität, aber auch daran, dass künftig weiterhin viel Geld investiert werden muss. «Möglicherweise schreitet die Konsolidierung in der Distribution noch weiter voran», sagt der Ingram-Chef.

Marktanteile sind verteilt
Für Roland Brack sind die Marktanteile weitestgehend verteilt und die Zeit angebrochen, sich um den Kunden zu kümmern, anstatt um die Eroberung von Marktanteilen der Konkurrenz. «Ich denke, wir sind nun wirklich direkt am Übergang zu einer ganz normalen Industrie mit Marktplayern, die ihre Position kennen und ihre Prozesse im Griff haben», sagt Brack gegenüber IT Reseller. «Einige Bremsspuren werden natürlich noch länger da sein, denn kaum ein anderer Industriezweig dieser Dimension ist in 20 Jahren von null auf hundert aufgebaut worden.»

Keine Angst vor dem Abschwung
Auch wenn die Prognosen für das Wirtschaftswachstum ständig nach unten korrigiert werden, die Preise sinken, die Margen knapper werden und die Transport- und Rohstoff­kosten steigen, blicken die Schweizer Distributoren zuversichtlich in die Zukunft. Nach jeder Krise kommt auch wieder ein Aufschwung und die heutigen Player im hiesigen Distributinsmarkt haben ihre Strategie weitestgehend festgelegt o

Wie geht’s weiter?

Weniger ist mehr, Spezialisierung liegt im Trend. Darin sind sich viele Player in der heutigen Distributionsszene einig. So hat denn auch die ­Anzahl der Distributoren in der Kategorie «Spezialisten und Herstellervertretungen» im Rahmen des von IT Reseller seit neun Jahren durchgeführten Disti Awards tendenziell zugenommen, während die Anzahl in den Kategorien Komponenten- und Peripherie-Distis, Broadliner und Value Added Distributoren (VADs) eher abgenommen hat. Vor allem die Zahl der VADs ist massiv von 51 im Jahr 2004 auf 20 in diesem Jahr geschrumpft. Ein weiteres Zeichen für die Konsolidierung in der Disti-Szene.

«Entweder sind Sie ein Spezialist für ein bestimmtes Produkt-Sortiment, wie beispielsweise Engelberger für Fotoprodukte, oder auf ein Kundensegment, zum Beispiel für ganz kleine Reseller, fokussiert», sagt dazu Marc Schnyder. Oder die dritte Variante: «Es ist Ihnen gelungen, den Kunden ein breites Feld von Dienstleistungen anzubieten», sagt Schny­der. Also bezeichnet sich selbst übrigens nicht als Broadliner, obwohl der Emmener Distributor allgemein in dieser Kategorie geführt wird. «Wir sind sehr fokussiert, denn wir glauben nicht, dass ein Distributor 150 Hersteller in der Schweiz vertreten kann. Wir haben wenige Hersteller, etwa 50 Verträge derzeit. Es ist entscheidend, dass man einen entsprechenden Marktanteil bei den Produkten hat», so Schnyder.


«150 Hersteller als lokaler Disti zu vertreten, ist ein Ding der Unmöglichkeit», sagt auch Feierabend von Ingram. «Anders sieht es aus, wenn man international aufgestellt ist. Unsere XXL-Strategie mit den zwei Regional-Hubs in Deutschland läuft super. Da haben wir einen strategischen Vorteil gegenüber Mitbewerbern.» Ingram liefert Ware im Wert von 120 Millionen aus dem deutschen Lager in die Schweiz. Bei der heutigen Marge brauche man vor allem qualifizierte Leute, die kommunizieren und darauf achten, dass das Sortiment ausgewogen und immer erhältlich ist, meint Feierabend. «Für die Händler ist es wichtig, dass alles reibungslos funktioniert und rasch geliefert wird», so der Ingram-Chef.

Wachstum mit Dienstleistungen

Künftig will oder muss Also, wie Schnyder betont, wachsen. Zugelegt hat Also beispielsweise im Supply-Business, aber auch im CE/UE-Umfeld, das seit geraumer Zeit immer mehr klassische IT-Distributoren als neue Spielwiese für sich entdeckt haben. «2007 hat das Consumer-Geschäft das Distributionsgeschäft stark getrieben», sagt Schnyder. Aber ­bereits für das kommende Jahr geht er von einem Rückgang dieses Wachstums aus. Auch der Bereich High-end-Server, bis dato Garant für gute ­Geschäfte, könnte aufgrund der Finanzkrise bald nachlassen. «Die Banken investieren im Moment deutlich weniger», stellt Schnyder fest und fügt an, dass profitables Wachstum nur noch in neuen Segmenten oder im Dienstleistungsbereich möglich sei.

Konsolidierung geht weiter

COS, Alltron, Wyscha, Actebis - die Konsolidierung in der Distribution ist dramatisch schnell gegangen. «Es stellt sich natürlich die Frage, wieso diese Player vom Markt verschwunden sind», wirft Feierabend ein. «Man muss laufend investieren. Allein schon für die ganze Internet-Anbindung. 70 Prozent der Bestellungen laufen heute via E-Commerce.» Für den Kunden hingegen sei es einfacher geworden. «Er kann zwischen den drei grossen Distis auswählen, er muss kein eigenes Lager mehr haben, was früher noch oft der Fall war, er kann auf unser aller Logistik vertrauen», sagt Feierabend stellvertretend. Zudem sei die Art der Zusammenarbeit heute viel partnerschaftlicher als früher. Auch seitens der Kunden, sprich Händler, habe eine Entwicklung stattgefunden. «Sie sind heute offener und arbeiten mit mehreren Distributoren zusammen, während sie früher oft fest bei einem einzigen waren. Zudem vernetzen die IT-Sys­teme hinter der Bühne heute alles, was die Zusammenarbeit sehr erleichtert.»
Das Online-Vergleichstool «Concerto» der Zuger Firma Proseller, das Resellern hilft, Preise und Lagerbeständer bei den Distis abzufragen und zu vergleichen, habe sicher auch viel verändert, meint Feierabend. Bei den Distributoren erweckte Concerto von Beginn an unterschiedliche Gefühle – zwischen Begeisterung und Total-­ablehnung. Feierabend jedenfalls schaut zuversichtlich in die Distributoren-Zukunft. Er ist sicher, dass sich die Netzwerke und die Zusammenarbeit der verschiedenen Parteien wie Hersteller, Logistiker, Fachhandel und Endkunde weiter intensivieren werden.
Einen möglichen Trend sieht er auch darin, dass wieder mehr lokal produziert werden wird. Nachdem vor ein paar Jahren das grosse Auslagern nach Asien sein Hoch hatte, wird aufgrund hoher Transportkosten heute beispielsweise wieder viel in nähergelegenen Ländern wie Polen oder Ungarn produziert. Feierabend glaubt an eine Zunahme der Professionalität, aber auch daran, dass künftig weiterhin viel Geld investiert werden muss. «Möglicherweise schreitet die Konsolidierung in der Distribution noch weiter voran», sagt der Ingram-Chef.

Marktanteile sind verteilt

Für Roland Brack sind die Marktanteile weitestgehend verteilt und die Zeit angebrochen, sich um den Kunden zu kümmern, anstatt um die Eroberung von Marktanteilen der Konkurrenz. «Ich denke, wir sind nun wirklich direkt am Übergang zu einer ganz normalen Industrie mit Marktplayern, die ihre Position kennen und ihre Prozesse im Griff haben», sagt Brack gegenüber IT Reseller. «Einige Bremsspuren werden natürlich noch länger da sein, denn kaum ein anderer Industriezweig dieser Dimension ist in 20 Jahren von null auf hundert aufgebaut worden.»

Keine Angst vor dem Abschwung

Auch wenn die Prognosen für das Wirtschaftswachstum ständig nach unten korrigiert werden, die Preise sinken, die Margen knapper werden und die Transport- und Rohstoff­kosten steigen, blicken die Schweizer Distributoren zuversichtlich in die Zukunft. Nach jeder Krise kommt auch wieder ein Aufschwung und die heutigen Player im hiesigen Distributinsmarkt haben ihre Strategie weitestgehend festgelegt oder ihre Nische gefunden. «Was bleibt, ist eine interessante und sich unglaublich schnell ändernde Branche», sagt Roland Brack. «Das macht es jeden Tag von Neuem spannend und wird uns wohl auch in Zukunft immer wieder neue Chancen bieten, die es zu nutzen gilt.» (Susann Klossek)


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